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Klima

Deutschland verfehlt Klimaziele

Emissionslimit für 2030 könnte um 331 Millionen Tonnen überschritten werden

Emissionen
Trotz einiger Fortschritte emittiert Deutschland immer noch zu viele Treibhausgase in die Atmosphäre. © hansenn/ iStock

Klimaschutz-Fail: Nach aktuellem Stand wird Deutschland an seinen selbstgesteckten Klimazielen scheitern, wie der neueste Projektionsbericht des Umweltbundesamtes zeigt. Demnach werden wir bis zum Jahr 2030 nur 63 statt 65 Prozent weniger CO2 ausstoßen als noch im Jahr 1990. Das entspricht einem Zuviel von bis zu 331 Millionen Tonnen Treibhausgasen. Besonderen Nachholbedarf sieht das Umweltbundesamt bei Emissionsminderungen in den Bereichen Verkehr und Gebäude.

Alle zwei Jahre veröffentlicht das Umweltbundesamt einen Projektionsbericht, in dem es die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2030 vorhersagt. Der Bericht soll der Politik als Orientierung beim Beschließen neuer Maßnahmen dienen und ihr dabei helfen, die selbstgesteckten Klimaziele zu erfüllen. Konkret will Deutschland bis zum Jahr 2030 insgesamt 65 Prozent weniger CO2 emittieren als noch 1990. Bis 2045 soll das gesamte Land sogar gänzlich klimaneutral sein.

Zwei Zukunftsszenarien

Für den Blick in die Zukunft ist ein Expertengremium verschiedener deutscher Forschungseinrichtungen zuständig. Es orientiert sich bei seinen Projektionen an aktuellen Daten zu fossilen Brennstoffen und Emissionen und rechnet diese dann zusammen mit verschiedenen Rahmendaten wie der Bevölkerungsentwicklung oder dem CO2-Preis bis 2030 hoch.

Am Ende entstehen so zwei verschiedene Zukunftsszenarien: ein Mit-Maßnahmen-Szenario (MMS), das alle politischen Maßnahmen berücksichtigt, die bis zum 31. August 2022 beschlossen wurden, und ein Mit-Weiteren-Maßnahmen-Szenario (MWMS), das alle geplanten Instrumente und Maßnahmen enthält, die eine realistische Chance haben, in naher Zukunft verabschiedet zu werden.

Emissions-Minderungen zu gering

Im aktuellen Projektionsbericht 2023 stellt das Expertengremium der Politik allerdings ein schlechtes Zeugnis aus. Zwar habe Deutschland in den vergangenen zwei Jahren schon deutliche Fortschritte gemacht, doch die werden zur Erfüllung der Klimaziele nicht ausreichen, so der Report. Die Hochrechnung zeigt: Mit den aktuell beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen würde Deutschland bis 2030 nur 63 statt 65 Prozent Treibhausgase im Vergleich zu 1990 einsparen. Und somit knapp an seinem selbstgesteckten Klimaziel vorbeischrammen.

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Auf den ersten Blick wirkt diese geringe Diskrepanz, als sei sie zu vernachlässigen, doch in der Realität entspricht sie einem Überschuss von bis zu 331 Millionen Tonnen Treibhausgasen. Selbst wenn die Regierung zeitnah weitere Maßnahmen beschließt (MWMS-Szenario), schrumpft der Überschuss auf 194 Millionen Tonnen, wird aber nicht beseitigt, wie die Wissenschaftler berichten.

Klimaneutralität so nicht erreichbar

Auch von einer Klimaneutralität im Jahr 2045 ist Deutschland laut Projektionsbericht noch weit entfernt. Mit den aktuell beschlossenen Maßnahmen würden auch im Jahr 2045 noch 212 Millionen Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen und selbst mit weiteren Maßnahmen wären es noch 157 Millionen Tonnen.

Damit gehört Deutschland zu den nicht gerade wenigen Industrieländern, die nicht einmal ihre im Rahmen des Pariser Klimaabkommens eingereichten freiwilligen Selbstverpflichtungen zum Klimaschutz einhalten werden. Laut einer Studie des UN-Umweltprogramms (UNEP) vom Oktober 2022 sind die G20-Mitglieder kollektiv nicht auf Kurs, um ihre aktuellen Klimaziele zu erreichen. Unter anderem dadurch steuert die Welt aktuell auf eine Erwärmung von rund 2,8 Grad zu.

Nachholbedarf bei Verkehr und Gebäuden

Die größten deutschen Sorgenkinder sind laut Projektionsbericht die Verkehrswirtschaft und der Gebäudesektor. Den aktuellen Hochrechnungen zufolge wird der Verkehrssektor seine Emissionsziele bis 2030 konsequent jedes Jahr verfehlen. Das führen die Autoren vor allem auf einen Mangel an E-Autos zurück. Werden keine weiteren Maßnahmen beschlossen, um die Emissionen des Verkehrssektors zu minimieren, baut allein dieser Bereich bis zum Jahr 2030 einen Überschuss von 210 Millionen Tonnen Treibhausgasen auf.

Hinzu kommt der Überschuss des Gebäudesektors, der zwischen 34 und 96 Millionen Tonnen liegen wird. Um diesen Bereich auf Kurs zu bringen, müsste ein Großteil der neueingebauten Heizungen klimafreundlich arbeiten. In Frage kämen zum Beispiel Wärmepumpen oder Fernwärme.

Energie und Industrie stemmen Löwenanteil

Deutlich besser auf Kurs sind hingegen die Energiewirtschaft und die Industrie. „Weiterhin trägt die Energiewirtschaft am stärksten zu den Emissionsreduktionen bei“, berichtet Co-Projektleiterin Hannah Förster vom Öko-Institut. Der vorgezogene Kohleausstieg und der starke Ausbau der erneuerbaren Energien sorgen dafür, dass der Energiesektor sein Emissionslimit bis 2030 sogar um 37 Millionen Tonnen unterschreiten wird und sein sektorspezifisches Klimaziel somit „übererfüllt“.

Auch die Industrie wird ihre Emissionen bis 2030 deutlich verringern. Je nachdem, ob weitere Maßnahmen ergriffen werden, könnte sie die vorgegebenen Klimaziele knapp verfehlen oder sie erreichen.

Bisherige Fortschritte reichen nicht

„Im Vergleich zum letzten Projektionsbericht von 2021 sehen wir zwar deutliche Verbesserungen, die vor allem auf den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und den vorzeitigen Kohleausstieg zurückgeführt werden können,“ resümiert Co-Projektleiter Ralph O. Harthan vom Öko-Institut, „dennoch muss die Bundesregierung weitere Schritte unternehmen, um die Lücke bis 2045 zur Netto-Null bei den klimaschädlichen Treibhausgasemissionen zu schließen.“ (Projektionsbericht 2023 für Deutschland

Quelle: Öko-Institut e. V. – Institut für angewandte Ökologie

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