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Mikrobiologie

Was lebt auf einem Sandkorn?

Verblüffende Anzahl und Vielfalt von Bakterien auf Sedimentkörnern nachgewiesen

Jedes Korn eine kleine Welt: Auf den Sandkörnern des Meeres leben weit mehr Bakterien als bisher gedacht. © Jan Homann/ gemeinfrei

Wimmelndes Leben: Auf jedem Sandkorn des Meeres leben hunderttausende von Bakterien – und damit zehn bis hundertfach so viel wie bisher angenommen. Das enthüllt die Analyse von Körnern aus der südlichen Nordsee. Die Mikroben besiedeln dabei vor allem die Senken und geschützteren Stellen der Körner und haben dort eine erstaunliche Artenvielfalt ausgebildet: Mehr als tausend verschiedene Bakterienarten fanden die Forscher auf nur einem Korn.

Ob am Strand, am Meeresgrund oder in den Sandwüsten und Dünen unseres Planeten: Sand ist ein ganz spezieller Stoff. Im Laufe von Jahrtausenden haben Wind und Wasser ganze Gesteinsformationen abgetragen und erodiert und so die winzigen, weniger als zwei Millimeter kleinen Körnchen erschaffen.

Dass Sand ein dicht besiedelter und aktiver Lebensraum ist, ist schon länger bekannt. Doch wie viele Mikroben auf einem einzelnen Sandkorn leben, enthüllt erst jetzt eine Studie von David Probandt und seinen Kollegen vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Sie haben Sandkörner vom Meeresboden vor Helgoland geborgen und einzeln mittels DNA-Analyse auf ihre Besiedlung mit Bakterien analysiert.

So viele Bewohner wie eine mittelgroße Stadt

Das Ergebnis: Auf nur einem einzelnen Sandkorn leben zwischen 10.000 und 100.000 Mikroorganismen. Das bedeutet, dass ein einzelnes Sandkorn so viele Bewohner haben kann wie eine mittelgroße Stadt. Im Durchschnitt findet sich auf gut elf Quadratmikrometer jeweils eine Zelle. „Das ist ein bis zwei Größenordnungen höher als bisherige Werte“, berichten die Forscher.

Die Bakterien besiedeln die Sandkörner dabei aber nicht gleichmäßig. Während exponierte Flächen nahezu unbesiedelt sind, tummeln sich die Bakterien in Rissen und Kuhlen. „Dort sind sie gut geschützt“, erklärt Probandt. „Wenn die Sandkörner vom Wasser herumgewirbelt werden und aneinander reiben, finden die Bakterien in solchen Einbuchtungen ein sicheres Plätzchen.“ Auch vor Tieren, die die Oberfläche der Sandkörner abweiden, sind sie geschützt.

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Sandkorn-Besiedlung unter dem Fluoreszenzmikroskop: Die grünen Pünktchen sind eingefärbte Bakterien, die sich vor allem in Vertiefungen auf dem Sandkorn angesiedelt haben. © Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Erstaunliche Vielfalt

Doch nicht nur die Anzahl, auch die Vielfalt der Bakterien beeindruckt. „Auf jedem einzelnen Sandkorn fanden wir tausende verschiede Arten von Bakterien“, so Probandt. Manche Arten und Gruppen von Bakterien fanden sich auf allen untersuchten Sandkörnern, andere traten nur vereinzelt auf. Insgesamt sind Vertreter aus nahezu allen Bakteriengruppen und funktionellen Varianten zu finden.

„Mehr als die Hälfte der Bewohner gleicht sich auf allen Körnern. Wir vermuten, dass diese bakteriellen ‚Stammspieler’ auf jedem Sandkorn eine ähnliche Funktion ausüben“, erklärt Probandt. Doch erst aus dem Zusammenspiel mit den individuellen Bewohnern ergibt sich die Vielfalt der Mikroben im gesamten Sediment. „Mit nur 17 Körnern hatten wir bereits 71 Prozent der gesamten Vielfalt im Sediment abgedeckt“, berichten die Forscher.

Sandkorn als Bakterien-„Vorratskammer“

Die sandliebenden Bakterien spielen eine bedeutende Rolle für das Ökosystem Meer und die weltweiten Stoffkreisläufe. Da diese Bakterien beispielsweise Kohlenstoff und auch Stickstoff aus dem Meerwasser und aus einströmenden Flüssen verarbeiten, wirkt Sand wie ein riesiger, reinigender Filter. Vieles von dem, was das Meerwasser in den Boden spült, kommt nicht wieder heraus.

„Jedes Sandkorn funktioniert wie eine kleine Bakterien-Vorratskammer“, erklärt Probandt. Es liefert den nötigen Nachschub, um die großen Stoffkreisläufe von Kohlenstoff, Stickstoff und auch Schwefel am Laufen zu halten. „Wie auch immer die Bedingungen sind, denen die Bakteriengemeinschaft auf einem Sandkorn gerade ausgesetzt ist – durch die große Vielfalt ihrer ‚Stammspieler’ findet sich immer jemand, der die Substanzen aus dem Umgebungswasser verarbeitet.“ (The ISME Journal, 2017; doi: 10.1038/ismej.2017.197)

(Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, 05.12.2017 – NPO)

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