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Astronomie

Tote Galaxie verblüfft Astronomen

Frühe Galaxie mit gestoppter Sternbildung widerspricht gängiger Theorie

Diese Illustration zeigt die neuentdeckte tote Uralt-Galaxie MACS2129-1 (rechts) im Vergleich zur Milchstraße. © NASA, ESA, and Z. Levy (STScI)

Eigentlich dürfte es sie nicht geben: Die zehn Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie MACS2129-1 widerspricht allen Theorien. Denn obwohl sie keine Sterne mehr produziert, rotiert sie ungewöhnlich geordnet. Darin ähnelt sie eher der Milchstraße als einem chaotischen, von Kollisionen geprägten Haufen – doch genau so stellten sich Astronomen solche toten, uralten Galaxien bisher vor. Warum diese Galaxie so anders ist und ob dies vielleicht noch für weitere gilt, ist bislang unklar.

Nach gängiger Theorie sind die meisten heutigen Galaxien durch Verschmelzung mit nahen Nachbarn geformt worden. Diese Kollisionen führten zu Turbulenzen im interstellaren Gas und lösten neue Schübe der Sternenbildung aus und ließen die Galaxien zu großen Spiralen und Ellipsen heranwachsen. Doch einige der frühen Galaxien im Kosmos schafften diese Erneuerung nicht: Sie stoppten stattdessen die Sternproduktion und blieben massereich, aber „tot“.

Kosmischer Glücksfall

Wie diese „toten“, uralten Galaxien aussehen, ließ sich bisher nie direkt beobachten, denn sie liegen zu weit entfernt für heutige Teleskope. Doch Astronomen auf Basis ihrer Modelle vermuteten Astronomen, dass sie eher chaotischen Haufen ähneln müssen als den geordneten Scheiben ihrer jüngeren „Artgenossen“.

Umso überraschender ist der Anblick, den nun die massereiche tote Galaxie MACS2129-1 bietet. Ihre Beobachtung gelang einem Team um Sune Toft von der Universität Kopenhagen durch einen kosmischen Glücksfall: Ein massereicher Galaxiencluster schob sich so vor die rund zehn Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie, dass er zur Gravitationslinse wurde und die Galaxie vergrößerte. Erstmals gelang es dadurch, eine dieser uralten, toten Galaxien direkt zu beobachten.

Erst eine Gravitationslinse machte die Beobachtung der zehn Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie MACS2129-1 möglich. © NASA, ESA, S. Toft (University of Copenhagen), M. Postman (STScI), and the CLASH team

Scheibe statt Chaoshaufen

Dabei zeigte sich: MACS2129-1 sieht völlig anders aus als es die gängige Theorie vorsieht. Denn statt eines chaotischen Haufens ähnelt die Galaxie eher einer geordneten Scheibe wie der Milchstraße. „MACS2129-1 ist allerdings dreimal massereicher als die Milchstraße, aber nur halb so groß“, berichtet Toft. „Damit ist sie extrem kompakt.“

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Das Erstaunliche aber: Ähnlich wie bei in der Milchstraße rotieren die Sterne bei MACS2129-1 in kreisförmige Bahnen um ein Zentrum – allerdings sind sie mit 500 Kilometern pro Sekunde mehr als doppelt so schnell wie in unserer Heimatgalaxie. Erwartet hatten die Astronomen jedoch, dass die Sterne sich in alle Richtungen bewegen würden. Denn den Modellen nach erlebten diese toten Galaxie so verheerende Kollisionen, dass diese die Sternbildung beendeten, statt sie aufs Neue anzufachen.

Sonderfall oder die Regel?

Wie die Forscher erklären, wirft dies ein ganz neues Licht auf die Galaxienentwicklung im frühen Kosmos. Denn damals, rund drei Milliarden Jahre nach dem Urknall, gab es offenbar auch geordnete Galaxienscheiben, die plötzlich mit der Sternbildung aufhörten. „Dies könnte bedeuten, dass wir unsere gesamten kosmologischen Vorstellungen darüber, wie Galaxien ausbrennen und sich zu elliptischen Galaxien entwickeln, neu denken müssen“, sagt Toft.

Denn ganz offensichtlich hat MACS2129-1 mit der Sternbildung aufgehört, ohne dass zuvor eine heftige Kollision ihre Struktur zerstört hat. Trotzdem ist diese Galaxie eindeutig „tot“ und produziert schon lange keine neuen Sterne mehr. Warum, ist bisher rätselhaft. Unklar ist auch, ob MACS2129-1 ein Sonderfall ist oder ob seine geordnete Scheibenform für die frühen toten Galaxien sogar die Regel sein könnte.

„Bevor wir dies beantworten können, müssen wir weitere tote, elliptische Galaxien dieses Alters untersuchen „, sagt Toft. Dabei setzen die Astronomen vor allem auf das 2018 ins All startende James Webb Weltraumteleskop, denn dieses besitzt eine Auflösung, die die Struktur solcher fernen Galaxien auch ohne den Glücksfall einer Gravitationslinse sichtbar machen kann. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature22388)

(NASA/Goddard Space Flight Center, 26.06.2017 – NPO)

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