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Phänomene

Gefahren beim Pilze sammeln

Risiken und Chancen durch heimische Giftpilze

In den Wald gehen und Pilze für das Abendessen sammeln ist ein Hobby, das sich seit einigen Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut. Nicht nur, weil Pilze lecker, nahrhaft und reich an Eiweiß und Vitaminen sind, sondern auch, weil Pilze sammeln ein naturverbundener Zeitvertreib ist. Doch dabei kommt es immer wieder zu tragischen Verwechslungen von Speisepilzen und Giftpilzen.

Echte und Falsche Pfifferling
Der essbare Echte Pfifferling (Cantharellus cibarius) und sein giftiger Doppelgänger, der Falsche Pfifferling (Hygrophoropsis aurantiaca, unten), sind sich zum Verwechseln ähnlich. © Wilhelm Zimmerling PAR/CC-by 4.0 / © Lukas/CC-by 2.0

Wie viele Giftpilze und Pilzvergiftungen gibt es?

Zu den beliebtesten essbaren Wildpilzen gehören in Deutschland etwa Champignons (Agaricus), Pfifferlinge (Cantharellus), der Austernpilz (Pleurotus ostreatus), der Feldpilz (Agaricus campestris) und einige Russula-Arten (Täublinge). Von unerfahrenen Sammlern werden diese und weitere Speisepilze leider häufig mit verschiedensten der rund 150 heimischen Giftpilze verwechselt. Am häufigsten treten Verwechslungen mit einigen Amanita-Arten wie dem giftigsten aller Pilze auf, dem Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), der schon in geringen Mengen ein tödliches Leberversagen verursacht.

In fünf Prozent aller Fälle geht eine Pilzvergiftung auf den Grünen Knollenblätterpilz zurück, bei tödlichen Fällen sogar zu 80 Prozent, schätzt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Das Institut verzeichnet jährlich im Schnitt zehn Pilzvergiftungen bei privaten Sammlern und die Giftinformationszentren erhalten jährlich tausende Anfragen zu Giftpilzen und möglichen Vergiftungen. Zwischen 2000 und 2018 wurden über 4.400 Menschen wegen einer Pilzvergiftung in einem deutschen Krankenhaus gegen die Symptome behandelt, wie eine Übersichtsstudie erfasst hat (doi: 10.3238/arztebl.2020.0701). Weltweit sterben jährlich etwa 100 Menschen an einer Vergiftung durch Mykotoxine.

Fleischroter Speise-Täubling und Kirschroter Spei-Täubling
Der Fleischrote Speise-Täubling (Russula vesca) ist essbar, der Kirschrote Spei-Täubling (Russula emetica, unten) hingegen leicht giftig. Beide kommen in Deutschland häufig vor. © Irene Andersson (irenea), Mushroom Observer /CC-by 3.0 / © James Lindsey/CC-by 2.5

Irreführung durch Aussehen, Geschmack und Geruch

Hauptproblem beim Pilze sammeln ist die Verwechslungsgefahr: „In Deutschland wachsen sehr giftige Pilze, die essbaren Exemplaren ähneln. Das kann für Sammler mit geringer Erfahrung gefährlich sein“, sagt Herbert Desel vom BfR. Jedes optische Pilz-Duo aus harmloser und giftiger Variante hat dabei andere charakteristische Erkennungsmerkmale, die auf Fotos oft nicht alle abgebildet werden können. Das macht allgemeine Faustregeln zur Erkennung und eine eindeutige Unterscheidung schwer.

Ein weiteres Problem: Giftpilze riechen und schmecken sehr unterschiedlich und können daher beim Kochen und Verzehren nicht zuverlässig an einheitlichen Merkmalen erkannt werden. Selbst hochgiftige Arten wie der süßliche Knollenblätterpilz können sehr angenehm riechen und schmecken. Viele Pilzgifte sind zudem hitzestabil und bleiben beim Kochen und Braten erhalten, so dass auch die Zubereitung keinen sicheren Schutz vor den Toxinen bietet.

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Vorsicht geboten!

Bevor es ans Pilze suchen geht, sollten Interessierte sich daher ausreichend informieren, um Verwechslungen von harmlosen Speisepilzen mit giftigen Doppelgängern zu vermeiden. Neben diversen Broschüren, Bestimmungsbüchern und Apps lohnt es sich, zusätzlich eine Schulung zu besuchen, wie sie etwa die Deutsche Gesellschaft für Mykologie anbietet. Zudem können Sammler ihre gefundenen Pilze vor dem Verzehr von einer oder einem Pilzsachverständigen bestimmen lassen, um ganz sicher zu gehen, sich nicht versehentlich zu vergiften. Das geht allerdings wegen der vielfältigen Erkennungsmerkmale nur persönlich, nicht per eingeschicktem Foto, und ist daher zeitaufwendig.

Kommt es trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen nach dem Essen zu Vergiftungserscheinungen – die ersten Symptome sind oft Übelkeit, Bauchschmerzen und Erbrechen – sollten Pilzesser sofort den Notruf wählen.

Petrischale mit Pilzkulturen unter einem Mikroskop
Pilze zu erforschen lohnt sich, denn sie enthalten oft medizinisch nützliche Substanzen gegen Bakterien. © Arpon Pongkasetkam / iStock

Antibiotika aus Pilzgift

Doch Giftpilze sind nicht nur gefährlich, sie können auch nützlich sein. Zum Beispiel im Fall der Schnecklinge (Hygrophorus), die in heimischen Wäldern häufig zu finden sind. Diese Pilze stellen Mykotoxine aus der Gruppe der Hygrophorone her, die effektiv Bakterien töten, darunter auch den Krankenhauskeim Staphylococcus aureus. Diese Substanzklasse könnte daher interessant werden für die Entwicklung neuer Antibiotika, wie Forschende vor einigen Jahren herausfanden.

„Bei Pilzen nach biologisch aktiven Wirkstoffen zu suchen, ist immer lohnenswert“, erklärt Norbert Arnold vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie, „denn diese Organismen sind für ihre enorme Produktion an Giftstoffen bekannt“. Auch für den Menschen ungiftige Pilze enthalten oft wirksame Substanzen gegen Bakterien und andere Pilze, die medizinischen Nutzen haben können.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Pilze und ihre Gifte
Die tödliche Gefahr der Mykotoxine

Chemische Verteidigung
Warum manche Pilze giftig sind

Mykotoxine: Von unangenehm bis tödlich
Wie wirken Pilzgifte?

Gesundheitsgefahr Schimmel
Schimmel- und Hefepilze im Klimawandel

Gefahren beim Pilze sammeln
Risiken und Chancen durch heimische Giftpilze

Von Mehltau bis Mutterkorn
Giftige Pilze in der Landwirtschaft

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