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Archäologie

Rätsel um geköpfte Römer-Skelette

England: 40 Prozent der Toten in römischem Friedhof wurde postmortal enthauptet

Römerskelett
Schädel am Fußende: Auf einem entglischen Friedhof aus der Römerzeit waren ungewöhnlich viele Tote so begraben.© Archeological Solutions

Mysteriöser Brauch: In der englischen Grafschaft Suffolk haben Archäologen einen ungewöhnlichen römischen Friedhof entdeckt. Denn von den 52 gut erhaltenen Toten aus dem vierten Jahrhundert waren 17 postmortal enthauptet worden. Der Schädel lag meist zwischen oder neben den Beinen dieser Skelette. Warum diese Toten auf eine so ungewöhnliche Weise bestattet wurden, ist bisher unbekannt.

Normalerweise bestatteten die Römer ihre Toten so ähnlich wie wir: Säuberlich aufgebahrt in schönen Gewändern und meist in Rückenlage wurden die Verstorbenen in Erde oder einem Sarkophag gebettet. Doch es gibt auch Ausnahmen: 2018 entdeckten Archäologen in Italien das Grab eines römischen Kindes, das einen großen Stein im Mund trug – ein antikes Gegenmittel gegen Vampire und Untote.

Schädel zu Füßen der Toten

Jetzt haben Archäologen in der englischen Grafschaft Suffolk einen weiteren Fall ungewöhnlicher römischer Bestattungen entdeckt. Schon länger war bekannt, dass nahe dem Ort Great Whelnetham einst eine römische Siedlung lag. Ausgrabungen förderten dort Reste von Häusern, Bauernhöfen und einen Graben voller römischer Artefakte zutage. Unweit der einstigen Siedlung lag auch ein römischer Friedhof.

In diesem Friedhof stießen die Forscher der Organisation Archeological Solutions auf die gut erhaltenen Überreste von 52 Toten – Männern, Frauen und Kindern. Ungewöhnlich jedoch: Nur 17 dieser Skelette waren auf normale Weise in Rückenlage bestattet worden. Die restlichen lagen in gekrümmter Position im Grab, 17 weitere lagen zwar auf dem Rücken, waren aber enthauptet: Ihr Schädel lag neben oder zwischen ihren Beinen, wie die Archäologen berichten.

Nach dem Tode enthauptet

„Einen so hohen Anteil abweichender Bestattungen findet man bei römischen Friedhöfen nur selten“, erklärt Andrew Peachey von Archeological Solutions. „In diesem Fall kann man schon fast davon sprechen, dass hier das Ungewöhnliche Normalität war.“

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Aber warum? Nähere Untersuchungen enthüllten, dass die 17 kopflosen Toten offenbar nicht durch die Enthauptung getötet wurden. Stattdessen wurde ihr Schädel nach dem Tode sorgsam abpräpariert – die Wirbelsäule wurde von vorne nach hinten durch einen sauberen Schnitt durchtrennt. Merkwürdig auch: Vier der Schädel lagen neben kopflosen Skeletten, zu denen sie gar nicht gehörten.

Gehörten die Toten zu einem Kult?

Weshalb diese Toten postmortal geköpft wurden, ist bislang unbekannt. Wie die Archäologen berichten, verraten die Gräber nur wenig darüber, wer diese Toten waren. So gibt es keine Grabbeigaben und es wurden Vertreter aller Altersgruppen und beider Geschlechter auf diese ungewöhnliche Weise bestattet. „Alle waren gut genährt und hatten kräftige Oberarme und Körper, was auf Angehörige der bäuerlichen Bevölkerung hindeutet „, so Peachey.

Nach Ansicht der Archäologen könnten diese Toten einem römischen Kult angehört haben, der den Schädel als Sitz der Seele ansah. Die Trennung des Kopfes vom Körper war bei diesem Kult Teil der religiösen Bestattungsriten. Möglich wäre aber auch, dass diese Toten fremder Herkunft waren und daher nach ihrer heimischen Sitte bestattet worden waren. Um darüber mehr Aufschluss zu bekommen, wollen die Archäologen nun als nächstes Isotopen-Analysen der Knochen und Zähne bei diesen Toten durchführen.

Quelle: Archeological Solutions, BBC

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