Anzeige
Biologie

Bienen können „surfen“

Im Wasser gestrandete Insekten erzeugen vorwärtstreibende Wellen mit ihren Flügeln

Schwimmende Biene
Bienen erzeugen mit ihren Flügeln Wellen, auf denen sie "surfen" können. © Chris Roh und Mory Gharib / Caltech

Insekten als Wassersportler: Bienen haben ein erstaunliches Talent – sie können surfen, wie Forscher nun berichten. Landen die Insekten unfreiwillig im Wasser, erzeugen sie mithilfe komplexer Flügelbewegungen Wellen, die sie vorwärtstreiben. Auf diese Weise können sie sich aus eigener Kraft ans rettende Ufer manövrieren. Der faszinierende Mechanismus dahinter soll künftig als Vorbild für neuartige Roboter dienen.

Viele Insekten sind wohl eher für ihr akrobatisches Talent in der Luft als auf dem Wasser bekannt. Trotzdem gibt es Vertreter dieser Tierklasse, die nicht gleich untergehen, wenn sie auf einer Wasseroberfläche landen – im Gegenteil. So bewegen sich Wasserläufer, einige Wasserspinnen und auch Mücken scheinbar mühelos auf dem Nass.

Biene im Wasser
Ins Wasser gefallen: Für viele Insekten wäre dies das Ende, doch die Biene kann sich schwimmend retten – aber wie? © Caltech

Ans rettende Ufer schwimmen

Bienen können im Gegensatz dazu zwar nicht auf dem Wasser laufen. Doch sie schaffen es zumindest, mithilfe kräftiger Flügelbewegungen ans rettende Land zu schwimmen. Wie gelingt den Insekten das? Diese Frage stellte sich Chris Roh vom California Institute of Technology in Pasadena, als er eines Sommerstages eine in einem Teich gestrandete Honigbiene beobachtete.

Das Tier bewegte sich zielstrebig in Richtung Ufer – und produzierte durch die hochstehende Sonne dabei Schattenspiele auf dem Teichgrund. Sowohl der Körper der Biene als auch die durch ihre Flügelbewegungen erzeugten Wellenmuster waren dadurch gut zu erkennen. „Ich war fasziniert von diesem Verhalten und nahm die Honigbiene mit ins Labor, um mehr darüber zu erfahren“, berichtet Roh.

Wellen als treibende Kraft

Gemeinsam mit seinem Kollegen Morteza Gharib ließ er das Insekt und 32 weitere Honigbienen jeweils ein paar Minuten lang in einem mit Wasser gefüllten Behälter schwimmen. Gefiltertes Licht sorgte dabei dafür, dass wie zuvor im Teich die Wellenbewegungen im Wasser gut sichtbar wurden. Zusätzlich führten die Forscher Experimente mit einem mechanischen Flügelmodell durch, um dem Geheimnis der Schwimmkünste der Bienen genauer auf den Grund zu gehen.

Anzeige

Die Ergebnisse enthüllten: Wenn eine Biene auf dem Wasser landet, bleibt Wasser an ihren Flügeln haften und nimmt ihr die Fähigkeit zu fliegen. Sie kann mithilfe ihrer Flügel aber Wellen im Wasser generieren, die sie vorwärtstreiben. Wie Roh und Gharib feststellten, entsteht dabei ausgehend vom Hinterteil der Biene eine Welle mit hoher Amplitude und Interferenzmuster im Wasser. Auf der Wasseroberfläche direkt vor dem Insekt ist dagegen keine große Welle zu sehen.

Wie Tragflächen

Diese Asymmetrie treibt die Biene mit einer Schubkraft von 20 Mikronewton voran. „Die Bewegungen der Flügel der Biene erzeugen eine Welle, auf der sich ihr Körper fortbewegen kann“, erklärt Gharib. „Sie surft gewissermaßen gen Sicherheit.“ Konkret fungieren die Bienenflügel damit als Tragflächen, wie sie etwa von Tragflächenbooten bekannt sind. Sie heben den Bienenkörper an und machen eine schnelle Fortbewegung auf dem Wasser möglich.

Zeitlupenaufnahmen enthüllten, wie sich die Flügel der Insekten im Wasser bewegen. Demnach schlagen sie nicht einfach nur auf und ab, sondern vollführen Drehbewegungen nach unten und nach oben. Das Hochziehen der Flügel nach oben ist dabei die eigentlich entscheidende Bewegung, wie das Forscherteam berichtet – sie liefert den Schub nach vorne.

So schwimmt die Biene auf dem Wasser.© Caltech

Ganz schön anstrengend

Interessanterweise bleibt die Oberseite der Bienenflügel während dieser Bewegungen trocken, während die Unterseite am Wasser haftet. Dies gibt den Bienen den Ergebnissen zufolge zusätzliche Kraft: „Wasser ist drei Größenordnungen schwerer als Luft, weshalb es die Bienen gefangen halten kann. Gleichzeitig ist dieses Gewicht jedoch nützlich für den Antrieb“, sagt Roh. Genug Kraft, um sich aus dem Wasser zu erheben, generieren die Insekten auf diese Weise zwar nicht. Es reicht jedoch, um sich in Richtung Ufer zu manövrieren.

Diese Art der Fortbewegung ist für Honigbienen allerdings weitaus anstrengender als das Fliegen. Roh und Gharib glauben daher, dass die Insekten nur etwa zehn Minuten lang auf dem Wasser „surfen“ können – ihnen steht demnach ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung, um den Weg an Land zu finden.

Risiko im Sommer

Wie die Wissenschaftler betonen, sind die bei den Bienen dokumentierten Bewegungen im Wasser bisher einzigartig im Tierreich und könnten eine wichtige biologische Funktion erfüllen. Denn die Insekten sammeln nicht nur Pollen und Nektar. Gerade an heißen Sommertagen bringen sie auch Wasser zum Bienenstock, um die Temperatur dort auf einem erträglichen Niveau zu halten.

„Mit erhöhter Aktivität in Wassernähe steigt auch das Risiko, dass Sammlerinnenbienen auf die Wasseroberfläche fallen. Die Fähigkeit, sich selbst ans Ufer zu treiben, könnte die Überlebenschance dann deutlich verbessern“, erklären die Forscher.

Vorbild für Roboter

In Zukunft soll der Mechanismus hinter diesen rettenden Bewegungen als Vorbild für Roboter dienen. Roh und Gharib arbeiten bereits an einer kleinen Konstruktion, die sich ähnlich auf der Wasseroberfläche bewegt wie eine Honigbiene. In Anlehnung an dieses Patent der Natur könnten auch neue Roboter entstehen, die wie die Insekten beides können: fliegen und schwimmen.

„Der Antrieb der Honigbiene mit nassen Flügeln zeigt, dass das System der schlagenden Flügel ein Weg ist, um Schub sowohl in der Luft als auch auf einer Wasseroberfläche zu erzeugen“, so das Fazit des Forscherteams. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1908857116)

Quelle: California Institute of Technology/ PNAS

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

News des Tages

Mittelmeer

Umgekippte Erdplatte im Mittelmeer entdeckt

Wie Urzeit-Mikroben Wasserstoff spalteten

Neue Hoffnung für Voyager 1

Bücher zum Thema

Phänomen Honigbiene - von Jürgen Tautz

Bionik - Das Genie der Natur von Alfred Vendl und Steve Nicholls

Roboter - Unsere nächsten Verwandten von Gero von Randow

Top-Clicks der Woche