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Technik

Alltagsobjekte als Datenspeicher

Verkapselte DNA macht beliebige Kunststoffe unerkannt zu Datenträgern

Hase mit integrierter DNA
Dieser Plastikhase trägt unsichtbar seine eigene Bauanleitung in sich. Denn im Kunststoff sind DNA-Moleküle enthalten, in denen diese Daten kodiert sind. © ETH Zürich/ Julian Koch

Ob Brillenglas, Hemdknopf oder Plastikflasche: In all diesen Alltagsobjekten könnten künftig verborgene Informationen kodiert sein. Denn Forscher haben Datenspeicher in Form winziger DNA-Kapseln entwickelt, die unsichtbar in normale Kunststoffobjekte integriert werden können. In ersten Tests speicherten sie so ein ganzes Video in einem Brillenglas und erzeugten im 3D-Druck einen Plastikhasen, der seine eigene Bauanleitung in sich trägt.

Schon länger experimentieren Wissenschaftler damit, das Erbmolekül DNA als Datenspeicher zu nutzen. Denn die Basenabfolge der DNA lässt sich relativ einfach so umschreiben, dass sie beliebige Informationen kodiert. Gleichzeitig ist die Speicherkapazität so hoch, dass man hunderte Terabyte an Daten in einem Gramm DNA speichern könnte. In ersten Tests haben Forscher schon Fotos und Videos im Erbgut lebender Bakterien gespeichert, oder ein komplettes Musikalbum auf in Glaskügelchen eingegossenen DNA-Strängen konserviert – letzteres macht die DNA extrem haltbar.

„Verpackte“ DNA als Datenspeicher

Jetzt sind Forscher um Julian Koch von der ETH Zürich noch einen Schritt weiter gegangen: Sie haben die Silikat-umhüllten DNA-Speicher nun auch in beliebige Alltagsobjekte integriert. Sie tauften diese Technik „DNA der Dinge“ – analog zum „Internet der Dinge“. „In dieser Speicherarchitektur werden DNA-Moleküle in funktionelle Materialien integriert, um Objekte mit unveränderbarer Erinnerung zu erschaffen“, erklären die Wissenschaftler.

Dafür erzeugten die Forscher zunächst DNA-Stränge aus jeweils 145 Basenpaaren, deren Abfolge die gewünschte Information in spezifischer Weise kodierte. Diese in großer Zahl kopierte DNA verpackten sie dann zum Schutz gegen Degradation in Silikat-Nanokügelchen. Diese Nanokügelchen gossen sie dann in einer Konzentration von 100 parts per million (ppm) in einen Kunststoff ein – geeignet sind dabei nahezu alle gängigen Plastikmaterialien.

„Die integrierten Kügelchen verursachen keinerlei detektierbaren Veränderungen der mechanischen Eigenschaften, des Gewichts oder der Farbe des Materials“, erklären Koch und seine Kollegen. Mit anderen Worten: Ob das Material DNA-Speicher enthält oder nicht, bleibt verborgen.

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Ein Plastikhase mit integrierter Bauanleitung

Um die Methode zu testen, stellten die Wissenschaftler zunächst mittels 3D-Druck ein Häschen aus Kunststoff her, das seine eigene Bauanleitung in sich trägt. „So wie richtige Hasen tragen auch unsere Häschen ihren Bauplan in sich“, erklärt Seniorautor Robert Grass von der ETH Zürich. Um diesen Bauplan auszulesen, genügt es, eine kleine Materialprobe zu entnehmen, die Nanokügelchen zu isolieren und dann die DNA-Stränge zu vervielfachen und zu sequenzieren – Methoden, die einfach und gängig sind.

Die im Objekt verborgene Information lässt sich sogar „weitervererben“. Dafür reicht es, einen kleinen Teil des ursprünglichen Hasen mit neuer Plastikmasse zu vermischen und daraus einen neuen 3D-Hasen zu drucken. „Es lässt sich damit eine 3D-Druck-Anleitung in ein Objekt integrieren, so dass diese selbst nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten noch direkt aus dem Objekt herausgelesen werden kann“, sagt Grass.

Ein Video im Brillenglas

Die versteckten DNA-Speicher können sogar genutzt werden, um ganze Videos zu kodieren und ungesehen zu transportieren. Im Test wandelten Koch und seine Kollegen dafür einen Film mit 1,4 Megabyte Dateigröße in DNA-Code um und schlossen die Speicherstränge in die Nanokügelchen ein. Diese wurden dann in den Kunststoff eines Brillenglases eingeschlossen.

„Das Resultat war eine Brille mit völlig normal aussehenden Gläsern, die eine verborgene Video-Botschaft enthielt“, so die Forscher. „Mit einer solchen Brille wäre es problemlos möglich, die Sicherheitskontrolle an einem Flughafen zu passieren und damit unerkannt Informationen von einem Ort zu einem anderen zu transportieren.“ Auf ähnliche Weise könnte man beinahe beliebige Objekte zu versteckten Datenspeichern machen.

So funktioniert der DNA-Datenspeicher im Plastik.© ETH Zürich

Reichlich Anwendungsmöglichkeiten

Anwendungen für solche ins Material integrierte DNA-Speicher gibt es nach Angaben der Wissenschaftler viele. So könnte die Technik nicht nur zum Transport geheimer Daten genutzt werden, sondern auch zur Kennzeichnung von Produkten wie Medikamenten oder Baustoffen. Überwachungsbehörden könnten so Messergebnisse der Qualitätskontrolle direkt aus dem Produkt herauslesen. Und bei Gebäuden ließe sich feststellen, welche Produkte von welchen Herstellern beim Bau verwendet worden sind.

In ferner Zukunft könnten mit dieser Methode sogar sich selbst replizierende Maschinen und Objekte möglich werden, sagen die Forscher. Noch allerdings ist die Herstellung der kodierten DNA-Stränge relativ teuer und das Auslesen eher langsam. Doch mit den technischen Fortschritten in der Gentechnik könnte sich dies in Zukunft schnell ändern, so Koch und seine Kollegen. (Nature Biotechnology, 2019; doi: 10.1038/s41587-019-0356-z)

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

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