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Zoologie

Mauerfall begünstigte schlaue Vögel

Singvögel mit großem Gehirn haben vom Fall des Eisernen Vorhangs profitiert

Singvögel mit größerem Gehirn, wie der Eichelhäher, konnten sich offenbar besser an die Veränderung ihres Lebensraums infolge der politischen Wende 1989/1990 anpassen. © Richard Bartz / CC BY-SA 2.5

Der Fall der Mauer und die damit verbundenen Veränderungen haben offenbar auch die Tierwelt beeinflusst: In Ostdeutschland und in der Tschechischen Republik haben sich seit 1989/1990 Singvögel mit größeren Gehirn stärker vermehrt als Vogelarten mit eher begrenzten geistigen Fähigkeiten. Das berichten jetzt Forscher im Fachmagazin „Biological Conservation“.

„Der Bestandsanstieg solcher Singvögel lässt vermuten, dass Vögel mit guten kognitiven Fähigkeiten eher in der Lage sind, sich an schnell ändernde Umweltbedingungen anzupassen“, sagt Katrin Böhning-Gaese vom Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), eine der Autorinnen der Studie. Diese Vögel hätten die Chance genutzt, beispielsweise die nach dem Ende des Kommunismus grüner werden Innenstädte zu besiedeln.

Für ihre Studie hatte das deutsch-tschechische Forscherteam verglichen, wie sich die Bestände von 57 Singvogelarten in Ostdeutschland, Tschechien und dem Westen Deutschlands entwickelt haben. Wie sie feststellten, nahm die Anzahl von Elstern, Meisen, Eichelhähern und anderen als „klug“ geltenden Vögeln in Ostdeutschland und Tschechien stärker zu als in vergleichbaren Gebieten in Westdeutschland. Der Ost-West-Unterschied lege nahe, dass dies mit dem gesellschaftlich-wirtschaftlichen Umbruch in beiden Gebieten zusammenhängen könnte, konstatieren die Wissenschaftler um Erstautor Jiří Reif von der Universität Prag.

Kluge Vögel erobern grüner werdende Innenstädte

Eine Chance, die die Vögel mit größerem Gehirn für sich nutzten, sei die Besiedlung der Städte gewesen, berichten die Forscher. Das Ende des Kommunismus habe besonders in diesem Bereiche große Veränderungen mit sich gebracht. Während einerseits Natur in Form von Grünanlagen und Parks in die Innenstädte zurückkehrte, kam es andererseits an den Stadträndern zu massiven Eigenheimbau der neu entstehenden Mittelschicht.

Vögel mit größerem Gehirn, wie beispielsweise Elstern, Eichelhäher und Meisen, konnten sich an diese neuen Lebensräume anpassen. Sie hätten die innerstädtischen Grünflächen sowie Vorstädte zügig besiedelt und sich vermehrt, sagen die Wissenschaftler. Demgegenüber seien Vögel mit kleinerem Gehirn, wie beispielsweise die Dorngrasmücke, durch die Veränderung ihres bisherigen Lebensraumes zurückgedrängt worden. Sie seien vor allem durch die explosionsartige Ausbreitung der Vorstädte zurückgedrängt worden.

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Vögel mit breitem Nahrungsspektrum haben es überall leichter

Für ihre Studie werteten die Forscher nicht nur die absoluten Zahlen von Singvögeln in den Jahren 1991 bis 2007 aus. Sie berechneten auch, ob es Zusammenhänge zwischen der Bestandsentwicklung und der Veränderung der Umwelt gab. Berücksichtigt wurden dabei auch die individuellen Merkmale jeder Vogelart. Zu diesen zählten Lebensraum, Ernährung, klimatische Nische, Zugstrecke zwischen dem Brut- und Überwinterungsgebiet und Gehirngröße im Verhältnis zum Gesamtkörper.

Die Auswertung ergab nicht nur Ost-West-Unterschiede. Die Forscher identifizierten auch zwei Faktoren, die sich in allen untersuchten Regionen ähnlich auswirkten – die Intensivierung der Landwirtschaft und der Klimawandel. Auch bei dieser Umweltveränderung profitierten vor allem Vogelarten, die in punkto Nahrung flexibler waren und die klimawandelbedingte Temperaturerhöhung tolerierten, sagen die Forscher. Demgegenüber habe die Anzahl bei Vogelarten mit spezifischen Ansprüchen an Futter, mit einer engen klimatischen Nische und von Langstreckenziehern abgenommen. (Biological Conservation, 2011; doi:10.1016/j.biocon.2011.07.009)

(Biological Conservation / Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen / dapd, 06.09.2011 – NPO)

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