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Biologie

Singvogel schüttelt seine Beute tot

Highspeed-Videos lösen Rätsel um ungewöhnlich große Beute der Würger-Vögel

Der Louisianawürger (Lanius ludovicianus) sieht auf den ersten Blck harmlos aus, dieser Singvogel tötet aber sogar Nagetiere, die schwerer sind als er selbst. © DickDaniels (http://carolinabirds.org/)/ CC-by-sa 3.0

Totgeschüttelt: Die zu den Singvögeln gehörenden Würger sind rabiat, wenn es ums Beutemachen geht. Denn sie fangen und fressen selbst Wirbeltiere, die schwerer sind als sie selbst. Wie sie diese Beute töten, haben Forscher nun mittels Highspeed-Kameras enthüllt. Ihre Aufnahmen zeigen, dass die Würger ihre Beute am Hals packen und dann buchstäblich zu Tode schütteln. Die dabei erzielte Beschleunigung reicht aus, um Mäusen und Ratten den Hals zu brechen.

Auf den ersten Blick sehen die Würger (Laniidae) ganz harmlos aus: Diese Singvögel sind nur wenig größer als Spatzen und tragen ein kontrastreich mit schwarzen Partien abgesetztes Gefieder. Doch ihr Speiseplan hat es in sich. Denn diese Vögel fressen neben Insekten auch kleinere Wirbeltiere, darunter auch Nagetiere und Echsen, die fast doppelt so schwer sind wie sie selbst. Reste dieser Mahlzeiten spießen sie wenig appetitlich auf spitze Dornen auf oder klemmen sie an Astgabeln – als Vorrat.

Wie überwältigen sie ihre Beute?

Wie aber gelingt es den Würgern, ihre große Beute zu überwältigen und zu töten? Im Gegensatz zu Greifvögeln haben sie weder Klauen, noch können sie Mäuse oder Echsen durch ihr Gewicht überwältigen. Dafür besitzen die Würger einen stark gekrümmten, scharfen Oberschnabel und starke Kiefermuskeln. Beobachtungen zeigen, dass die Vögel ihre Beute mit dem Schnabel gezielt am Nacken packen.

„Wie die Würger ihre greifvogelartigen Schnäbel einsetzen, um schwerere Beute als sie selbst zu töten, war bisher unklar“, erklären Diego Sustaita von der University of Connecticut und seine Kollegen. Frühere Studien hatten zwar darauf hingedeutet, dass die Vögel Nagetiere oder Echsen mit einer eine Art Todesbiss festhalten. Auch ein Schütteln der Beute wurde vereinzelt schon beschrieben.

Erst Biss, dann Schütteln

Was aber genau beim Beutefang der Würger passiert, haben die Forscher nun mithilfe von Highspeed-Kameras beobachtet. Sie filmten 37 Louisianawürger (Lanius ludovicianus) im Zoo von San Diego dabei, wie sie lebende Mäuse und Echsen fingen, töteten und verzehrten. Anhand der Filmaufnahmen analysierten die Biologen, welche Kräfte auf Wirbelsäule und Nacken der Beutetiere wirkten und wodurch diese starben.

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Das Ergebnis: Die Würger packen ihre Beute gezielt am Nacken und drehen dann ihren Kopf in Längsrichtung schnell hin und her. „Ähnlich wie ein Hund, der sein Spielzeug schüttelt“, beschreibt Sustaita. Bei diesen schnellen Bewegungen dreht sich der Vogelkopf im Schnitt elfmal pro Sekunde in einem Winkel von knapp 70 Grad, wie die Highspeed-Aufnahmen enthüllten.

Beschleunigung von 6 g

Für die gepackte Maus hat dieses Schütteln fatale Folgen: Weil ihr Körper aufgrund der Trägheit diesen schnellen Bewegungen nur verzögert folgt, wirken enorme Kräfte auf ihren Nacken und ihre Halswirbelsäule. „Am Nacken der Beute wirken dadurch Kräfte von rund sechsfacher Erdbeschleunigung (6g)“, berichten Sustaita und seine Kollegen. „Das reicht aus, um pathologische Schäden an den Halswirbeln und dem Rückenmark zu verursachen.“

Wie die Forscher ausrechneten, reichen die Beschleunigungskräfte aus, um die Bänder entlang der Wirbelsäule von Nagetieren zu überdehnen und reißen zu lassen. „Die Kräfte beim Kopfschütteln des Würgers ist rund 20 Mal stärker als für das Reißen der Wirbelbänder bei der Maus nötig“, so die Wissenschaftler. Selbst eine Ratte würde bei diesen Beschleunigungen schwere Wirbelsäulenschäden davontragen. „Kombiniert mit der Schnabelform und dem starken Biss könnte dieses Verhalten erklären, wie die Würger selbst große Wirbeltiere als Beute überwältigen können“, sagen Sustaita und seine Kollegen.

Der eher schmächtige Würger nutzt damit ganz ähnliche Tötungsstrategien wie sein riesenhafter Urzeit-Vetter, der Tyrannosaurus. Denn auch dieser schüttelte vermutlich seine Beute tot, wie biomechanische Studien nahelegen. (Royal Society Biology Letters, 2ß18; doi: 10.1098/rsbl.2018.0321)

(Royal Socierty, 05.09.2018 – NPO)

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