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Astronomie

Milchstraße hat gigantische „Schornsteine“

Röntgen-Teleskop enthüllt Präsenz von gigantischen Plasma-Schloten am Galaxienzentrum

Milchstraßen -Schornsteine
Vom Milchstraßenzentrum ragen zwei Plasma-"Schornsteine" (Kasten) bis zu den rätselhaften Fermi-Blasen – sie transportieren enorme Mengen Energie nach außen. © ESA/XMM-Newton, G. Ponti et al. 2019, ESA/Gaia/DPAC, CC-by-sa 3.0 IGO

Galaktische Abgasventile: Astronomen haben zwei gigantische „Schornsteine“ aus glühendem Plasma am Zentrum der Milchstraße entdeckt. Diese rund 500 Lichtjahre langen Zylinder aus heißem Gas sind nur im Röntgenlicht sichtbar und scheinen Energie vom Galaxienzentrum bis zu den rätselhaften Fermi-Blasen zu transportieren. Diese „Schornsteine“ bilden damit das Bindeglied zu diesen noch größeren Gammastrahlen-Gebilden, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Das Zentrum der Milchstraße wird von zwei gewaltigen Blasen aus energiereicher Gamma- und Röntgenstrahlung eingerahmt. Diese Fermi-Blasen ragen rund 50.00 Lichtjahre nach oben und unten aus der Galaxienebene hinaus. In diesen Gebilden rasen heiße Gase mit enormem Tempo ins All hinaus – möglicherweise ausgeschleudert vom letzten großen Ausbruch des zentralen Schwarzen Lochs unserer Milchstraße. Unmittelbar am galaktischen Zentrum existieren zudem zwei viel kleinere, nur etwa 50 Lichtjahre große Röntgen-Auswölbungen – möglicherweise Spuren schwächerer Ausbrüche.

„Schornsteine“ am Galaxienzentrum

Seltsam nur: Die riesigen Fermi-Blasen schienen keinen direkten Kontakt zum Milchstraßenzentrum oder dessen kleinen Auswölbungen zu haben – dazwischen klafft eine Lücke von rund 320 Lichtjahren. Doch nun haben Gabriele Ponti vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und ihr Team das fehlende Bindeglied entdeckt. Für ihre Studie richteten sie das ESA-Röntgenteleskop XMM-Newton gezielt auf das galaktische Zentrum und die vermeintliche Lücke und werteten 750 Stunden an Beobachtungsdaten aus.

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Form, Lage und Größe der Milchstraßen-"Schornsteine". © ESA/XMM-Newton, G. Ponti et al. 2019, ESA/Gaia/DPAC, CC-by-sa 3.0 IGO CC-by-sa 3.0 IGO

Das überraschende Ergebnis: In der Lücke gibt es doch etwas. „Wir haben prominente Röntgenstrukturen über und unter der Milchstraßenebene gefunden, die die Region des galaktischen Zentrums mit den Fermi-Blasen zu verbinden scheinen“, berichten die Forscher. Diese von ihnen „Schornsteine“ getauften Strukturen sind zylinderförmig, stehen fast genau senkrecht über den zentralen Schwarzen Loch und sind rund 500 Lichtjahre lang.

Abgasventile der Milchstraße

Damit ragen die neuentdeckten Röntgen-„Schornsteine“ bis in die Fermi-Blasen hinein. „Wir vermuten, dass diese Schornsteine eine Art Abgasventile für die im Zentrum der Galaxie freigesetzte Energie sind“, sagt Koautor Mark Morris von der University of California in Los Angeles. Diese Energie in Form heißen Plasmas strömt dann bis in die Fermi-Blasen hinein. Den Röntgendaten zufolge ist das gasförmige Plasma in diesen Schornsteinen rund acht Millionen Kelvin heiß und enthält rund fünfmal mehr Energie als die kleinen Auswölbungen am Milchstraßenzentrum.

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Die Astronomen vermuten, dass die Dichte und Energie dieser Plasma-Schornsteine früher sogar noch größer gewesen sein könnten. „Die Schornsteine könnten durch heftige Ausströme bei vergangenen Ereignissen geschaffen worden sein und das galaktische Zentrum mit dem Halo verbinden“, so Ponti und ihre Kollegen. „Damals könnten sie substanziell mehr Energie transportiert haben als die heute angestrahlte residuale thermische Energie.“

Schwarzes Loch oder Sternexplosionen?

Wodurch allerdings das heiße Plasma aus der Milchstraßen-Ebene ausgeschleudert wurde, ist bislang unklar. Einer Hypothese zufolge waren Supernovae massereicher Sterne im galaktischen Zentrum die Quelle für Material und Energie der Schornsteine und Fermi-Blasen. Eine andere Hypothese sieht dagegen das massereiche Schwarze Loch als Hauptakteur in diesem Geschehen. Immer wenn Sagittarius A* demnach Gaswolken oder Sterne verschluckt, schleudern seine Ausbrüche energiereiches Plasma ins All hinaus.

Welches dieser Szenarien zutrifft, bleibt vorerst offen. Doch die Astronomen erhoffen sich von der Antwort auch wertvolle Aufschlüsse auf grundlegende Prozesse bei der Entwicklung von Galaxien. „Wir wissen, dass Ausströme und Winde von Material und Energie entscheidend dafür sind, die Form einer Galaxie im Laufe der Zeit zu formen und zu verändern“, sagt Ponti. „Sie sind Schlüsselfaktoren dafür, wie Galaxien und andere Strukturen sich überall im Kosmos bilden und entwickeln.“ (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1009-6)

Quelle: ESA, University of California – Los Angeles.

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