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Ernährung

Wie Ballaststoffe gegen Übergewicht helfen können

Pflanzliche Nahrung kann die Darmflora, das Gehirn und den Appetit beeinflussen

Chicoreewurzel, Mörser und Pulver
Die Teilnehmenden der Studie nahmen zwei Wochen lang ein hochdosiertes Präbiotikum aus der Chicoreewurzel zu sich. © Colourbox

Gesunde Ernährung: Über die Nahrung aufgenommene Ballaststoffe aus Gemüse, Obst und Co regen nicht nur die Verdauung an – sie helfen auch gegen Heißhunger und Übergewicht, wie eine klinische Studie nahelegt. Demnach verändern die Ballaststoffe die Zusammensetzung unserer Darmflora und deren Signale an unser Gehirn. Das wiederum beeinflusst die Belohnungssignale im Gehirn und verringert unser Verlangen nach Nahrung. Präbiotika könnten demnach dazu beitragen, Menschen mit Adipositas beim Abnehmen zu helfen.

Unverdauliche Ballaststoffe fungieren als Präbiotika, indem sie in unserem Darm das Wachstum und die Aktivität von nützlichen Bakterien fördern. Sie kommen vor allem in pflanzlichen Lebensmitteln wie Zwiebeln, Lauch, Artischocken, Weizen, Bananen oder auch hochkonzentriert in der Chicoreewurzel vor. Unsere Darmflora hat wiederum einen Einfluss auf bestimmte Hirnfunktionen und Verhaltensweisen: Über Stoffwechselprodukte wie kurzkettige Fettsäuren und Peptidhormone, die die Bluthirnschranke überwinden können, stehen Darm und Gehirn miteinander in Kontakt.

Studien legen nahe, dass die Darmflora unseren Appetit, die Stimmung und sogar unsere Motivation zum Sport beeinflussen kann.

Was bewirken Präbiotika im Körper?

Ein Team um Evelyn Medawar vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig hat untersucht, welchen Einfluss pflanzliche Ballaststoffe auf das Essverhalten und das Gehirn von übergewichtigen Menschen haben. Für die Studie erhielten 59 junge Erwachsene mit leichtem Übergewicht (BMI 25-30), über einen Zeitraum von 14 Tagen täglich 30 Gramm des aus Chicoree stammenden Präbiotikums Inulin oder ein Placebo-Präparat. Eine Gruppe erhielt zuerst das Präbiotikum, dann das Placebo, eine zweite Gruppe erhielt die Präparate in umgekehrter Reihenfolge.

Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) zeichneten die Wissenschaftler die Hirnaktivität der Testpersonen auf, während sie ihnen Bilder von verschiedenen gesunden und ungesunden Gerichten und Lebensmitteln zeigten. Die Probanden sollten dabei angeben, wie gern sie diese Mahlzeiten nach dem Experiment verzehren möchten. Ihr am höchsten bewertetes Gericht durften die Teilnehmenden anschließend tatsächlich essen. Diesen Vorgang führten die Wissenschaftler bei jeder Testperson vier Mal durch, jeweils vor und nach der Präbiotika-Gabe sowie vor und nach einer Placebo-Phase.

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Zusätzlich analysierten die Forschenden mittels DNA-Analysen von Stuhlproben, welche Bakterien im Darm der Testpersonen lebten. Aus den Proben ermittelten sie auch, welche Stoffwechselprodukte die Darmbakterien hinterließen. Blutproben der Teilnehmenden testeten Evelyn Medawar und ihre Kollegen zudem auf bestimmte Darm-Hormone, Marker für Entzündungen sowie den Zucker- und Fettstoffwechsel.

Gehirn reagiert weniger auf Essensreize

Tatsächlich zeigten sich Unterschiede in der Hirnaktivität: Die belohnungsbezogenen Gehirnbereiche – insbesondere im ventromedialen präfrontalen Cortex (vmPFC) und rechten orbitofrontalen Cortex – waren bei der Bewertung der gezeigten Lebensmittel weniger aktiv, nachdem die Probanden die präbiotischen Ballaststoffe zu sich genommen hatten. Dadurch äußerten sie in der Befragung insgesamt weniger Verlangen nach Essen als nach dem Placebo-Konsum. Allerdings: Die Wahl der später verzehrten Speisen änderte sich dadurch nicht.

Dafür zeigten sich Effekte auf die Darmflora, wie die Stuhltests ergaben. Unter anderem änderte sich nach der Präbiotika-Gabe die Zusammensetzung der sogenannten Firmicuten hin zu mehr Lactobazillen. Außerdem traten vermehrt Actinobakterien auf, insbesondere Bifidobakterien und Collinsella, die kurzkettige Fettsäuren produzieren. Allerdings fanden die Forschenden weder im Stuhl noch im Blut der Testpersonen mehr solcher Fettsäuren, nachdem diese Präbiotika genommen hatten. Auch hinsichtlich der Darm-Hormone und den Markern für Entzündungen sowie den Zuckerstoffwechsel beobachteten sie keine Veränderungen im Blut.

Durch Präbiotika zu gesünderem Essverhalten?

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass hochdosierte diätetische Präbiotika unser Essverhalten und unseren Appetit beeinflussen können. Sie verändern unsere Darmflora so, dass deren Botenstoffe und Signale die Reaktion unseres Belohnungssystems auf kalorienreiche und ungesunde Nahrungsmittelreize dämpfen. „Die Ergebnisse lassen auf eine potenzielle Verbindung zwischen Darmgesundheit und Gehirnfunktion schließen, in diesem Fall die Essentscheidung“, ergänzt Koautorin Veronica Witte von der Universitätsmedizin Leipzig.

„Zukünftige Studien sind erforderlich, um zu untersuchen, ob Behandlungen, die das Mikrobiom verändern, neue Wege für weniger invasive Ansätze zur Vorbeugung und Therapie von Adipositas eröffnen könnten“, sagt Witte. Ein besseres Verständnis, wie Mikrobiom, Darm und Gehirn miteinander interagieren, könnte helfen, neue Strategien zu entwickeln, um gesünderer Essgewohnheiten bei uns Menschen zu fördern.

In einer Folgestudie untersuchen Medawar und ihre Kollegen derzeit, wie sich eine längerfristige Gabe von hochdosierten Präbiotika über sechs Monate bei Menschen mit Übergewicht auf das Essverhalten, das Gehirn und auch auf das Körpergewicht auswirkt. (Gut, 2023, doi: 10.1136/gutjnl-2023-330365)

Quelle: Universität Leipzig

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