Das Zeitalter der großen geographischen Entdeckungen im 15. und 16. Jahrhundert war auch das goldene Zeitalter der Kartographie. Die rasante Erforschung der alt bekannten und neuen Kontinente forderte ständige Neuauflagen kartographischer Schriften und brachte einen Aufschwung aufwändig gestalteter Kunstwerke mit sich.
Wer neue Ländereien entdeckte, beanspruchte diese für sich, als Besitznachweis galt allein eine Karte. Weil geographisches Wissen den Weg zu neuen Reichtümern, zu Rohstoffen und Handelswaren wies, hüteten die Könige der Renaissance ihre Karten wie Staatsgeheimnisse.
Die Spanier bewahrten ihre Kartensammlung in einer Lade mit zwei Schlössern auf. Die Schlüssel dazu besaßen der Generalsteuermann und der oberste Kosmograph. Aus Angst, die amtlichen Karten könnten absichtlich verfälscht werden, schuf die spanische Regierung im Jahr 1508 eine Mutterkarte, den Padron Real. Alle Aktualisierungen wurden darin vorgenommen und erst dann vervielfältigt. Der Padron Real selbst wurde von einer Kommission der besten Steuerleute überwacht
Folgenschwerer Kartenraub
Lange Zeit war Portugal die führende Nation in der Seefahrt. Nautische Schriften zu kopieren oder ins Ausland zu schicken, war bei Todesstrafe verboten. Drohte in Seeschlachten eine Niederlage, wurde eher das eigene Schiff versenkt, als dass kartographische Aufzeichnungen dem Feind in die Hände fielen. Ausländer, vor allem aus Italien und Spanien, waren in Portugal nicht gern gesehen, weil sie die königlichen Geheimnisse stehlen konnten.
Einer dieser Diebe war kein geringerer als Christoph Kolumbus. Der Italiener und sein Bruder Bartolomäo nutzten einen Aufenthalt in Portugal, um königliche Karten aus dem geheimen Staatsarchiv zu kopieren. Mit Hilfe dieser Notizen entwarfen die beiden eine Landkarte für die Westroute nach Indien. Mit ihr segelte Kolumbus über den Atlantik, um schließlich Amerika zu entdecken.
Datentransfer mit Umwegen
Auch Ferdinand Magellan plante seine Reise nach Südamerika, bei der er die bis dahin unbekannte Meerenge zwischen dem südamerikanischen Festland und der Insel Feuerland entdecken sollte, aufgrund von geheimen Informationen. Er hatte eine Karte des Nürnberger Mathematikers Martin Behaim im Gepäck, die eine schiffbare Meerenge an der Südspitze Südamerikas vermuten ließ.
Der Deutsche Behaim hatte in Portugal lange als Kartograph gearbeitet und verfügte so über geheime Informationen aus den königlichen Kartensammlungen. Als Behaim seinen Arbeitgeber wechselte und wieder nach Deutschland ging, nahm er das exklusive Wissen mit, um den heute ältesten noch existierenden europäischen Globus anzufertigen.
Magellan, gebürtiger Portugiese, machte seine Entdeckungsfahrt im Auftrag der Spanier. Seinen Weg durch die nach ihm benannte Magellanstraße fand er jedoch aufgrund der über Umwege zu ihm gelangten Geheimnisse aus der Schatzkammer des portugiesischen Königs
Der Spion auf dem Segelschiff
Je restriktiver die Geheimhaltungspolitik der Seemächte wurde, desto kreativere Ideen entwickelten diejenigen, die die Informationen dringend benötigten. Als Portugal im Jahr 1580 von den Spaniern besetzt wurde, war damit auch Holland von den Importen aus dem Orient abgeschnitten, denn die Niederländer waren stets von Portugal beliefert worden, aber nie selbst nach Asien gefahren. Sie kannten nicht einmal den Weg dahin.
So wurde Jan Huygen van Linschoten, ein holländischer Kaufmann, beauftragt, auf einem portugiesischen Schiff, das gen Osten fuhr, anzuheuern, um heimlich die Fahrtroute zu erkunden. Die Ergebnisse seiner erfolgreichen Spionage-Mission schrieb er nieder und öffnete der holländischen Seefahrt so den Weg in den Orient.
Stand: 13.01.2006