Anzeige
Regionen

„Erdöl und Erdgas sind wichtiger“

Interview mit Serikbai Smailow

Serikbai Smailow ist Projektkoordinator zur Regulierung des Syrdaria und zur Rettung des nördlichen Aralsees beim Komitee für Wasserressourcen im kasachischen Landwirtschaftsministerium. Er hat den Bau des Staudamms zwischen dem Kleinen und dem Großen Aralsee geplant und koordiniert. g-o.de hat ihn zum Staudamm befragt und welche Perspektive er für den Aralsee sieht.

g-o.de:

Welche Probleme hat das Schrumpfen des Aralsees in Kasachstan mit sich gebracht?

Smailow:

Es gibt eine erhebliche Belastung der Gesundheit durch Staubstürme, bei denen der mit hohen Salzgehalten belastete Boden aus den trockengefallenen Gebieten ausgeblasen wird. Es gibt Auswirkungen auf das Atmungssystem der Menschen, Lungenkrankheiten, Tuberkulose. Wir haben eine sehr hohe Kindersterblichkeit. Außerdem war bisher die Fischwirtschaft praktisch nicht mehr existent und der Grundwasserspiegel im Aralseebecken ist stark gefallen

g-o.de:

Warum wurde das Projekt eines Staudammbaus am Aralsee initiiert?

Smailow:

Heute teilt sich der Aralsee in drei Teile: den nördlichen Kleinen Aral und den Großen Aral im Süden, und letzterer ist in einen westlichen und einen östlichen See zerfallen. Die Idee von der Säuberung des nördlichen Teils des Arals existiert seit einigen Jahren, weil eine Rettung des gesamten Sees nicht möglich ist, denn das Wasser im Aralseebecken reicht derzeit nicht aus. Wenn wir den Kleinen Aral nicht retten würden, würde sich das Absinken des Wasserspiegels im südlichen Teil nur um etwa 10 bis 15 Prozent jährlich verlangsamen. Wenn wir aber den nördlichen Teil retten, kann sich dort die Fischwirtschaft wieder entwickeln, die Belastung mit Salzstaub wird verringert.

Anzeige

g-o.de:

Nach dem Bau des Staudamms ist der Kleine Aralsee viel schneller gewachsen als erwartet. Warum?

Smailow:

Als das Projekt begann, in den Jahren 1999 und 2000, haben wir für die Prognosen den Durchfluss der vorherigen Jahre zugrunde gelegt. Als wir dann den Bau des Damms in Angriff genommen haben, folgten drei sehr wasserreiche Jahre. Auch der letzte Winter im Aralseebecken war sehr kalt und schneereich, im Frühjahr hat es viel geregnet. Der Durchfluss war deshalb sehr hoch. Kirgistan hat sehr viel Wasser verwendet in diesem Jahr, um viel Energie herzustellen, weil es so kalt war. Außerdem gab es dieses Jahr kaum Hochwasser. Das sind alles Gründe dafür, dass der Aral so schnell voll gelaufen ist. Und das hat einen unerwarteten Effekt auf unsere Arbeit gehabt. Wir hätten gedacht, dass wir den Wasserstand von 42 Metern erst im Jahr 2010, manche Experten sagten auch 2013, erreichen würden. Aber wir haben das jetzt schon erreicht.

g-o.de:

Was hat sich seit dem Bau des Staudamms geändert?

Smailow:

Der Seespiegel des Kleinen Arals ist um zwei Meter gestiegen, die Wasserfläche ist um 900 Quadratkilometer gewachsen, das Volumen hat sich um 11,5 Kubikkilometer vergrößert. Die Salzbelastung hat sich von 23 auf 17 Gramm pro Liter verringert. Die Fischausbeute hat sich auf 11.000 Tonnen erhöht. Das sind die ersten Ergebnisse, die man schon sehen kann. In den letzten Jahren wurden jährlich etwa 200 Tonnen Fisch gefangen, im letzten Jahr waren es mehr als 2.000 Tonnen

g-o.de:

Wieso ist es so ausschlaggebend, wieviel Wasser aus dem Syrdaria Kirgistan nutzt? Kirgistan liegt über eintausend Kilometer vom Aralsee entfernt?

Smailow:

Der Syrdaria hat mehrere Quellen und verläuft durch das Territorium von vier Ländern: Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan. Kirgistan spielt insoweit eine Rolle, als dass das Land mehrere Wasserkraftwerke mit Rückhaltebecken betreibt. Das Wasser wird dort zur Energiegewinnung genutzt, insbesondere im Winter. Usbekistan und Kasachstan dagegen brauchen das Wasser im Sommer zur Bewässerung. Deshalb haben wir Probleme bei der Verteilung der Wasserressourcen. Im Winter werden in Kirgistan große Mengen Wasser freigesetzt, die bis nach Kasachstan gelangen. Für Kasachstan ist das schwierig, weil der Flusslauf im Winter zufriert, das Wasser gelangt also nicht bis in den Aral. In Usbekistan ist das Problem nicht so groß. Dort friert der Fluss nicht zu. Das Wasser, was aus den Bergen kommt, fließt durch das Land hindurch.

g-o.de:

Welche Maßnahmen haben Sie außer dem Staudammbau vorgenommen?

Smailow:

Wir haben zahlreiche Dämme entlang des Flusslaufs des Syrdaria gebaut und weitere geplant. Dazu gehört ein Staudamm, um die Stadt Kyzylorda vor den Frühjahrshochwässern zu schützen. Außerdem haben wir ältere Dämme und den Flusslauf repariert. All das dient dazu, den Aralsee mit mehr Wasser zu versorgen und den Zufluss aus dem Syrdaria zu erhöhen.

g-o.de:

Was ist Ihrer Meinung nach wichtig für das Wassermanagement am Aralsee?

Smailow:

Derzeit suchen die Regierungen von Kirgistan, Usbekistan und Kasachstan eine Form, in der sie zusammenarbeiten können. Für die vernünftige Nutzung der Wasserressourcen sollte ein Konsortium geschaffen werden, das sich mit Fragen rund um die Wasser- und Energieressourcen beschäftigt. Darin könnten sowohl die Interessen Kirgistans zur Nutzung der Hydroenergie berücksichtigt werden, als auch die Interessen Kasachstans, das das Wasser zur Bewässerung braucht. Leider gibt es so etwas noch nicht. Bisher entscheiden wir in jedem Jahr neu, wir legen fest, welche Mengen Wasser wir freigeben. Wir suchen nach möglichen Zugeständnissen gegenüber Kirgistan, die Kirgisen machen das gleiche uns gegenüber. Wir brauchen eine internationale Konvention zur Nutzung des Syrdaria und des Amudarja, um die zahlreichen Interessen in dieser Region aufeinander abzustimmen.

g-o.de:

Wie sieht Ihre Prognose für den südlichen Aralsee aus?

Smailow:

Der südliche Teil erhält heute nur noch Wasser aus dem Amudarja – und das Wasser, was wir zwei Monate lang aus dem Kleinen Aral ablassen. Andere Quellen gibt es nicht. Aus Satellitenbildern wissen wir, dass sich der Große Aralsee mittlerweile in zwei Seen geteilt hat. Der östliche Teil ist zwar größer als der westliche, aber viel flacher, deshalb ist dort die Verdunstung größer. Ich bin sicher, dass dieser Teil austrocknen wird. Der westliche Teil ist tiefer und könnte meiner Meinung nach noch gerettet werden. Doch diese Region in Usbekistan ist sehr erdöl- und erdgasreich. Deshalb interessiert der Aralsee vermutlich nicht besonders, weil man denkt, dass Bodenschätze für das Land wichtiger sind.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. weiter


Stand: 05.01.2007

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Aralsee
Neuigkeiten von einer ökologischen Katastrophe

„Das Meer kommt zurück“
Hoffnung in Aralsk

„Gerettet, was zu retten ist“
Der Aral wird zum Stausee

Kampf dem Salz
Land- und Wassernutzung in Usbekistan

„Zähne des Windes“
Die Heuschreckenplage von Karakalpakistan

Neuer Rekord!
Höchst- und Tiefstständen auf der Spur

Wer tut was ...
... und wie geht es weiter?

„Erdöl und Erdgas sind wichtiger“
Interview mit Serikbai Smailow

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Dünen - Wandelnde Sandberge mit Geheimnissen

Aerosole - Würzstoffe in der Klimaküche

Klimawandel - Bringt der Mensch das irdische Klima aus dem Gleichgewicht?

Staudämme - Billige Energie oder Vernichtung von Natur und Existenzen?

Baikalsee - Von Rifts, Omuls und Papierfabriken

Aralsee - Chronik einer anthropogen verursachten Katastrophe