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Sonnensystem

Heißer Start für den kalten Pluto

Zwergplanet könnte schon in seiner Anfangszeit einen flüssigen Ozean besessen haben

Pluto
Der Zwergplanet Pluto könnte in seiner Anfangszeit warm genug für flüssiges Wasser gewesen sein. © NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Southwest Research Institute

Überraschend anders: Der Zwergplanet Pluto könnte früher weit wärmer gewesen sein als heute – er besaß vielleicht sogar flüssiges Wasser, wie nun eine Studie nahelegt. Indizien dafür liefern auffallende Dehnungsgräben in der Kruste des Pluto. Sie deuten darauf hin, dass das Innere des Zwergplaneten erst allmählich gefroren sein muss, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten. Die Wärme für den „heißen Start“ lieferte dabei ein kosmisches Bombardement.

Als die NASA-Raumsonde New Horizons im Jahr 2015 am fernen Pluto vorbeiflog, enthüllten ihre Aufnahmen einen überraschend dynamischen Himmelskörper: Der Zwergplanet besitzt nicht nur fließende Gletscher, Konvektionsstöme und vielleicht sogar Eisvulkane. Seine Oberfläche zeigt auch hunderte Kilometer lange und bis zu vier Kilometer tiefe Gräben, die durch eine Dehnung der Kruste entstanden sein müssen. Unter anderem deshalb vermuten einige Forscher, dass Pluto einen subglazialen Ozean oder dessen Reste unter seiner Eiskruste besitzt.

Was macht(e) Plutos Ozean flüssig?

Doch wenn Pluto einen solchen Ozean hat oder hatte, woher kommt die Wärme dafür? Das haben nun Carver Bierson von der University of California in Santa Cruz näher untersucht. Wie sie erklären, gibt es zwei gängige Theorien zur thermischen Entwicklung des Pluto. Der ersten zufolge begann Pluto zwar kalt, hat sich dann aber durch den radioaktiven Zerfall von Elementen in seinem Gesteinskern allmählich aufgeheizt. Diese Wärme wäre dann nach außen gedrungen, bis sie dort die innerste Schicht der Eiskruste zum Schmelzen brachte.

Dehnungsgräben
Dehnungsgräben auf dem Pluto (Pfeile). © NASA/ JHUAPL/SwRI, Alex Parker

Das allerdings hätte Spuren hinterlassen müssen: Denn wegen der Dichteanomalie des Wassers verliert Wassereis beim Schmelzen an Volumen. „Wenn Pluto kalt begann und das Eis im Inneren schmolz, dann müsste sich dadurch seine Oberfläche kontrahiert haben und wir müssten Kompressions-Merkmale auf seiner Oberfläche sehen“, erklärt Bierson. Doch die scheint es nicht zu geben: „Wir sehen zwar reichlich Belege für eine Expansion, aber keine für eine Kompression“, so der Forscher.

Indizien für eine Expansion der Kruste

Umso reichlicher finden sich Hinweise auf eine vergangene Dehnung der Plutokruste. So zeigen Aufnahmen der Raumsonde New Horizons beispielsweise westlich der Eisebene Sputnik Planitia eine Reihe von prominenten Gräben, deren Form auf eine Entstehung durch Dehnung des Untergrunds hindeutet. Gleichzeitig gibt es in diesen Landschaftsformen kaum Erosionsspuren oder darüberliegende frische Krater. „Das spricht für eine Dehnung der Kruste in jüngerer Zeit“, so Bierson und sein Team.

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Zusätzlich identifizierten die Forscher auf dem Pluto ein ausgedehntes System aus Gräben und Graten, das sogenannte Ridge-Trough-System (RTS), das wegen seiner starken Degradierung und seinem Verlauf für einen sehr alten Ursprung spricht. „Die älteren Oberflächenbereiche des Pluto sind zwar schwerer zu interpretieren, aber es sieht so aus, als ob es sowohl eine urzeitliche als auch eine moderne Dehnung der Oberfläche gab“, sagt Biersons Kollege Francis Nimmo.

Erst heiß, dann kalt?

Nach Ansicht der Forscher spricht all dies gegen einen kalten Beginn des Zwergplaneten. Stattdessen halten sie es für wahrscheinlich, dass Pluto und auch andere große Himmelskörper im Kuipergürtel anfangs heiß waren und dann erst allmählich abkühlten. „Wenn Pluto heiß begann, dann müsste er sich ausgedehnt haben, als sein Ozean gefror und wir müssten Dehnungsspuren an seiner Oberfläche sehen“, sagt Bierson.

Genau diese Spuren sehe man heute in den Aufnahmen der New Horizons-Sonde. „Diese Beobachtungen passen zu einem Szenario, in dem Pluto schon von Anfang an einen flüssigen Ozean besaß“, so der Forscher. Erst als die Energie der Anfangszeit dann verflog, kühlte Pluto ab und gefror mehr und mehr.

Einschläge als Hitze-Lieferanten

Doch wo bekam der junge Pluto seine Anfangshitze her? Das haben Bierson und sein Team mithilfe eines physikalischen Modells nachvollzogen. Demnach könnte der Einschlag von Planetenbausteinen während der Wachstumsphase des Pluto ihm die nötige Anfangshitze mitgegeben haben. In dieser Akkretionsphase wurde der Proto-Pluto von unterschiedlich großen Brocken aus Eis und Gestein bombardiert, die ihm immer mehr Masse verliehen. Gleichzeitig heizte ihn die Einschlagsenergie auf.

Für einen erfolgreichen „Warmstart“ kommt es allerdings auf das richtige Tempo dieses Bombardements an, wie die Wissenschaftler erklären. „Wenn die Akkretion zu langsam passiert, strahlt das heiße Material an seiner Oberfläche die Wärmeenergie ins All ab“, sagt Nimmo. „Aber wenn die Einschläge schnell genug aufeinanderfolgen, wird die Hitze im Inneren des wachsenden Himmelskörpers gefangen.“

Finaler Wachstumsschub

Das wäre dann der Fall, wenn Pluto bei seinem finalen Wachstumsschub innerhalb von nur rund 30.000 Jahren von rund 300 Kilometern Durchmesser auf seine heutige Größe gewachsen wäre. Nach Angaben von Bierson und seinem Team passt dieses Szenario eines schnellen Wachstums sehr gut zu gängigen Modellen für die Entstehung der Kuipergürtel-Objekte.

Demnach könnten Pluto, aber auch andere Himmelskörper im Kuipergürtel, ihre Geschichte als warme Objekte mit flüssigem Wasser begonnen haben. Erst im Laufe der Zeit kühlten sie dann ab und wurden zu den eisigen Brocken, die sie heute sind. (Nature Geoscience, 2020; doi: 10.1038/s41561-020-0595-0)

Quelle: University of California – Santa Cruz

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