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Geowissen

Abgetauchte Vulkane lösen Erdbeben-Rätsel

Riesiges Wasserreservoir in subduziertem Vulkanplateau vor Neuseeland entdeckt

Vulkane
Vor Neuseeland wurde ein ganzes Vulkanplateau von einer Plattengrenze in die Tiefe gedrückt. Das hat Folgen bis heute. © Javier Marcos/ Getty images

Verborgenes Wasser: Vor der Küste von Neuseeland haben Geologen ein kilometertief unter der Oberfläche liegendes Wasserreservoir entdeckt – das Gestein enthält dort fast 50 Prozent Wasser. Das ist ungewöhnlich, weil Ozeankruste normalerweise eher wasserarm ist und das abgetauchte Gebiet noch dazu ein altes Vulkanplateau ist. Doch gerade diese Vulkane liefern die Erklärung für den überraschenden Wasserreichtum der Kruste – und könnten die vielen „langsamen“ Erdbeben in der Region erklären.

Vor rund 125 Millionen Jahren durchbrach der heiße Magma-Aufstrom eines Mantelplumes die Erdkruste im Südpazifik und schuf ein riesiges Vulkangebiet. Auf einer Fläche von der Größe der USA brachen damals unzählige Vulkane aus und ließen im Laufe mehrerer Millionen Jahre ein großes, meerumspültes Lavaplateau in die Höhe wachsen. Doch diese Vulkanprovinz blieb nicht lange bestehen: Nachdem die Eruptionen erloschen, versank das Hikurangi-Plateau wieder im Ozean und wurde im Laufe der Zeit von dicken Sedimentschichten überdeckt.

Hikurangi-Plateau
Lage des Hikurangi-Plateaus und der Plattengrenze. Das rote Rechteck markiert das Untersuchungsgebiet von Gase und seinem Team. © Andrew Gase

Was steckt hinter den „langsamen“ Beben?

Doch wie sich nun zeigt, hat dieses versunkene Vulkanplateau bis heute messbare Folgen. Entdeckt haben dies Andrew Gase von der University of Texas in Austin und sein Team, als sie den möglichen Ursachen wiederkehrender Beben vor der Südost-Küste von Neuseeland nachgingen. Dort kommt es entlang einer Subduktionszone alle ein bis zwei Jahre zu deutlichen Verschiebungen der beiden kollidierenden Erdplatten. Weil diese sogenannten Slow-Slip-Events jedoch nicht ruckartig, sondern eher langsam ablaufen, lösen sie nur Serien schwacher Beben aus.

Warum solche „langsamen“ Erdbeben an einigen dieser Megathrust-Verwerfungen häufiger auftreten als an anderen, ist ungeklärt. Einer Theorie nach könnte dies jedoch mit dem Wassergehalt in der nach unten gedrückten Erdplatte zusammenhängen: Wenn das Gestein beim Abtauchen unter steigenden Druck gerät, wird die Flüssigkeit herausgepresst und verändert Porendruck und Reibung zwischen den beiden Erdplatten. „Laborexperimente legen dies nahe und auch Computersimulationen“, erklärt Koautor Demian Saffer von der University of Texas.

Spurensuche in einer untergetauchten Platte

Allerdings: Normalerweise hat die basaltische Ozeankruste einen eher geringen Wassergehalt von nur wenigen Prozent. Mehr Flüssigkeit speichert sie meist nur dort, wo dicke Sedimentschichten mit in die Tiefe gedrückt werden, in deren Poren und Mineralen mehr Wasser gebunden ist. Doch an der Südostküste Neuseelands ist dies nicht der Fall, wie Gase und sein Team ermittelten. Dort ist die Sedimentauflage der untergetauchten Platte nur dünn, wie seismische Daten belegen.

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Das Forschungsteam ging daher einem anderen Verdacht nach: Könnte die vulkanische Vergangenheit des Hikurangi-Plateaus für die häufigen langsamen Beben eine Rolle spielen? Um das herauszufinden, führten die Geologen per Schiff eine neue, hochauflösende seismische Kartierung mithilfe von Schallkanonen, Meeresgrund-Seismometern und Hydrophonen durch. Zusätzlich analysierten sie Bohrkerne, die im Rahmen des internationalen Tiefbohrprogramms IODP an mehreren Stellen des subduzierten Hikurangi-Plateaus entnommen worden waren.

Krustenprofil
Seismisches Profil der Subduktionszone im Bereich des Hikurangi-Plateaus. Blaue und grüne Farben zeigen erhöhte Wassergehalte des Gesteins an.© Andrew Gase

Großes Wasserreservoir im Krustengestein

Das überraschende Ergebnis: „Unsere seismischen Daten und Bohrkerne enthüllen ein ausgedehntes und zuvor unbekanntes Fluid-Reservoir im oberen Krustenbereich des abtauchenden Hikurangi-Plateaus“, berichten Gase und seine Kollegen. In dieser rund drei Kilometer unter der Erdoberfläche liegenden Zone enthält das Gestein zwischen 31 und 47 Volumenprozent Wasser – teils in den Gesteinsporen, teils gebunden in Mineralen. „Damit ist dieses Gestein 2,1- bis 4,7-mal wasserreicher als die normale ozeanische Kruste in dieser Tiefe“, erklären die Geologen.

Doch woher kommt all dieses Wasser? Die Forschenden vermuten, dass dafür die einst auf dem Hikurangi-Plateau liegenden Vulkane eine Schlüsselrolle spielen. Die seismischen Daten enthüllten, dass auf der Oberseite der abgetauchten Erdplatte noch immer die Reste zahlreicher Vulkanschlote und Seamounts erhalten sind. Bei der Subduktion dieser Erdplatte sammelten sich große Mengen Meerwasser in dem porösen und zerbrechenden Lava- und Bimsgestein.

Vulkane als Wasserspeicher

Als das Vulkanplateau an der Subduktionszone untertauchte, blieben die wassergefüllten, porösen Gesteine an den Flanken und Rückseiten der Vulkanberge zunächst geschützt und wanderten mit in die Tiefe. Erst jetzt sind diese wasserhaltigen Gesteine so stark abgesunken, dass der steigende Druck das Wasser aus ihnen herauspresst. „Trotz des vulkanischen Ursprungs ist diese Krustenschicht dadurch ein großes Fluidreservoir, dessen Wasservolumen dem vieler Sedimentschichten in vergleichbarer Tiefe nicht nachsteht“, schreiben Gase und seine Kollegen.

Nach Ansicht der Geologen erklärt dieses Fluidreservoir auch die langsamen Erdbeben in dieser Region. „Einige Forscher haben schon länger vorhergesagt, dass große Seamounts erhebliche Fluidvolumen in Subduktionszonen transportieren können und dass dies letztlich das Verhalten der Verwerfungen und damit auch die Slow-Slip-Ereignisse beeinflusst“, erklären Gase und sein Team. „Unsere Ergebnisse bestätigen nun, dass die oberen 1,5-Kilometer der vulkanischen Kruste im Hikurangi-Plateau tatsächlich wasserreich sind.“

Auch an anderen Plattengrenzen?

Ganz ähnliches könnte ihrer Ansicht nach auch an anderen Subduktionszonen mit wenig Sediment, aber subduzierten Vulkangebieten vorkommen. Als Beispiele nennen die Forschenden den nördlichen Teil des Ryuku-Grabens vor Japan oder den Cocos-Rücken vor der Westküste Mittelamerikas. (Science Advances, 2023; doi: 10.1126/sciadv.adh0150)

Quelle: University of Texas at Austin

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