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Geowissen

Eisige Kalkulation in polaren Breiten

Durchlässigkeit des Meereises folgt der universellen Transportgleichung

Das polare Meereis schmilzt. Wie schnell, dass hängt unter anderem davon ab, wie viel Salzwasser in und durch das schwimmende Süßwassereis hindurch fließt. Ein Mathematiker hat dies nun berechnet und festgestellt, dass das Meerwasser dabei einer universalen Transportgleichung folgt – und dass dies möglicherweise auch für Eis auf anderen Welten gilt, wie beispielsweise dem eisigen Jupitermond Europa.

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Das Meereis der polaren Breiten ist einer der wichtigsten Indikatoren für den Klimawandel: Seine Ausdünnung und das Abtauen großer Flächen zeigen am deutlichsten die Auswirkungen der globalen Erwärmung. Gleichzeitig ist es jedoch auch ein entscheidender Regulator der Erwärmung, denn die Anwesenheit der stark reflektierenden Flächen reduziert die Wärmeaufnahme und damit auch das Aufheizen der polaren Ozeane. Die schwimmenden Eispanzer sind jedoch weitaus weniger massiv und undurchdringlich als es den Anschein hat: Das Eis ist von Millionen feinster Poren und Kanälchen durchzogen, durch die mit Salz angereichertes Meerwasser strömt. Diese Laugenkanäle und die angrenzenden Eisoberflächen bieten einer Vielzahl von mikrobiellen Gemeinschaften einen wertvollen Lebensraum. Die Algen und Bakterien wiederum bilden eine Basis für die marinen Nahrungsnetze.

Meereis folgt universeller Gleichung

Sowohl für das physikalische Eisverhalten als auch für seine Rolle als Lebensraum ist die Durchlässigkeit des Meereises für die Salzlauge daher entscheidend. Doch bisher war genau diese Eigenschaft kaum erforscht. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters” veröffentlichte Studie von Ken Golden, Professor für Mathematik an der Universität von Utah, hat nun das Verhalten des Wassers in den Laugenkanälen berechnet. Auf der Basis von Labormessungen, Feldstudien und mathematischen Modellen, sowie Mikro-Aufnahmen der Porenstruktur des Eises kam er dabei zu dem Ergebnis, dass das Meereis der so genannten universellen Transportgleichung folgt.

„Diese Formeln zeigen eine Universalität. Das bedeutet, dass das Endergebnis nicht von den Details des Modells oder Systems abhängt, sondern nur von der Dimension des Systems“, so der Forscher. „Während große Klassen von abstrakten Modellen diesem Prinzip gehorchen, tun dies reale Materialien oft nicht. Daher ist es überraschend, dass ein komplexes reales Material wie Meereis diesen Formeln tatsächlich gehorcht.“

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Und noch eine überraschende Konsequenz ergibt sich daraus: „Das bedeutet, dass nahezu die gleichen Formeln, die beschreiben, wie Wasser durch das Sedimentgestein der Erdkruste fließt, auch für das Salzwasser in den Laugenkanälen des Meereises angewandt werden können, obwohl dieses eine ganz andere Mikrostruktur aufweist als das Gestein“, erklärt Golden. Letztlich könnte daraus auch folgen, dass Eis auf anderen Planeten, wie beispielsweise dem Eismond Europa, ebenfalls dieser Gesetzmäßigkeit folgt.

Albedo und Schmelze zukünftig besser berechenbar

„Einer der wichtigsten Aspekte des polaren Meereises ist die Rolle, die es für die Albedo der Erde spielt“, erklärt Golden. „Es geht darum, ob die Erde das einfallende Sonnenlicht absorbiert oder reflektiert. Weißes Meereis reflektiert, der offene Ozean absorbiert. Im späten Frühling beeinflussen die Schmelzwassertümpel auf der Eisoberfläche die Albedo des Packeises. Der Abfluss dieser Tümpel wird ebenfalls durch die Durchlässigkeit des Eises kontrolliert.“

„Jetzt, wo wir ein viel besseres Verständnis darüber haben, wie die Durchlässigkeit des Meereises von den Umweltbedingungen beeinflusst wird, wie beispielsweise der Temperatur und dem Salzgehalt, können unsere Ergebnisse dazu beitragen, das Eis in den globalen Klimamodellen realistischer zu repräsentieren“, so Golden. „Das hilft uns, die Prognosen für das Weltklima und die Auswirkungen der Erwärmung genauer zu machen.“

Die Ergebnisse können auch dazu beitragen, die Reaktionen der polaren Ökosysteme auf den Klimawandel besser einzuschätzen. „Die biologischen Prozesse in den polaren Regionen sind abhängig von dem Salzwasserfluss durch das Meereis“, so Golden. „Die reichen Nahrungsnetze der Polarmeere basieren auf Algen und Bakterien, die im Eis leben und deren Nährstoffaufnahme durch die Laugenkanäle reguliert wird.“

(University of Utah, 11.09.2007 – NPO)

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