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Technik

Optische Atomuhr sticht in See

Neuartige Mini-Atomuhr misst trotz Seegang auf die Billionstel Sekunde genau

HMNZS Aotearoa
Auf diesem neuseeländischen Kriegsschiff nahmen drei optische Atomuhren an einem dreiwöchigen Seemanöver teil – und liefen dennoch stabil und hochgenau. © Roslund et al./ Nature, CC-by 4.0

Hochgenau trotz Seegang: Forscher haben erstmals eine optische Atomuhr entwickelt, die klein und robust genug für den Einsatz auf hoher See ist. Bei einem dreiwöchigen Marinemanöver ging die nur gut 13 Zentimeter hohe und 50 Zentimeter breite Iod-Atomuhr weniger als 300 Billionstel Sekunden pro Tag falsch – trotz Seegang und schwankender Temperaturen. Sie ist damit die genaueste Uhr auf hoher See und eröffnet neue Möglichkeiten der mobilen Zeitmessung, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Dank Atomuhren können wir die Zeit heute genauer messen als je zuvor. Sie bilden die Basis für das GPS-System, die Arbeit großer Rechenzentren und Fabriken sowie für die Forschung. Besonders präzise arbeiten dabei optische Atomuhren, bei denen optische Laser die Zustandsübergänge der ultrakalten Mess-Atome oder -Ionen erfassen. Solche Uhren auf Basis von Strontium- oder Ytterbium-Atomen gehen selbst in Milliarden Jahren keine Sekunde vor oder nach, zudem schwankt ihre Tickrate um weniger als zwei Trillionstel Sekunden.

Das Problem jedoch: Optische Atomuhren sind extrem sensibel und erfordern aufwändige, große Apparaturen, um die Messteilchen von Störeinflüssen der Umgebung zu isolieren. Für mobile Anwendungen sind sie daher nur bedingt geeignet – eine 2020 für Messungen der Zeitdehnung genutzte „mobile“ optische Strontium-Atomuhr füllte einen ganzen Lastwagen. Das macht diese Uhren für Schiffe oder Flugzeuge eher ungeeignet.

optische Iod-Atomuhr
Sie sieht aus wie ein simples Messgerät oder ein großer Computerserver, ist aber eine optische Iod-Atomuhr. © Roslund et al./ Nature, CC-by 4.0

„Tickende“ Iod-Moleküle als Zeitmesser

Das hat sich nun geändert: Jonathan Roslund und sein Team von Vector Atomic in den USA haben erstmals optische Atomuhren entwickelt, die klein und robust genug sind, um auch auf hoher See eingesetzt zu werden. Die in ein isolierendes Gehäuse verpackte Atomuhr ist kaum größer als ein normaler Computerserver und wiegt nur 26 Kilogramm. „Die Uhren nutzen eine robuste Dampfzell-Architektur, die keine Laserkühlung oder Prästabilisierungskammer erfordert“, erklären die Forscher.

Herzstück dieser optischen Atomuhr bilden Iod-Moleküle (I2), die durch einen Infrarotlaser mit 1.064 Nanometer Wellenlänge zum Zustandswechsel gebracht werden. Ein optischer Frequenzkamm detektiert diese Quantensprünge und ermittelt so die genau Frequenz des „Tickens“ dieser optischen Uhren. „Solche Iod-Atomuhren sind zwar nicht so genau wie Labor-Atomuhren mit gefangenen Atomen oder Ionen, aber sie bilden ein kompaktes, robustes und mobiles Paket“, schreiben Roslund und seine Kollegen.

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Härtetest auf hoher See

Doch wie genau sind diese mobilen Iod-Atomuhren? Um das zu prüfen, setzten die Forscher die Uhren nach einem ersten Test in einem normalen Laborraum einem echten Härtetest aus: Drei Varianten ihrer Atomuhr nahmen im Sommer 2022 an Bord eines neuseeländischen Kriegsschiffs an einem internationalen Marinemanöver im Pazifik teil. Das Server-Rack mit den drei Atomuhren war mitsamt drei Kontrolllaptops und Stromversorgung in einem Frachtcontainer auf dem Deck des Schiffes verstaut.

„Nachdem das Schiff den Hafen von Pearl Harbor verlassen hatte, arbeiten die drei Atomuhren während des gesamten dreiwöchigen Manövers ohne Intervention unsererseits“, berichten die Wissenschaftler. Während dieser Zeit waren die optischen Atomuhren den Schwankungen des Seegangs und Tag-Nacht-Temperaturunterschieden von mehreren Grad ausgesetzt. Das Schiff absolvierte während dieser Zeit zahlreiche Manöver in alle Himmelsrichtungen.

Abweichung weniger als 300 Billionstel Sekunden pro Tag

Es zeigte sich: Trotz dieser Störeinflüsse liefen die optischen Iod-Atomuhren stabil und überraschend genau. In der Zeit auf See wichen sie um weniger als 300 Pikosekunden pro Tag vom Referenzwert ab – das entspricht einem Vor- oder Nachgehen von weniger als 300 Billionstel Sekunden pro Tag. „Unseres Wissens nach sind diese Uhren damit die bisher leistungsfähigsten seebasierten Uhren überhaupt“, schreiben Roslund und sein Team.

Nach Ansicht der Forscher eröffnen solche mobilen Iod-Atomuhren damit die Chance, die hochgenaue Zeitmessung auch auf See und in anderen mobilen Zusammenhängen deutlich zu verbessern. „Diese Demonstration markiert einen signifikanten technologischen Fortschritt und kündigt die Ankunft zukünftiger optischer Zeitmessungsnetzwerke an“, konstatieren die Wissenschaftler.

Ähnlich sehen es auch Bonnie Marlow und Jonathan Hirschauer von der MITRE Corporation: „Die Arbeit von Roslund und Kollegen repräsentiert einen entscheidenden Schritt zum Übergang optischer Atomuhren aus dem Labor in die reale Welt“, schreiben sie in einem begleitenden Kommentar in „Nature“. „Dadurch könnten solche Uhren künftig maritime, luftgestützte und weltraumbasierte Systeme unterstützen.“ (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07225-2)

Quelle: Nature

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