Anzeige
Regionen

„Gerettet, was zu retten ist“

Der Aral wird zum Stausee

Aralsee 1989 und 2003 (rechts oben der Kleine Aral) © NASA

Der Aralsee wächst also wieder. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist. Das gilt nur für den Kleinen Aral, den nördlichen, auf kasachischem Territorium liegenden Teil des Aralsees, der mittlerweile in drei Einzelseen zerfallen ist. Durch die sinkende Wasseroberfläche und Landzungen, die aus früheren Inseln entstanden sind, wurde er quasi vom Großen Aral im Süden abgeschnürt. Die Fläche des südlichen Sees, der zum Grossteil in Usbekistan liegt, ist etwa vier mal so groß wie die des Kleinen Arals. Doch auch der Große Aral löst sich auf. Die frühere Insel Wozroshdenje hat den See in einen tiefen westlichen Teil und einen weitaus flacheren östlichen Teil gespalten.

Der Syrdarja, der östliche der beiden einzigen Zuflüsse, die den Aral speisen, mündet in den Kleinen Aralsee, nachdem er Kirgistan und Usbekistan durchquert hat. Der Amudarja im Westen dagegen entspringt in Tadschikistan und Afghanistan und quert auf seinem Weg nach Kasachstan auch Usbekistan und Turkmenistan, um schließlich in den See zu münden.

Letzte Hoffnung – ein Staudamm

Angesichts der bevorstehenden Katastrophe – Experten hatten das vollständige Verschwinden des Arals bis zum Jahr 2020 vorhergesagt – hatten die Bewohner am Nordufer des Arals bereits im Jahr 1999 zu Spaten und Bulldozern gegriffen, um den Syrdarja aufzustauen und so wenigstens den Kleinen Aral zu retten. Doch ein Sandsturm brachte den Staudamm zum Einsturz.

Kokaral-Damm zwischen Kleinem und Großem Aral © Edda Schlager

Im Jahr 2001 dann unterzeichneten Kasachstan und die Weltbank einen Kreditvertrag über 65 Millionen Dollar – für einen haltbaren Staudamm aus Beton an der gleichen Stelle zwischen dem Kleinen Aral im Norden und dem Großen Aral im Süden. 2005 wurde das letzte Stück des 13 Kilometer langen Kokaral-Staudamms geschlossen. Seitdem füllt das Wasser des Syrdaria den Kleinen Aralsee schneller als gedacht, dank eines Winters mit unerwartet viel Schmelzwasser. Um knapp drei Meter ist der Wasserspiegel bereits gestiegen. Die Uferlinie hat sich an manchen Stellen um 15 Kilometer verlagert.

Den Norden gerettet, im Süden verloren

Doch was schon als „Wiedergeburt des Aralsees“ gefeiert wird, ist eher die Kapitulation vor der ökologischen Katastrophe. Denn der See im Süden trocknet durch den Damm nur noch schneller aus. „Wir haben den kleinen, nördlichen Teil zwar gerettet. Der Große Aral aber ist wohl endgültig verloren,“ so Serikbai Smailow vom Komitee für Wasserressourcen beim kasachischen Landwirtschaftsministerium.

Anzeige

Der Gesamt-Zufluss für den usbekischen Teil des Aralsees wurde durch den Damm um ein Drittel gekappt. Bis auf ein paar Tausend Kubikmeter Wasser, die im Sommer kontrolliert über den Kokaral-Damm abgelassen werden, bezieht der Große Aral sein Wasser jetzt nur noch aus dem Amudarja. Der ist in seinem Delta jedoch nicht mehr als ein Rinnsal. Denn Turkmenistan und Usbekistan entnehmen dem Fluss jährlich etwa zehn Kubikkilometer Wasser für den bewässerungsintensiven Baumwoll- und Weizenanbau. Wasser, das der Aralsee dringend braucht.

Experten sind sich einig, dass der künstlich aufgestaute See in Kasachstan die einzige Möglichkeit ist, überhaupt einen Teil des Arals zu retten. „Weil der Große Aral so flach ist, verdunstet dort sehr viel Wasser,“ so Christopher Martius vom Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn. „Jetzt wird das Wasser wieder genutzt, auch wenn der Stausee sicher nie die ursprüngliche ökologische Qualität des Aralsees haben wird.“

Fehlendes Gesamtkonzept

Fischer am Kokaral-Damm © Edda Schlager

Auch Bakhtiyor Karimow vom Institut für Wasserprobleme in Usbekistan begrüßt die positiven Folgen des Staudamms. „Das Ökosystem am Kleinen Aralsee wird sich stabilisieren, die Fischerei wiederbelebt“, ist er überzeugt. Dennoch kritisiert er die internationalen Institutionen, die sich seit Jahren vergeblich um ein Gesamtkonzept zur Rettung des Aralsees bemühten, darunter die zwischenstaatliche Wasserkommission der fünf zentralasiatischen Länder im Einzugsgebiet des Aralsees und der 1993 gegründete Internationale Fond zur Rettung des Aralsees (IFAS). Zu dessen Geldgebern gehören die Weltbank, die Asian Development Bank oder das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP. „Doch all diese Organisationen arbeiten vereinzelt, stimmen ihre Tätigkeit nicht ab und finanzieren Projekte unabhängig von wissenschaftlichen Erkenntnissen,“ so Karimow.

Loup Brefort, Landesmanager der Weltbank in Kasachstan, weist die Kritik zurück: „Ein Gesamtkonzept steht und fällt mit der Nutzung des Wassers aus dem Amudarja. Leider ist es der internationalen Gemeinschaft bisher nicht gelungen, Usbekistan und Turkmenistan davon zu überzeugen, die Bewässerung zu reduzieren oder wassersparende Methoden zu nutzen,“ so Brefort. „Die Wiederbelebung des kompletten Aralsees ist unter diesen Umständen absolut unrealistisch. Wir haben das Bestmögliche getan und gerettet, was zu retten ist.“

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. weiter


Stand: 05.01.2007

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Aralsee
Neuigkeiten von einer ökologischen Katastrophe

„Das Meer kommt zurück“
Hoffnung in Aralsk

„Gerettet, was zu retten ist“
Der Aral wird zum Stausee

Kampf dem Salz
Land- und Wassernutzung in Usbekistan

„Zähne des Windes“
Die Heuschreckenplage von Karakalpakistan

Neuer Rekord!
Höchst- und Tiefstständen auf der Spur

Wer tut was ...
... und wie geht es weiter?

„Erdöl und Erdgas sind wichtiger“
Interview mit Serikbai Smailow

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Dünen - Wandelnde Sandberge mit Geheimnissen

Aerosole - Würzstoffe in der Klimaküche

Klimawandel - Bringt der Mensch das irdische Klima aus dem Gleichgewicht?

Staudämme - Billige Energie oder Vernichtung von Natur und Existenzen?

Baikalsee - Von Rifts, Omuls und Papierfabriken

Aralsee - Chronik einer anthropogen verursachten Katastrophe