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Chemie

Erste Diamanten unter Normaldruck erzeugt

Flüssiges Metallbad lässt Diamantkristalle auch ohne hohen Druck wachsen

Gezüchtete Diamanten
Diese winzigen Diamantkristalle sind unter Normaldruck entstanden, entscheidend dafür ist die richtige Mischung eines heißen Metallbads. © Institute for Basic Science

Metallbad statt Hochdruck: Chemikern ist es erstmals gelungen, Diamanten bei Normaldruck statt hohen Drücken zu züchten – ein absolutes Novum. Nötig ist dafür eine heiße, flüssige Mischung bestimmter Metalle, die in einem Graphittiegel mit Methan versetzt werden. Am Grund des Metallbads bildet sich dann eine dünne Schicht aus reinen Diamantkristallen, wie das Team in Nature“ berichtet. Ihre Methode eröffnet damit ganz neue Möglichkeiten der Diamantherstellung.

Normalerweise entstehen Diamanten bei Temperaturen von 900 bis 1.400 Grad und einem Druck von fünf bis sechs Gigapascal – Bedingungen, wie sie in 150 bis 200 Kilometern Tiefe im oberen Erdmantel herrschen. Die größten und wertvollsten Diamanten, wie der Cullinan oder der Koh-i-Noor, wurden sogar in noch größerer Tiefe gebildet. Metallische Einschlüsse dieser Edelsteine legen nahe, dass sie in Blasen aus heißem, flüssigen Metall herangewachsen sind.

Diamant
Natürliche Diamanten benötigen Hitze und hohen Druck für ihre Entstehung.© RHJ/ Getty images

Eines jedoch haben sie alle gemeinsam: Sowohl natürliche Diamanten wie synthetisch erzeugte Diamantkristalle benötigen einen hohen Druck, um zu entstehen – so jedenfalls dachte man bisher.

Auf die Metallmischung kommt es an

Doch diese Annahme widerlegt nun ein Experiment von Chemikern um Yan Gong vom Institut für Grundlagenforschung im koreanischen Ulsan. Sie wollten wissen, ob die für die meisten synthetischen Diamanten genutzte Methode vielleicht auch ohne hohen Druck funktionieren könnte. „Jüngste Studien haben gezeigt, dass bestimmte Metalle und Legierungen, darunter in Gallium, Zinn, Blei, Indium oder Gallium gelöstes Nickel, Palladium und Platin, Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff umwandeln können“, erklärt das Team.

Die spezifische Metallmischung erleichtert die Aufspaltung der C-H-Bindung im Methan und setzt so den elementaren Kohlenstoff frei. Der Haken jedoch: Bei zu niedrigem Druck bildete in bisherigen Ansätzen Graphit statt Diamant. Gong und sein Team haben daher untersucht, ob sich die Metallmischung und die Versuchsbedingungen so optimieren lassen, dass es auch ohne Hochdruck geht. Dafür konstruierten sie eine spezielle Vakuumkammer und testeten Hunderte von Parameter-Kombinationen durch.

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Kernkomponenten des Testsystems waren verschiedene Metalllegierungen, ein Graphittiegel und die Zuleitung von Methan und Wasserstoff. Der Tiegel ließ sich durch Anlegen einer Spannung auf verschiedene Temperaturen erhitzen.

Zuchtdiamanten
Diese Aufnahmen mit dem Transmissions-Elektronenmikroskop zeigen einen bei Normaldruck gezüchteten Diamantkristall von der Seite und den Diamantfilm in atomarer Auflösung von oben.© Institute for Basic Science

Reine Diamantkristalle ohne Hochdruck

Und tatsächlich: „Als ich eines Tages den Graphittiegel abkühlte und das erhärtete Metall herausnahm, bemerkte ich ein Regenbogen-Schimmern an seiner Unterseite“, berichtet Gong. „Wir fanden heraus, dass diese Regenbogenfarben durch Diamanten erzeugt wurden.“ An der Grenzschicht zwischen Metallbad und Graphit hatte sich eine dünne, ausgedehnte Schicht aus polykristallinem, reinem Diamant ohne Graphitbeimischungen gebildet – obwohl das Experiment bei Normaldruck stattfand.

Als das optimale Rezept für die Diamantkristalle erwies sich ein rund 1.175 Grad heißes Metallbad aus 77,75 Prozent Gallium, 11 Prozent Nickel, 11 Prozent Eisen und 0,25 Prozent Silizium, in das eine Mischung aus Methan und Wasserstoff eingeleitet wird. Nach rund zehn Minuten ist in der Grenzschicht zwischen Metall und Graphittiegel eine erhöhte Konzentration von Kohlenstoffatomen nachweisbar und nach rund 15 Minuten wachsen dort die ersten Diamantkristalle heran, wie das Team feststellte.

„Damit haben wir eine Methode entdeckt, durch die Diamanten beim Druck von nur einer Atmosphäre gezüchtet werden können“, konstatieren Gong und seine Kollegen. „Das ist bisher beispiellos, denn bisher gelang dies nur bei Drücken von fünf bis sechs Bar und hohen Temperaturen.“

Diamantbildung
An der Grenzschicht zwischen Metall und Graphit bilden sich erst winzige Klumpen aus Kohlenstoffatomen, die dann zu Kristallen heranwachsen. © Institute for Basic Science

Erst Atomklumpen, dann Kristalle

Die Chemiker vermuten, dass ein Temperaturgradient im Metallbad für die Diamantbildung ausschlaggebend ist – die Mitte des Tiegels ist kühler als die Ränder. Dies konzentriert die Kohlenstoffatome im zentralen Teil der Grenzschicht, wo dann eine Übersättigung zur Kristallisation führt. Ebenfalls entscheidend ist das Silizium im Metallbad. Ohne dieses Element bleibt die Diamantbildung aus und die größten Kristalle entstehen nur bei optimaler Silizium-Dosierung.

Nähere Analysen ergaben, dass das Silizium die Bildung von winzigen Klumpen aus 20 bis 50 Kohlenstoffatomen in der Grenzschicht fördert. Deren Bindungen mit dem Silizium stabilisieren die Klümpchen, wodurch sie als Kristallisationskeime für das weitere Heranwachsen der Diamantkristalle dienen können.

Zucht maßgeschneiderter Diamanten möglich

„Unsere Entdeckung des Kristallisierens und Wachstums von Diamant in diesem flüssigen Metallbad ist faszinierend und bietet viele spannende Möglichkeiten“, sagt Seniorautor Rodney Ruoff vom Institut für Grundlagenforschung. Erste Tests haben bereits gezeigt, dass sich auch einige andere Metalle mit niedrigem Schmelzpunkt als „Zuchtbad“ eignen. „Diamanten hoher Qualität können auch gezüchtet werden, wenn man Nickel durch Kobalt ersetzt oder Gallium durch eine Gallium-Indium-Mischung“, so Ruoff.

Interessant auch: Die mit dieser Methode bei Normaldruck erzeugten Diamanten sind nicht nur sehr rein, sie enthalten auch sogenannte Silizium-Fehlstellen in ihrem Atomgitter. Dabei sind einzelne Fremdatome mit benachbarter Leerstelle ins Gitter integriert. Solche Fehlstellen sind für die Färbungen mancher Diamanten verantwortlich, können ihm aber auch besondere elektrische und quantenphysikalische Eigenschaften verleihen.

„Die synthetische Diamanten mit Silizium-Fehlstellen könnten beispielsweise für Quantencomputer und Magnetsensoren eingesetzt werden“, erklärt Gongs Kollege Meihui Wang. Durch gezielten Zusatz weitere Elemente in das Metallbad ließen sich zudem auch andere Fehlstellen für spezielle Anwendungen erzeugen. „Es gibt noch viele spannende Details zu erforschen“, sagt Ruoff. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07339-7)

Quelle: Institute for Basic Science

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