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Sonnensystem

Pluto: Flüssiger Ozean unter der Eiskruste?

Radioaktiver Zerfall im Kern könnte noch heute genügend Wärme liefern

Wassereis (blau) gibt es auf Plutos Oberfläche reichlich - aber hat er vielleicht sogar flüssiges Wasser unter der Kruste? © NASA/JHUIAPL/SwRI

Wasser unter dem Eis? Der Pluto könnte noch heute einen Ozean aus flüssigem Wasser unter seiner Kruste verbergen – oder ein Wasserreservoir, das gerade erst angefangen hat, zu gefrieren. Darauf deuten Dehnungsspuren an der Oberfläche des Zwergplaneten und neue Berechnungen von US-Forschern hin. Sollte sich dies bestätigen, dann könnte es vielleicht auch auf anderen Himmelskörpern im Kuipergürtel solche subglazialen Wasservorkommen geben, mutmaßen die Forscher.

Der Zwergplanet Pluto ist alles andere als kalt und tot: Aufnahmen der NASA-Raumsonde New Horizons zeigen gewaltige Gebirge aus Wassereis, fließende Gletscher, organische Nebelschleier und vielleicht sogar aktive Eisvulkane. Auch unter den Eisschollen der weiten Ebene Sputnik Planum könnte eine ständige Konvektionsströmung für Bewegung sorgen.

Verdächtige Dehnungsspuren

Doch nicht nur das: Der eisige Zwergplanet könnte sogar flüssiges Wasser besitzen – tief verborgen im Untergrund. Indizien dafür haben nun Noah Hammond von der Brown University und seine Kollegen in den Aufnahmen der Raumsonde New Horizons ausfindig gemacht. Mit Hilfe eines Planetenmodells des Pluto ermittelten sie dann, wie wahrscheinlich die Existenz eines Ozeans unter der Kruste ist.

Erste Hinweise lieferten Aufnahmen von hunderte Kilometer langen und bis zu vier Kilometer tiefen Verwerfungen und Rissen in der Kruste des Zwergplaneten. Aus der Form dieser Spalten schließen die Forscher, dass sie durch Ausdehnung, nicht durch Schrumpfung der Eiskruste entstanden sein müssen. „New Horizons hat uns gezeigt, dass es tektonische Dehnungsstreifen auf dem Pluto gibt“, sagt Hammond. „Das deutet darauf hin, dass der Zwergplanet eine Phase der globalen Ausdehnung hinter sich hat.“

Radioaktiver Zerfall als Wärmequelle

Theoretisch könnten diese Risse durch die Schwerkraft-Wechselwirkung des Pluto mit seinem fast gleichgroßen Mond Charon entstanden sein. Aber die beiden Himmelskörper haben sich schon lange in einem Gleichgewicht eingependelt, so dass dies nicht die geologisch gesehen sehr frischen Verwerfungen erklären kann, sagen die Wissenschaftler.

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Diese New Horizons-Aufnahme zeigt Verwerfungen, die wahrscheinlich durch Ausdehnung der Kruste des Pluto entstanden sind. © NASA/JHUAPL/SwRI

Ihrer Ansicht nach sprechen die Dehnungsrisse und die thermischen Modelle des Pluto eher dafür, dass es unter der Eiskruste des Zwergplaneten einen flüssigen Ozean gab – und wahrscheinlich sogar noch gibt. Genügend Wärme dafür könnte im Innern des Pluto durchaus noch existieren: Die dynamischen Prozesse an seiner Oberfläche deuten darauf hin, dass der Zerfall radioaktiver Elemente in seinem Kern noch in jüngster geologischer Vergangenheit und vielleicht sogar heute noch Hitze produziert.

Kein Eis II im Pluto-Inneren

Ähnliches ergab auch das thermische Modell von Hammond und seinen Kollegen. Nach diesem hätte sich eine spezielle, besonders dichte Eis-Art im Innern des Pluto bilden müssen, wenn die Wärmequelle in seinem Kern schon vor hunderten Millionen oder sogar Milliarden Jahren ausgekühlt wäre. Weil dieses sogenannte Eis II eine höhere Dichte besitzt als flüssiges Wasser oder normales Wassereis, hätte der Pluto bei seiner Bildung leicht schrumpfen müssen.

„Die Bildung von Eis II hätte zu einer Volumenverringerung des Pluto geführt und dann müssten Kompressions-Spuren an der Oberfläche zu sehen sein“, erklärt Hammond. „Die tektonischen Strukturen auf der Pluto-Oberfläche sind jedoch alle durch Dehnung entstanden. Daher kann sich noch nicht viel Eis II gebildet haben.“ Stattdessen scheint Wasser gerade erst zu normalem Eis gefroren zu sein – denn dabei nimmt das Volumen leicht zu und das könnte die Dehnungsrisse erklären.

Nach Ansicht der Forscher spricht daher einiges dafür, dass der subglaziale Ozean des Pluto entweder bis heute überdauert hat oder aber gerade erst angefangen hat, zu gefrieren.

Ist die Kruste dick genug?

Allerdings gibt es bei ihren Kalkulationen eine große Unwägbarkeit: die Dicke der Eiskruste. Der Druck für Eis II wäre im Inneren nur dann groß genug, wenn die Pluto-Kruste dicker als 260 Kilometer wäre. Ist das nicht der Fall, könnte der subglaziale Ozean auch schon lange gefroren sein, ohne diesen besonders dichten Eis-Typ zu bilden.

Wie die Wissenschaftler erklären, gibt es jedoch gute Gründe anzunehmen, dass die Eiskruste des Pluto dicker ist als 260 Kilometer. Ihr Modell ergibt eine Dicke von eher 300 Kilometern. Zudem sei die Existenz von Methan- und Stickstoffeis an der Pluto-Oberfläche ebenfalls ein Indiz für einen noch immer warmen Kern mit dicker Kruste: „Diese exotischen Eise sind sehr gute Isolatoren“, sagt Hammond. „Sie könnten verhindert haben, dass Pluto mehr von seiner Wärme an den Weltraum verliert.“

Kein Einzelfall im Kuipergürtel?

Nimmt man alle Indizien und Argumente zusammen, halten die Forscher die Existenz eines subglazialen Ozeans auf Pluto für durchaus wahrscheinlich. „Das ist wirklich erstaunlich“, sagt Hammond. „Die Möglichkeit, dass es ausgedehnte Ozeanhabitate aus flüssigem Wasser so weit von der Sonne entfernt geben könnte ist absolut unglaublich!“

„Unsere Arbeit zeigt, dass selbst Pluto eine Tektonik besitzt, obwohl er eher energiearmen Außenrand des Sonnensystems liegt“, ergänzt Koautorin Amy Barr vom Planetary Science Institute in Tucson. „Das stützt die Idee, dass solche Ozeane vielleicht auch bei andern Kuipergürtel-Objekten häufig vorkommen könnten – ähnlich wie bei den Monden der äußeren Planeten.“ Denn auch der Saturnmond Enceladus und der Jupitermond Europa besitzen subglaziale Ozeane aus flüssigem Wasser. (Geophysical Research Letters, 2016; doi: 10.1002/2016GL069220)

(Brown University / Planetary Science Institute, 23.06.2016 – NPO)

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