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Chemie

Calcium und Co verblüffen Chemiker

Erdalkalimetalle verletzen die Oktettregel der Hauptgruppen-Elemente

Calcium, Strontium und Barium können Verbindungen bilden, die die klassische Oktettregel verletzen. © jcrosemann/ iStock.com

„Unmögliche“ Verbindungen: Die Erdalkalimetalle Calcium, Barium und Strontium verletzen eine Grundregel der klassischen Chemie. Denn diese Hauptgruppenelemente können offenbar Bindungen eingehen, an denen 18 statt nur acht Elektronen beteiligt sind, wie Chemiker im Fachmagazin „Science“ berichten. Damit widersprechen diese Erdalkalimetalle der Oktettregel für die Hauptgruppen des Periodensystems und verhalten sich stattdessen wie Übergangsmetalle.

Das Periodensystem der Elemente ist bis heute grundlegend für die Chemie. Denn die Position eines Atoms in dieser Tabelle spiegelt seine fundamentalen Eigenschaften wider – die Zahl seiner Kernbausteine und Elektronen, aber auch sein Bindungsverhalten, seine Stabilität und die Ähnlichkeit zu anderen Elementen. Nur in wenigen, eher exotischen Fällen passen die Eigenschaften eines Elements nicht zu seiner Einordnung ins Periodensystem, wie beispielsweise beim kurzlebigen Actinoid Lawrencium der Fall.

Umso erstaunlicher ist die Entdeckung, die Xuan Wu von der Fudan Universität in Schanghai und seine Kollegen gemacht haben. Denn sie haben bei den scheinbar so „normalen“ und altbekannten Erdalkalimetallen Calcium, Barium und Strontium ein ungewöhnliches Verhalten entdeckt.

Stabil mit acht Elektronen

Nach gängiger Einordnung gehören diese Erdalkalimetalle zu einer der Hauptgruppen des Periodensystems. Diese bilden besonders stabile Moleküle, wenn sie acht Elektronen in ihrer äußersten Schale haben – das besagt die sogenannte Oktettregel. Weil Calcium und Co zwei Elektronen in ihrem äußeren s-Orbital tragen, erreichen sie den stabilen Oktettzustand meist durch Abgabe dieser Elektronen, beispielsweise indem sie Halogensalze oder Oxide bilden.

Bei den Übergangsmetallen hingegen sind weitere Elektronenorbitale an den Bindungen beteiligt, so dass sie 18 Elektronen für stabile Moleküle benötigen. „Obwohl diese Regeln bereits vor fast einem Jahrhundert vorgeschlagen wurden, haben sie trotz kleiner Abweichungen bis heute ihre Gültigkeit behalten“, erklärt Seniorautor Gernot Frenking von der Universität Marburg. „Sie konnten quantentheoretisch erklärt werden und finden sich in allen Textbüchern der Chemie.“

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Elektronenkonfiguration des Bariums © Greg Robson/ CC-by-sa 2.0 uk

Barium: Nur ein Sonderling?

Doch wie sich jetzt zeigt, verletzen Calcium, Strontium und Barium die altbewährte Oktettregel. „Frühere Studien hatten bereits nahegelegt, dass Barium sein 5d-Elektronenorbital in gewissem Maße an chemischen Bindungen beteiligt“, erklären Frenking und seine Kollegen. „Man hat deshalb schon überlegt, Barium sozusagen zum ‚Übergangsmetall ehrenhalber‘ zu ernennen.“ Klare Belege für Verbindungen nach der 18-Elektronenregel fehlten aber bisher.

Jetzt haben die Forscher diese Beweise erbracht. In ihrem Experiment setzten sie verdampftes Barium in einer Neonatmosphäre verschiedenen Konzentrationen von Kohlenmonoxid aus. Wie sie mittels Spektroskopie feststellten, bildeten sich dabei Barium-Carbonylkomplexe „Ba(CO). An diesen Verbindungen sind jedoch 18 statt acht Elektronen Bariums beteiligt . Das Barium verhält sich demnach tatsächlich wie ein Übergangsmetall.

Auch Calcium und Strontium verletzen die Oktettregel

Doch das war noch nicht alles: „Zu unserer Überraschung fanden wir heraus, dass nicht nur Barium, sondern auch die leichteren Erdalkalimetalle Strontium und Calcium solche Octocarbonylkomplexe bilden“, berichten die Forscher. Auch diese Hauptgrupppenelemente können demnach unter bestimmten Bedingungen die klassische Oktettregel verletzen und sich wie Übergangsmetalle verhalten.

„Wir haben damit Moleküle vorhergesagt und auch hergestellt, die gängige Vorstellungen über chemische Bindungen sprengen“, erklärt Frenking. Diese Grenzüberschreitung eröffne völlig neue Perspektiven für die chemische Erforschung dieser drei Elemente. „Offenbar ist die chemische Reaktivität der Erdalkalimetalle vielfältiger als bisher angenommen“, so der Chemiker. (Science, 2018, doi: 10.1126/science.aau0839)

(Philipps-Universität Marburg, 04.09.2018 – NPO)

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