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Geologie/physische Geographie

„Mehr als nur eine Frage der Neugierde“

Kennedy und die Visionen für die Ozeanerkundung

25. Mai 1961, Washington D.C.: In seiner Rede zum Status der Nation erklärt der amerikanische Präsident John F. Kennedy die bemannte Raumfahrt zum nationalen Ziel. Noch vor dem Ende des Jahrzehnts will er amerikanische Astronauten auf den Mond schicken. Denn, so Kennedy: „Kein Projekt in dieser Zeit wird eindrucksvoller für die Menschheit sein oder wichtiger für die langfristige Erkundung des Weltraums und keines wird so schwierig und teuer zu erreichen sein.“

John F. Kennedy 1961 bei seiner Rede vor dem Kongress © gemeinfrei

Unterseestädte und bevölkerte Riffe

Diese und auch die zweite Rede zum Thema Raumfahrt im Jahr 1962 gehören seither zu den bekanntesten Kennedys. Weniger bekannt ist, dass er sich nicht nur für die Erkundung des Alls einsetzt, sondern auch für die der Meerestiefe. Er schlägt eine nationale Anstrengung in der ozeanographischen Grundlagenforschung und der angewandten Erkundung vor.

„Das Wissen über die Ozeane ist mehr als nur eine Frage der bloßen Neugierde. Unser Überleben könnte davon abhängen.“ Tatsächlich erleben die 1960er Jahre einen wahren Aufbruch: Dutzende von Tauchbooten verschiedenster Nationen versuchen sich in Tiefenrekorden zu überbieten, der Ozean gilt als der neue „Wilde Westen“, den es zu erkunden und zu besiedeln gilt. 1963 erklärt der große Meeresforscher Jaques Cousteau: „Wir glauben, dass unterseeische Städte und bevölkerte Riffe auf dem Kontinentalschelf zukünftig so normal sein werden, wie es in den vergangenen Jahrzehnten dort die Ölplattformen waren.“

Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges sind die amerikanischen Bestrebungen zur Erkundung des Meeres natürlich nicht ganz uneigennützig: Kennedy sieht in den Meeren der Erde ebenso wie im Weltraum einen Bereich, den es für die USA zu beanspruchen gilt – vor dem Erzfeind Sowjetunion. Der amerikanische Präsident wird 1963 ermordet, doch die von ihm gesäte Saat geht auf.

Der Golfstrom © NASA/GSFC

30 Tage mit dem Golfstrom

Frühjahr 1969: In Florida bereitet die NASA mit Hochdruck gleich zwei Missionen vor, die die Grenzen der bisherigen Erfahrungswelten sprengen werden. Die erste Mission ist Apollo, ihr Ziel ist der Erdtrabant – und dies möglichst vor den Sowjets. Die zweite Mission trägt den kryptischen Namen PX-15 und ihr Ziel ist irdisch: der Golfstrom. Diese warme Strömung ist ein entscheidender Teil des globalen Förderbands der Meere. Sie transportiert warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko zunächst nach Norden entlang der Ostküste der USA, dann über den Atlantik nach Osten, Richtung Europa.

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30 Tage lang soll ein eigens konstruiertes Forschungs-Unterseeboot mit der warmen Strömung mitdriften, ein Teil von ihr werden und – quasi aus der Innensicht – Messungen anstellen. Strömungsgeschwindigkeit, Wassertemperatur, Salzgehalt, aber auch Lebenswelt im Strom und die Topographie des Untergrunds werden kontinuierlich aufgezeichnet und gemessen. Das Ergebnis dieser ersten Mission dieser Art überhaupt ist, wenn alles gut geht, das erste detaillierte Profil dieser für Amerika und Europa so wichtigen Meeresströmung.

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Nadja Podbregar
Stand: 24.07.2009

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die vergessene Mission
PX-15: Eine Untersee-Expedition im Schatten der Mondlandung

"Mehr als nur eine Frage der Neugierde"
Kennedy und die Visionen für die Ozeanerkundung

Der U-Boot-Pionier und der Raketenmann
Was hat Meeresforschung mit dem Weltraum zu tun?

Mit dem „Mesoscaphe“ in die Meerestiefe
Das Schiff und die ersten Tauchgänge

Zwei Starts, zwei Welten
14. bis 16. Juli 1969

Fast am Boden
Wracks, Kartierung und ein Beinahe-Zusammenstoß

Weitab vom Kurs
Kampf mit der Strömung

Endspurt
Sturm oben, ungemütlich unten

Was ist geblieben?
Ein Epilog

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