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Sonnensystem

Exotische Moleküle in Uranus und Neptun

Kern der Eisriesen enthält unerwartete chemische Verbindungen

Im Inneren von Uranus und Neptun könnte es exotische, auf der Erde unmögliche oder instabile Moleküle geben. © NASA

„Unmögliche“ Chemie: Das Innere der Planeten Uranus und Neptun könnte chemische Verbindungen enthalten, die auf der Erde unbekannt oder extrem instabil sind. Nur unter dem extrem hohen Druck im Kern dieser Eisriesen sind diese Moleküle stabil. Zu diesen chemischen Exoten gehören Orthokohlensäuren, aber auch ungewöhnliche Käfigmoleküle, wie Hochdruck-Experimente nahelegen.

Uranus und Neptun sind Gasplaneten mit einem eisigen Kern – und bergen noch ziemlich viele Geheimnisse. Denn diese sturmumtosten Außenposten des Sonnensystems sind bisher nur in Teilen erforscht. Bekannt ist jedoch, dass der gewaltige Druck ihrer Schwerkraft und die extreme Kälte in ihrem Inneren eine eisähnliche Mischung aus Wasser, Ammoniak, Methan und Gesteinsbrocken geschaffen hat.

Organische Chemie unter Hochdruck

„Die Eisriesen Uranus und Neptun bestehen größtenteils aus den Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff“, erklärt Studienleiter Artem Oganov vom Moskauer Institut für Physik und Technologie (MIPT). „Zwar beruht die gesamte organische Chemie auf diesen drei Elementen, doch bisher war unklar, wie sie sich unter extremen Drücken und Temperaturen verhalten.“

Welche Verbindungen aus diesen Elementen im Inneren der Eisriesen entstehen können, haben er und seine Kollegen nun mit Hilfe von Computersimulationen und Hochdruck-Experimenten erforscht. Sie simulierten dabei einen Druck bis hin zu 400 Gigapascal – das entspricht dem rund vier Millionenfachen unserer Atmosphäre.

Exotische Käfige

Das Ergebnis: „Wir haben festgestellt, dass unter dem Druck von mehreren Millionen Atmosphäre unerwartete Moleküle im Inneren dieser Planeten gebildet werden“, berichtet Oganov. „Ihre Kerne könnten daher größtenteils aus solchen exotischen Materialien bestehen.“ So bilden sich ab einem Druck von rund zehn Gigapascal exotische Clathrate – käfigartige Moleküle, bei denen ein Kristall ein zweites Molekül einschließt.

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Die Orthokohlensäure ist unter irdischen Bedingungen instabil, könnte im Inneren von Uranus und Neptun aber sogar Polymere bilden. © gemeinfrei

Auf der Erde sind Gashydrate ein Beispiel für solche Einschlusskristalle. Bei diesen schließt ein Käfig aus gefrorenen Wassermolekülen das Gas Methan in sich ein. Im Inneren von Uranus und Neptun könnte es dagegen Clathrate geben, die aus Wasserstoff und Methan bestehen – einer Verbindung, die unter irdischen Bedingungen nicht stabil oder möglich wäre.

Ungewöhnliche Karbonsäuren

Weitere Exoten im Inneren der Eisriesen sind wahrscheinlich ungewöhnliche Formen von Karbonsäuren, wie die Forscher berichten. Unter ihnen ist die Orthokohlensäure, ein Molekül mit einem zentralen Kohlenstoffatom, an das vier Hydroxylgruppen (-OH) angelagert sind. Nach der Erlenmeyer-Regel kann ein solches Molekül eigentlich nicht stabil sein.

Unter dem hohen Druck im Inneren der Eisriesen jedoch scheint diese Regel nicht zu gelten. Denn sowohl diese Karbonsäure als auch andere, auf der Erde nicht stabile Varianten können unter solchen Bedingungen entstehen und erhalten bleiben, wie die Wissenschaftler berichten. „Es ist sogar möglich, dass die Kerne von Neptun und Uranus signifikante Mengen eines Polymers aus Kohlensäure und Orthokohlensäure enthalten“, sagt Oganov.

Diese neuen Erkenntnisse sind nicht nur für unser Verständnis der äußeren Planeten und ihres Innenlebens wichtig. Sie erlauben auch Rückschlüsse darauf, welche exotischen Moleküle in und auf extrasolaren Planeten vorkommen könnten – und dort möglicherweise eine uns fremde Grundlage für außerirdisches Leben bilden. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep32486)

(Moscow Institute of Physics and Technology, 07.09.2016 – NPO)

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