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Wie gefährlich ist Uran-Munition?

Die Suche nach den Gründen für Krebs und Golfkrieg-Syndrom

Schuld an der Epidemie von Krebsfällen und Missbildungen im Irak ist nach Meinung vieler Wissenschaftler vor allem die von den Alliierten 1991 reichlich verwendete Uranmunition. Mehr als 400 Tonnen solcher Geschosse mit sogenanntem angereicherten Uran sind damals über dem irakischen Territorium verschossen worden. Beim Aufprall dieser besonders duchschlagskräftigen Waffen werden große Mengen an hochfeinem radioaktivem Staub frei, der über die Atemorgane oder Wunden in den Körper der Menschen gelangt.

Ein wahrer Bombenregen ging damals vor allem in der hart umkämpften Region von Basra nieder. Nach Angaben des früheren US-Militärexperten Doug Rokke wurden zeitweilig Minute für Minute bis zu 3.900 Geschosse mit der gefährlichen Fracht abgefeuert. Innerhalb von 60 Sekunden gelangten so bis zu 20 Kilogramm strahlendes Material in die Umwelt.

Nicht nur die direkte Umgebung der getroffenen Objekte wurde mit diesem Staub kontaminiert, auch die Truppenbewegungen der Alliierten oder der Iraker verteilten die brisanten Staubpartikel über ein größeres Gebiet. Viele Regionen vor allem im Süden des Irak gelten deshalb heute noch als radioaktiv verstrahlt.

Auch zahlreiche ausgebombte Panzer oder Bunker, von denen eine Gefahr für Mensch und Tier ausgeht, lagern heute noch im Wüstensand. Niemand hat sich nach dem Golfkrieg die Mühe gemacht, die mit Uran-Munition zerstörten Skelette der Kriegsmaschinerie wegzuräumen. Auch zehn Jahre nach Kriegsende lassen sie beim Näherkommen noch die Geigerzähler knattern, weil sie große Mengen an radioaktiver Strahlung abgeben.

Golfkrieg-Syndrom (GWS)

Nicht nur Iraker hatten und haben unter der Folgen des Golfkriegs zu leiden. Auch zahllose GIs, die an der militärischen Auseinandersetung selbst oder an den späteren Aufräumarbeiten in Kuwait teilgenommen haben, leiden seitdem an einer als Golfkriegs-Syndrom (GWS) bezeichneten Erkrankung. Als häufigste Symptome werden Hautausschläge, Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Gedächtnisverlust, Durchfall oder Husten genannt.

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Wie viele Amerikaner vom Golfkriegs-Syndrom betroffen sind, ist umstritten. Während das amerikanische Verteidigungsministerium noch Mitte der 1990er Jahre lediglich von einigen hundert Fällen sprach, meldete das Department of Veterans Affairs schon damals mehrere tausend Erkrankte. Paul Sullivan, der Direktor vom National Gulf War Resource Center, kommt im Jahr 2001 sogar auf 250.000 GIs, die sich bei ihm mit ungewöhnlichen Beschwerden nach dem Golfkrieg gemeldet haben. Auch aus England, Kanada und Frankreich sind heute Fälle des Golfkrieg-Syndrom bekannt.

Viele der Golfkriegsveteranen müssen trotzdem um die Anerkennung des GWS als Kriegsfolge kämpfen. Unter Wissenschaftlern kursiert noch heute die Ansicht, dass es sich bei GWS eher um ein Sich-krank-Fühlen als um ein Krank-Sein handelt. Sie führen die Symptome sowohl auf die Angst vor möglichen Giftkontakten im Golfkrieg zurück, als auch auf eine Massenhsysterie, die durch die Vielzahl von Presseberichten ausgelöst worden ist.

Und auch die Frage, ob Uran-Munition wirklich für die zahlreichen Erkrankungen im Irak und in den USA verantwortlich ist, bleibt letztlich unbeantwortet. Das Pentagon und die Nato leugnen jedenfalls bis heute jeden Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Leukämie und der verschossenen Uran-Munition. Sie berufen sich auf vorgelegte Forschungsergebnisse über die gesundheitlichen Folgen von natürlichem Uran, die solche akuten Erkrankungen kategorisch ausschließen.

Die seit Jahren geplante unabhängige Studie der Weltgesundheitsorganisation über die Folgen des Einsatzes von Munition mit abgereichertem Uran im Golfkrieg gibt es jedenfalls bis heute nicht. Obwohl von der WHO dafür bereits zwei Millionen Dollar an Forschungsgeldern bewilligt worden sind, scheiterten die Untersuchungen bisher immer am Veto der USA…

Überall lauerten Gefahren…

Vor, während und nach dem Golfkrieg gab es neben der Uranmunition aber auch noch jede Menge anderer Gesundheitsgefahren, die ihren Teil zu der Häufung an schweren Krankeitsfällen beigetragen haben könnten.

Schutzimpfungen gegen biologische Waffen und Infektionskrankheiten, Insektizide oder chemische Waffen, die bei der Bombardierung der Munitionsdepots der irakischen Armee freigesetzt wurden und nicht zu vergessen die brennenden Ölquellen am Ende des Krieges: Sie alle bildeten möglicherweise den hochbrisanten Giftcocktail unter dessen Folgen die Betroffenen zum Teil noch heute zu leiden haben.

Neueste Forschungsergebnisse an der Duke University in North Carolina haben jetzt belegt, dass tatsächlich vor allem Wirkstoffe, die das Pentagon den GIs verabreicht hatte, um sie vor Seuchen übertragende Insekten oder Nervengasen zu schützen, für das Golfkriegs-Syndrom verantwortlich sein könnten. In Kombination mit Stress sorgten die Chemikalien DEET, Permethrin und Pyridostigminbromid im Tierversuch jedenfalls für die gleichen Symptome, unter denen auch die Veteranen leiden.

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Stand: 13.01.2003

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Irak
Von der Wiege der Kulturen zum internationalen Krisengebiet

Vom Paradies zum Land ohne Hoffnung?
5.000 Jahre Mesopotamien

Von Städten, Palästen und Müllproblemen
Mesopotamien vor 5.000 Jahren

Babylon als Nabel der Welt
Aufstieg und Niedergang Mesopotamiens

Nebukadnezars Nachfolger
Der Irak unter Saddam Hussein

Ein Land vor dem Kollaps...
Von UNO-Sanktionen und hausgemachten Problemen

Saddam-Land
Der Irak im Überblick

Hunger, Krebs und Missbildungen
Die humanitäre Katastrophe

Wie gefährlich ist Uran-Munition?
Die Suche nach den Gründen für Krebs und Golfkrieg-Syndrom

Vom Garten Eden zur Wüste
Die größte Umweltkatastrophen aller Zeiten?

Worst case oder Eden again?
Gibt es noch eine Rettung für die mesopotamischen Feuchtgebiete?

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