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Medizin

Therapie gegen Progerie in Sicht?

Forscher testen neuen Ansatz gegen genetisch bedingte Vergreisung

Erbkrankheit
Beim Hutchinson-Gilford-Syndrom führt ein Gendefekt zur vorzeitigen Alterung von Kindern. © Svisio/ iStock.com

Seltene Erbkrankheit: Forscher haben einen neuen Therapieansatz für Progerie entdeckt – die vorzeitige Vergreisung von Kindern. Demnach könnten bestimmte Nukleinsäuren den Schäden in den Zellen entgegenwirken und damit auch der Zeitraffer-Alterung der betroffenen Kinder. Zumindest bei Mäusen führte die Behandlung mit diesen Molekülen zu einer deutlich längeren Lebenserwartung. Doch ob diese Therapie auch beim Menschen anschlägt, ist noch unklar.

Faltige Haut, kahler Kopf und brüchige Knochen: Das gibt es nicht nur bei alten Menschen. Bei Patienten mit Progerie zeigen sich schon im Kindesalter solche Vergreisungserscheinungen. Betroffene dieser seltenen Krankheit altern im Zeitraffer und leiden wie Senioren unter typischen altersbedingten Erkrankungen – von Osteoporose bis hin zu Arterienverkalkung. Die meisten an Progerie erkrankten Kinder sterben bereits im Teenager-Alter, sie werden maximal 15 Jahre alt.

Die Ursache dieser auch als Hutchinson-Gilford-Syndrom bekannten Krankheit ist ein genetischer Defekt. Dabei führt eine Mutation zur Produktion einer fehlerhaften Variante des Lamin-A-Proteins. Dieses Strukturprotein ist wichtig für die Stabilität der Zellkernwände und spielt darüber hinaus eine wesentliche Rolle bei der Regulierung der Genaktivität und der Zellteilung.

Drogerie
Durch die Mutation kommt es bei betroffenen Kindern unter anderem zu Schäden am Zellkern. © Scaffidi P, Gordon L, Misteli T. PLoS Biology Vol. 3/11/2005, CC-by-sa 2.5

Behandlung gesucht

Bisher können Mediziner lediglich die körperlichen Beschwerden der jungen Patienten lindern. Es gibt keine Möglichkeit, die durch diesen Gendefekt ausgelöste vorzeitige Alterung zu verlangsamen oder gar aufzuhalten. „Viele Therapien haben sich in Versuchen mit Mäusen als vielversprechend erwiesen, doch am Menschen waren die Effekte dann zu gering“, erklärt Maria Eriksson vom Karolinska-Institut in Huddinge. „Wir müssen daher umdenken und neue Behandlungsansätze suchen.“

Genau das haben die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen nun getan: Für ihre Studie testeten sie die Wirkung sogenannter Antisense-Oligonukleotide. Nukleinsäuren wie diese können genutzt werden, um gezielt schädliche Gene auszuschalten und die Synthese krankheitsfördernder Proteine zu hemmen. „Solche Oligonukleotide werden bereits als Medikamente in klinischen Studien erprobt und sind zum Teil bereits zugelassen“, sagt Eriksson. Würden diese Substanzen auch bei Progerie funktionieren?

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Erste Erfolge bei Mäusen

Um dies zu überprüfen, untersuchten die Forscher zunächst Zellen erkrankter Kinder. Dabei zeigte sich: Die schützenden Endkappen der Chromosomen funktionierten nicht wie bei gesunden und es kam zur Ansammlung nicht kodierender RNA in den Telomeren. Mithilfe spezieller Antisense-Oligonukleotide ließ sich die Menge dieser RNA jedoch reduzieren. Als Folge normalisierte sich die Funktion der Zelle. Sie konnte sich besser teilen, wie das Team berichtet.

Wie wirkt sich diese Normalisierung auf den Krankheitsverlauf aus? Zumindest im Mausmodell bestätigte sich, dass sich der Zustand erkrankter Tiere durch die Behandlung verbesserte – und sich ihr Leben verlängerte. „Wir sahen einen signifikanten Anstieg sowohl in der maximalen als auch in der durchschnittlichen Lebenserwartung“, berichtet Eriksson. Erstere stieg demnach um bis zu 44, letztere um 24 Prozent.

Beteiligt auch am natürlichen Altern?

Ob sich diese vielversprechenden Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, ist allerdings noch offen. Die Wissenschaftler wollen ihren neuen Therapieansatz daher in Zukunft weiter erforschen. Dabei könnten sich auch spannende Erkenntnisse zu normalen Alterungsprozessen ergeben. Denn das auch als Progerin bekannte defekte Lamin-A kommt in geringen Mengen auch bei gesunden Menschen vor und wird mit zunehmendem Alter häufiger.

„Wie diese vergleichsweise geringen Progerin-Konzentrationen zum natürlichen Altern und altersbedingten Erkrankungen beitragen, müssen weitere Forschungsarbeiten erst noch klären“, schließt Eriksson. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-13018-3)

Quelle: Karolinska-Institut

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