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Astronomie

Ungebundene Doppelsterne aufgespürt

Astronomen finden Dutzende aus ihrer Galaxie ausgestoßene Sternenpaare

Fornax-Galaxien
Diese Aufnahme des Chandra-Röntgenteleskops zeigt mehrere isolierte Röntgenquellen zwischen zwei Galaxien des Fornax-Galaxienhaufens. Bei einigen davon könnte es sich um ausgestoßene Doppelsterne handeln. © NASA/CXC, McGill University/X. Jin et al.

Stellare Ausreißer: Astronomen haben die bisher eindeutigsten Belege für ausgestoßene Doppelsterne entdeckt – Sternenpaare, die aus ihrer Heimatgalaxie ausgeschleudert wurden und nun ungebunden im Weltall driften. Aufgespürt haben sie die rund 30 Doppelsterne in der Konstellation Fornax mithilfe des Röntgenteleskops Chandra. Die Sternenpaare wurden höchstwahrscheinlich durch asymmetrische Supernova-Explosionen aus ihrer Bahn geworfen.

Doppelsterne sind die wahrscheinlich häufigste Sternenkonfiguration im Kosmos – selbst unsere Sonne könnte einst Teil eines Sternenpaares gewesen sein. Unter den Doppelsternen sind sowohl sonnenähnliche Sterne vertreten als auch exotischere Paare mit Weißen Zwergen, Neutronensternen oder sogar Schwarzen Löchern. Wenn diese Partner sich sehr eng umkreisen, kann es dabei zur Kollision kommen, wie Teleskop-Beobachtungen und Gravitationswellen belegen.

Ungebunden im All

Eines haben aber alle Doppelsterne gemeinsam: Normalerweise kreisen sie innerhalb einer Galaxie und sind durch ihre Schwerkraft gebunden. Doch es gibt Ausnahmen, wie unter anderem ein hyperschnell durch die Milchstraße rasender Doppelstern belegt. Astronomen vermuten, dass dieses Sternenpaar einst aus einer fremden Galaxie ausgeschleudert wurde. Ob dies aber eine seltene Ausnahme ist oder häufiger vorkommt, blieb bislang unklar.

Weitere Fälle solcher stellaren Exilanten haben nun Astronomen um Xiangyu Jin von der chinesischen Nanjing Universität und der McGill University in Kanada aufgespürt. Für ihre Studie hatten sie Daten des Chandra-Röntgenteleskops ausgewertet, die das Teleskop bei der Beobachtung des rund 60 Millionen Lichtjahre entfernten Fornax-Galaxienhaufen erstellt hat. Dabei suchten die Forscher gezielt nach Röntgenquellen, die außerhalb der einzelnen Galaxien lagen.

34 intergalaktische Paare

Und tatsächlich: Die Astronomen entdeckten rund 180 Röntgenquellen, die frei zwischen den Galaxien lagen. „Das ist nach dem Virgo-Galaxienhaufen erst der zweite eindeutige Beleg für die Präsenz solcher intergalaktischen Röntgenquellen in einem Cluster „, so die Forscher. Nähere Analysen ergaben, dass rund 30 dieser Lichtpunkte von Röntgen-Doppelsternen stammen müssen – Paaren aus einem normalen Stern und einem Neutronenstern.

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Röntgen-Doppelstern
Illustration eines Röntgen-Doppelsterns aus einem Neutronenstern (links) und einem normalen Stern. © NASA/ESA

In diesen Systemen zieht der Neutronenstern Materie von Partnerstern ab und es entsteht eine schnell rotierende, Röntgenstrahlung aussendende Materiescheibe. Die Signatur dieser strahlenden Scheiben haben die Forscher nun im intergalaktischen Raum des Fornax-Clusters entdeckt. Vergleiche mit Beobachtungsdaten im optischen Licht bestätigten, dass es sich bei diesen Quellen tatsächlich um ausgestoßene Doppelsterne handelt.

„Statt an eine bestimmte Galaxie gebunden zu sein, existieren diese Sternenpaare frei zwischen den Galaxien“, erklärt Jins Kollege Meicun Hou.

Sternexplosion als „Katapult“

Doch was hat diese Doppelsterne aus ihrer galaktischen Heimat verstoßen? Die Astronomen vermuten, dass eine asymmetrische Supernova-Explosion dabei eine Rolle spielte. Als der Vorläuferstern des Neutronensterns explodierte, wurden Gase und Materie vor allem in eine Richtung ausgeschleudert. Als Folge katapultierte der Rückstoß nicht nur den Sternenrest aus seiner Bahn, sondern auch seinen Begleiter.

„Das ist wie ein Gast, der gebeten wird, eine Party zu verlassen – und dabei seinen randalierenden Freund gleich mitnimmt“, erklärt Jin. „Der Begleitstern wird ebenfalls aus der Galaxie katapultiert, weil er im Orbit um einen Stern kreist, der in einer Supernova explodiert.“ Ist die Beschleunigung dabei größer als die Fluchtgeschwindigkeit der Wirtsgalaxie, kann der Doppelstern die Schwerkraft der Galaxie überwinden und sie verlassen.

Es gibt noch mehr

Vermutet haben die Astronomen solche Ausstoß-Prozesse zwar schon länger. Die Beobachtung der freien Röntgen-Doppelsterne im Fornax-Haufen liefern nun jedoch einen der bisher deutlichsten Belege dafür. „Wir waren begeistert über unsere Entdeckung“, sagt Jins Kollege Zhiyuan Li. „Unsere Daten sprechen dafür, dass es noch viele weitere von diesen ausgestoßenen Doppelsternen gibt.“ Um diese schwächer leuchtenden Exilanten zu finden, seien aber längere Beobachtungszeiten mit dem Röntgenteleskop nötig. (The Astrophysical Journal, 2019: doi: 10.3847/1538-4357/ab064f)

Quelle: Chandra X-Ray Center

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