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Phänomene

Warum wir manche Singstimmen mehr mögen

Beliebtheit einer Singstimme hängt weniger von objektiven Kriterien ab als gedacht

Sängerin an einem Mikrofon
Nicht akustische Merkmale, sondern die persönliche Wahrnehmung bestimmt unsere Vorlieben für Singstimmen. © MPI für empirische Ästhetik / F. Bernoully

Geschmackssache: Ob uns die Stimme einer Sängerin gefällt, hängt weniger von ihrer Stimme ab als von uns selbst, zeigt eine Studie. Demnach prägen objektive akustische Merkmale unsere musikalischen Vorlieben weit weniger als unsere persönlichen Erfahrungen und die Art, wie wir Musik wahrnehmen. Anhand akustischer Kriterien lässt sich somit nicht vorhersagen, ob die Stimme einer Sängerin bei ihren Zuhörern Anklang findet.

Viele berühmte Sängerinnen und Sänger haben nicht nur Hits hervorgebracht, sondern zeichnen sich auch durch eine besonders markante Stimme aus. Doch was beeinflusst eigentlich, welche Singstimme uns gefällt? Gibt es vergleichbare Kriterien wie den Goldenen Schnitt oder Symmetrieregeln, die die Ästhetik von Bildkompositionen beeinflussen, auch in der Musik? Aus früheren Studien ist bekannt, dass heilsame Klänge tatsächlich über charakteristische Eigenschaften verfügen. Ob das auch für Singstimmen gilt, war bislang jedoch unklar.

Wer singt am schönsten?

Das hat nun ein Forschungsteam um Camila Bruder vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main genauer untersucht. Dafür befragten die Forschenden 368 Testpersonen nach ihren persönlichen Vorlieben hinsichtlich der Stimme von Sängerinnen. Die Testpersonen bewerteten kurze Ausschnitte aus A-cappella-Darbietungen von 16 ausgebildeten Sängerinnen nach subjektivem Gefallen. Dabei handelte es ich um insgesamt 96 verschiedene Versionen zweier bekannter Lieder: ‚Don´t Worry Be Happy‘ und ‚Over the Rainbow‘. 326 Probanden aus den USA füllten dafür einen Online-Fragebogen aus, 42 Studienteilnehmer aus Deutschland befragte das Team persönlich.

Die angegebenen Stimmpräferenzen der Testpersonen verglichen Bruder und ihre Kollegen anschließend mit objektiven Klangmerkmalen der Singstimmen – beispielsweise deren Tempo oder Atemtechnik, wie genau die Sängerinnen die Tonhöhe trafen oder wie stark ihre Stimme zitterte. Zusätzlich verglichen die Forschenden die persönlichen Stimmvorlieben der Probanden mit deren Angaben zu ihrer Lebenssituation – beispielsweise nach kulturellem und sozialem Hintergrund, ihrer Musikerfahrung und ihrem Musikgeschmack oder ihrem Alter – sowie ihrem Charakter basierend auf einem Persönlichkeitstest.

Objektive Merkmale spielen kaum eine Rolle

„Intuitiv würde man erwarten, dass persönliche Vorlieben für Singstimmen auf bestimmten akustischen Kriterien beruhen. Wir kamen im Verlauf unserer Studie jedoch zu einem anderen Ergebnis“, berichtet Bruder. Die Auswertung der beiden Tests zeigte, dass es große individuelle Unterschiede in den Präferenzen der Teilnehmenden gab.

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Zwar gab es auch Gemeinsamkeiten bei den ästhetischen Bewertungen, diese konnten jedoch nur zu einem sehr geringen Teil auf die akustischen Merkmale der Stimmen zurückgeführt werden. Diese Stimmeigenschaften konnten nur zu drei Prozent die persönlichen Bewertungen erklären, wie das Team berichtet. Mit 43 Prozent weit mehr Einfluss auf die Stimmvorlieben hatten hingegen die subjektiv gefärbte Art und Weise, wie die Stimmen von den Zuhörern wahrgenommen und interpretiert wurden.

Individuelle Erfahrungen prägen musikalische Vorlieben

„Auch, wenn wir oft das Gefühl haben, dass unsere akustischen Vorlieben auf objektiven Kriterien beruhen, deuten unsere Studienergebnisse darauf hin, dass das Sprichwort ‚Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters‘ auch auf die Akustik übertragen werden könnte“, sagt Seniorautorin Pauline Larrouy-Maestri vom MPI für empirische Ästhetik. „Man könnte sagen: ‚Die Vorliebe liegt im Ohr des Zuhörers‘.“

Allein anhand akustischer Kriterien lässt sich somit nicht vorhersagen, ob die Stimme einer Sängerin bei ihren Zuhörern Anklang finden wird oder nicht. In Folgestudien wollen die Forschenden nun untersuchen, ob ihre Befunde auch für andere Gesangsstile oder Sprechstimmen gelten. (Scientific Reports, 2024; doi: 10.1038/s41598-024-58924-9)

Quelle: Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik (MPIEA)

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