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Verhaltensforschung

Video: Haben Affen Humor?

Neckendes Verhalten bei allen Menschenaffen-Gattungen beobachtet

Alle vier Gattungen von Menschenaffen zeigen neckendes Verhalten. © Isabelle Laumer

Affige Quatschmacher: Auch Menschenaffen ärgern und necken ihr Umfeld, wie Forschende nun erstmals systematisch beobachtet haben. Demnach neigen sowohl die Jungtiere von Bonobos und Schimpansen als auch die von Gorillas und Orang-Utans dazu, ihre Artgenossen spielerisch zu piksen oder ihnen an den Haaren zu ziehen. Die Forschenden werten dieses Verhalten als Vorstufe zum Humor und gehen davon aus, dass die Veranlagung dazu auf einen gemeinsamen Vorfahren vor 13 Millionen Jahren zurückgeht.

Unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, sind uns in vielerlei Hinsicht ähnlich. Ebenso wie wir leben sie in sozialen Gruppen, helfen sich untereinander und zeigen sich erkenntlich, wenn ein Artgenosse ihnen einen Gefallen getan hat. Außerdem können Schimpansen und Co. sich in andere hineinversetzen und verhalten sich untereinander häufig spielerisch. Einige Forschende nehmen daher an, dass Menschenaffen auch zu Humor fähig sind. Doch bislang gibt es zu dem Thema kaum Studien.

Gorillas Spaß
Auch Gorillas ärgern sich untereinander. © Max Block

Necken und geneckt werden

Als einer von wenigen Hinweisen auf Humor unter Affen dienen aktuell vereinzelte Beobachtungen in Zoos, bei denen Jungtiere ihre Familien offenbar absichtlich ärgerten und neckten. Forschende um Isabelle Laumer von der University of California in Los Angeles haben dieses Verhalten nun erstmals systematisch untersucht und insgesamt 75 Stunden Videomaterial von Bonobos, Orang-Utans und Gorillas aus dem Zoo von San Diego sowie von Schimpansen aus dem Zoo Leipzig ausgewertet.

Der besondere Fokus der Forschenden lag dabei auf den Jungtieren der jeweiligen Affengruppen. Um das Verhalten der verschiedenen Menschenaffen speziesübergreifend beschreiben zu können, notierten Laumer und ihre Kollegen genau, wie die neckenden Handlungen abliefen und wie beide Parteien – neckender und geneckter Affe – jeweils darauf reagierten.

Orang-Utan mit Jungtier
Dieses Orang-Utan-Baby zieht seiner Mutter an den Haaren. © BOS Foundation BPI

Von Stupsen bis Anstarren

Das Ergebnis: Insgesamt konnte das Team 142 verschiedene Hänseleien aufzeichnen, die bei allen vier Menschenaffen-Gattungen aufgetreten und überwiegend von den Jungtieren ausgegangen waren. Nur zwei Hänseleien hatten ausschließlich zwischen Erwachsenen stattgefunden, in beiden Fällen zwischen männlichen Schimpansen. Je nach Art des Neckens ließen sich die Interaktionen in 18 verschiedene Kategorien einteilen, doch alle hatten offenbar gleichermaßen zum Ziel, die Aufmerksamkeit des geneckten Tieres zu erregen beziehungsweise eine Reaktion von ihm zu provozieren, wie die Forschenden berichten.

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„Es war üblich, dass der neckende Menschenaffe wiederholt mit einem Körperteil oder Gegenstand in der Mitte des Sichtfelds des Geneckten wedelte, ihn stieß oder anstupste, ihm genau ins Gesicht starrte, seine Bewegungen unterbrach oder an seinen Haaren zog oder andere Verhaltensweisen zeigte, die für den Geneckten äußerst schwer zu ignorieren waren“, erklärt Seniorautorin Erica Cartmill, ebenfalls von der University of California.

Dabei ließen sich die neckenden Verhaltensweisen auch eindeutig von typischem Spielverhalten abgrenzen. Den Forschenden zufolge war das Necken anders als das Spielen häufig einseitiger Natur und ging nicht mit der für Primaten typischen Mimik einher, mit der sie normalerweise Artgenossen zum Spiel auffordern.

Wie der Affe so der Mensch

Die neckenden Verhaltensweisen der Menschenaffen hatten dabei große Ähnlichkeit zu menschlichem Necken, wie die Forschenden feststellten. Wir Menschen beginnen bereits im Alter von acht Monaten mit dem gezielten Ärgern unserer Eltern und anderer Bezugspersonen – noch bevor wir überhaupt sprechen können. Auch die Affenkinder neckten ihre Artgenossen ausschließlich nonverbal – und zwar auf ähnliche Weise wie menschliche Kinder.

Wir ärgern unsere Eltern zum Beispiel, indem wir ihnen einen Gegenstand hinhalten und dann wieder wegziehen, bevor sie danach greifen können. Oder wir verstoßen bewusst gegen Regeln, etwa indem wir die Hand dicht über die heiße Herdplatte halten, obwohl wir wissen, dass wir das eigentlich nicht dürfen. Auch ärgern wir unsere Eltern, indem wir sie bei bestimmten Aktivitäten hindern, ihnen zum Beispiel gezielt den Weg versperren oder ihnen den Stift wegnehmen, mit dem sie gerade die Einkaufsliste schreiben wollten.

All das unterscheidet sich nicht erheblich von dem, was die Affenkinder im Zoo mit ihren Familien angestellt haben. „Ähnlich wie das Necken bei Kleinkindern beinhaltet das spielerische Necken von Menschenaffen einseitige Provokation, ein Tier neckt gezielt ein anderes“, erklärt Laumer. Wie menschliche Kinder warteten auch die jungen Affen darauf, dass ihr genecktes Gegenüber auf die Hänselei reagierte. Geschah dies nicht, wiederholten sie den Trick oder versuchten es mit einer anderen Strategie.

Necken ist 13 Millionen Jahre alt

Die Forschung geht davon aus, dass Affen und Menschen neckende Verhaltensweisen nutzen, um die Aufmerksamkeit von Bezugspersonen zu erregen und die eigenen Grenzen auszutesten. Gleichzeitig gelten Necken und Ärgern als nonverbale Vorstufen von Humor. Das gemeinsame Lachen, das häufig daraus resultiert, stärkt wiederum die Bindung zwischen Neckendem und Genecktem, was in sozialen Gruppen einen großen evolutionären Vorteil darstellt.

Dass neckendes Verhalten bei allen Menschenaffen gleichermaßen auftritt, könnte außerdem mehr über den evolutionären Ursprung des Primaten-Humors verraten. So gehen die Forschenden davon aus, dass sich die Voraussetzungen dafür vor mindestens 13 Millionen Jahren bei dem letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Menschenaffe entwickelt haben könnten.

„Wir hoffen, dass unsere Studie andere Forscher dazu inspirieren wird, spielerisches Necken bei anderen Arten zu untersuchen. Das wäre wichtig, um die Entwicklung dieses vielschichtigen Verhaltens besser zu verstehen“, so Laumer. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2024; doi: 10.1098/rspb.2023.2345

Quelle: Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie

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