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Genetik

Warum Labradore so verfressen sind

Genetische Mutation macht jeden vierten Labrador anfällig für Fettleibigkeit

Verfressener Labrador
Und noch ein Leckerchen: Bei einem Viertel aller Labradore hält das Sättigungsgefühl aufgrund einer genetischen Mutation nicht lange an. © University of Cambridge

Hunde mit Heißhunger: Rund ein Viertel aller Labradore und zwei Drittel aller Flat Coated Retriever besitzen eine Genmutation, die sie besonders anfällig für Fettleibigkeit macht. Jetzt ist auch klar, warum. Denn wie Forschende herausgefunden haben, sorgt diese Mutation dafür, dass die Hunde mehr Hunger verspüren als gesunde Artgenossen und außerdem im Ruhezustand weniger Kalorien verbrennen. In Kombination führen diese Eigenschaften schnell zu Übergewicht, weshalb Besitzer einiges beachten müssen, um ihre Hunde trotzdem schlank zu halten.

Die über 200 offiziell anerkannten Hunderassen unterscheiden sich nicht nur optisch voneinander, sondern auch hinsichtlich ihrer Genetik. Diese prägt neben einigen typischen Verhaltensweisen auch die Anfälligkeit für verschiedene Krankheiten. Während Jack Russell Terrier zum Beispiel stärker zu Augenkrankheiten wie Grauem Star neigen, besteht beim Beagle ein höheres Risiko für Epilepsie.

Verfressenheit geht auf Genmutation zurück

Wieder andere Hunderassen – darunter Labrador und Flat Coated Retriever – tendieren zu starker Fettleibigkeit, die ihrerseits zahlreiche gesundheitliche Probleme wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus bedingen kann. Im Volksmund gelten solche Hunde schlichtweg als verfressen und dauerhungrig, doch tatsächlich steckt auch in diesem Fall eine genetische Mutation dahinter.

Flat Coated Retriever
Auch zwei Drittel aller Flat Coated Retriever sind von der Mutation betroffen. © University of Cambridge

Wie Forschende bereits 2016 herausgefunden haben, weisen ein Viertel aller Labradore und zwei Drittel aller Flat Coated Retriever eine Mutation an ihrem sogenannten POMC-Gen auf. Dieses spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung von Hunger und Energieverbrauch. Doch wie genau Mutation und Verfressenheit bei Labrador und Co zusammenhängen, war bislang unklar.

Die Sättigung hält nicht lange an

Forschende um Marie Dittmann von der University of Cambridge haben dieses Rätsel nun mit der Hilfe von 87 pelzigen Assistenten gelöst. Besonders aufschlussreich war dabei ein Experiment, bei dem sie die Versuchshunde so viel Dosenfutter fressen ließen, wie ihr Herz begehrte. Interessanterweise hörten die Hunde mit Mutation fast nach derselben Menge freiwillig auf wie ihre Artgenossen ohne Mutation. Die POMC-Mutation kann also nicht grundsätzlich die Sättigung der betroffenen Labradore und Flat Coated Retriever hemmen, schlussfolgern Dittmann und ihr Team.

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Was genau die Mutation stattdessen bewirkt, zeigte ein weiteres Experiment, bei dem die Hunde drei Stunden nach dem Frühstück eine Wurst in einer durchsichtigen Plastikbox präsentiert bekamen. Diejenigen mit POMC-Mutation versuchten deutlich stärker und leidenschaftlicher, an den Leckerbissen zu gelangen, als die Hunde ohne Mutation.

Daraus schließt das Team: „Betroffene Hunde neigen dazu, sich zu überfressen, weil sie zwischen den Mahlzeiten schneller hungrig werden als Hunde ohne diese Mutation“, erklärt Seniorautorin Eleanor Raffan, ebenfalls von der University of Cambridge. Hunde mit POMC-Mutation werden somit zwar von ähnlichen Mengen Futter satt wie ihre Artgenossen ohne Mutation, doch bekommen danach viel schneller erneut Hunger.

Schlankhalten ist schwierig, aber machbar

Das alleine wäre schon ein entscheidender Risikofaktor für Fettleibigkeit, doch Labradore und Flat Coated Retriever trifft die Mutation gleich doppelt. Denn sie haben nicht nur schneller wieder Hunger als gesunde Artgenossen, sondern verbrennen im Ruhezustand außerdem rund 25 Prozent weniger Energie als sie, wie Dittmann und ihre Kollegen durch eine Analyse der Atemluft schlafender Versuchshunde herausgefunden haben.

Um schlank zu bleiben, müssen Hunde mit POMC-Mutation daher deutlich weniger Kalorien zu sich nehmen als Hunde ohne Mutation, was durch ihr ausgeprägtes Hungergefühl jedoch erschwert wird. Der Dauerhunger lässt sich allerdings austricksen, wie die Forschenden betonen. Zum Beispiel indem Halter die täglichen Mahlzeiten in viele kleine Portionen aufteilen oder künstlich in die Länge ziehen. Zu diesem Zweck kann das Futter etwa in einen Puzzle-Futterautomaten gefüllt werden, bei dem die Hunde zunächst verschiedene Aufgaben lösen müssen, oder man verstreut es im Garten, um die Vierbeiner mit der Suche auf Trab zu halten.

Neuer Anstoß für Medikamentensuche

Die Erkenntnisse von Dittmann und ihren Kollegen helfen jedoch nicht nur übergewichtigen Hunden, sondern könnten sich bis zu einem gewissen Punkt auch auf den Menschen übertragen lassen. Denn ebenso wie die treuen Vierbeiner können auch wir an einer POMC-Mutation leiden, die unser Hungergefühl verstärkt und uns dadurch oft schon im Kindesalter übergewichtig macht. Versteht man jedoch, was genau diese Mutation biochemisch bewirkt, ließen sich womöglich Medikamente gegen ihre fatalen Auswirkungen entwickeln.

Wie Dittmann und ihr Team herausgefunden haben, verhindert die Mutation im POMC-Gen die Produktion zweier chemischer Botenstoffe im Hundegehirn: des Beta-Melanozyten-stimulierenden Hormons und des Beta-Endorphins. Sie beeinträchtigt aber anders als bislang angenommen nicht die Produktion des sogenannten Alpha-Melanozyten-stimulierenden Hormons. Dieser Umstand könnte die Medikamentenforschung nun in eine neue Richtung lenken. (Science Advances, 2024; doi: 10.1126/sciadv.adj3823

Quelle: University of Cambridge

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