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Umwelt

Schwarzes Meer verliert 40 Prozent seines Lebensraums

Sauerstoffarme Todeszone beginnt heute schon in 90 Metern Tiefe

Das Schwarze Meer ist ein Binnenmeer: Frisches Wasser bekommt es nur aus Flüssen und über die Meerenge des Bosporus. © NASA/GSFC, SeaWiFS, ORBIMAGE

Todeszone wächst: Im Schwarzen Meer ist der Lebensraum für Wasserorganismen dramatisch geschrumpft. Denn das Wasser ist heute nur noch bis in eine Tiefe von 90 Metern sauerstoffreich – 1955 lag diese Grenze zum sauerstoffarmen Tiefenwasser noch in 140 Metern Tiefe. Damit steht den Organismen gut 40 Prozent weniger Lebensraum zur Verfügung als noch vor gut 60 Jahren, wie Forscher im Fachmagazin „Biogeosciences“ berichten.

Das Schwarze Meer steht nur über den engen Bosporus mit dem Mittelmeer in Verbindung. Über diese Meerenge gelangt daher nur wenig frisches Salzwasser in dieses Binnenmeer. Dafür strömt umso mehr Süßwasser aus großen Flüssen wie der Donau ein. Als Folge davon bildet sich im Schwarzen Meer eine extrem stabile Wasserschichtung: Oben schwimmt sauerstoffreiches salzarmes Frischwasser, darunter liegt das dichtere, salzige Tiefenwasser.

Leben fast nur in der obersten Wasserzone

Während in anderen Meeren Wind und kühlere Oberflächentemperaturen im Winter für regelmäßige Durchmischung dieser Zonen sorgen, ist das im Schwarzen Meer kaum der Fall. Als Folge ist der untere Wasserbereich extrem sauerstoffarm – fast schon eine Todeszone. Bis auf wenige angepasste Arten lebte der größte Teil der Organismen im sauerstoffreicheren Oberflächenwasser.

„Die sauerstoffreiche und damit bewohnbare Zone im Schwarzen Meer ist sehr begrenzt“, erklärt Artur Capet von der Universität Lüttich. „Das ist sowohl horizontal der Fall, weil das Becken fast völlig geschlossen ist, als auch vertikal durch die permanente Schichtung.“ Wo die Grenze dieser Zone liegt und wie sie sich verändert hat, haben Capet und seine Kollegen nun untersucht. Dafür werteten sie Daten von Schwimmbojen aus, die seit 1955 regelmäßig den Sauerstoffgehalt, die Salinität und Temperatur in verschiedenen Wassertiefen messen.

Todeszone schon bei 90 Metern

Das erschreckende Ergebnis: Während die lebensfreundliche Zone im Jahr 1955 noch bis in 140 Meter Tiefe reichte, endet sie heute bereits bei 90 Metern. Dadurch ist der verfügbare Lebensraum für Wasserorganismen im Schwarzen Meer um mehr als 40 Prozent geschrumpft, wie die Forscher berichten.

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Die Idylle trügt: In 980 Metern Wassertiefe beginnt bereits die Todeszone © Wolodymyr Lavrynenko/ CC-by-sa 3.0

Hinzu kommt, dass selbst die Zeiten, zu denen doch ein wenig Sauerstoff ins Tiefenwasser gelangt, noch seltener geworden sind. Im Durchschnitt nur alle zwei Jahre statt wie früher einmal im Jahr sinkt kaltes Wasser von der Oberfläche weiter in die Tiefe als sonst. „Das wird ökologische und ökonomische Folgen haben“, sagt Capet. „Denn das gesamte Ökosystem wird in dieser Schicht gebildet – vom Phytoplankton bis zu den Prädatoren.“

Doppelschlag von Eutrophierung und Klimawandel

Was aber sind die Ursachen für diese Schrumpfung des Lebensraums? Wie die Forscher erklären, spielen dafür zwei Faktoren eine Rolle. Bis zum Ende der Sowjetunion strömte über die Flüsse stark überdüngtes Wasser ins Schwarze Meer ein. Dieser Nährstoffüberschuss löste Algenblüten aus und verstärkte die Sauerstoffzehrung im Tiefenwasser.

Als sich wegen strengere Regelungen zur Wasserreinhaltung der Nährstoffeinstrom ab 1990 besserte, hätte sich das Schwarze Meer eigentlich erholten müssen. Doch zu diesem Zeitpunkt machte sich bereits der zweite „Schuldige“ so stark bemerkbar, dass die Erholung ausblieb: der Klimawandel. Luft und Oberflächenwasser sind in den letzten Jahrzehnten wärmer geworden und die Winter weniger kalt, wie die Forscher erklären. Dadurch aber verstärkt sich das Gefälle zwischen warmer, salzärmerer Wasserschicht oben und kaltem, salzigen Tiefenwasser unten. Als Folge bleibt selbst im Winter eine Durchmischung aus.

„Das Phänomen könnte noch schlimmer werden“, sagt Capet. „Noch können wir die Konsequenzen nicht vollständig einschätzen, aber in jedem Fall sind wir hier Zeugen eines sich verändernden Systems.“ (Biogeosciences, 2016; doi: 10.5194/bg-13-1287-2016)

(Université Liège, 02.09.2016 – NPO)

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