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Materialforschung

Wahre Form des Lithiums aufgedeckt

Ohne Korrosion bildet metallisches Lithium verblüffend regelmäßige Dodekaeder

Lithiumkristalle
Wenn metallisches Lithium ungestört auskristallisieren kann, bildet es zwölfseitige Kristalle – Dodekaeder. © Li Lab/ UCLA

Überraschend geordnet: Forscher haben erstmals beobachtet, welche Form Lithiumatome annehmen, wenn sie sich ohne die sonst übliche Korrosion ablagern. Das Alkalimetall bildet demnach erstaunlich regelmäßige Dodekaeder. Diese geordneten Kristalle entsprechen zwar theoretischen Vorhersagen, bisher konnten aber immer nur vier andere, unregelmäßige Formvarianten beobachtet werden, wie das Team in „Nature“ berichtet. Praktischen Nutzen könnte diese Erkenntnis auch für Lithium-Metall-Batterien haben.

Lithium ist hochreaktiv: Das Alkalimetall läuft normalerweise so schnell an, dass es sich sofort mit einer weißlichen Schicht aus Lithiumhydroxid und Lithiumnitrid überzieht. Diese Korrosion findet auch bei der elektrochemischen Ablagerung des Elements auf Oberflächen statt – beispielsweise auf den Elektroden eines Lithium-Metall-Akkus. Dort bildet sich durch Reaktion mit dem Elektrolyten eine wachsende Schicht metallischen Lithiums an der Anode, die sogenannte Solid Elektrolyte Interphase (SEI).

Ablagerungsformen des Lithiums
Neuentdeckte Dodekaeder-Form des Lithiums (oben) und die vier bisher bekannten Formvarianten: Filamente, Säulen, Nanostäbchen und Klumpen. © Li Lab/ UCLA

Säulen, Nadeln und unregelmäßige Klumpen

Das Problem: Die wachsende SEI-Schicht kann spitze Lithium-Nadeln bilden, die die Separatormembran zwischen den Elektroden durchstoßen und den Akku dadurch kurzschließen. Dadurch überstehen Lithium-Metall-Batterien bisher nur wenige Ladezyklen und sind daher trotz hoher Energiedichte noch nicht für Anwendungen wie die Elektromobilität nutzbar. Bisher versucht man, die Dendritenbildung durch Schutzschichten oder spezielle Elektrolyten zu verhindern.

Allerdings blieb unklar, warum das Lithium solche Nadeln bildet und wann stattdessen Klumpen, verzweigte Säulen oder Stäbchen entstehen. „Seit fast einem halben Jahrhundert versucht man, die Lithiummetall-Morphologie zu kontrollieren. Aber dies wird durch die Verbindung der Elektrodeposition mit der SEI-Bildung erschwert“, erklären Xintong Yuan von der University of California in Los Angeles und seine Kollegen.

Kristallisation im Elektronenmikroskop

Um mehr Einblick in diesen Prozess zu erhalten, haben die Forscher eine neue Methode für die elektrochemische Abscheidung entwickelt. „Wir wollten sehen, ob wir das Lithium so schnell ablagern können, dass wir der Reaktion zuvorkommen, die den störenden Korrosionsfilm erzeugt“, erklärt Yuan. „Auf diese Weise könnten wir dann sehen, welche Form das Lithium in Abwesenheit dieses SEI-Films annimmt.“

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Für ihr Experiment nutzten die Wissenschaftler das Kupfernetz eines Transmissions-Elektronenmikroskops als Substrat und Elektrode zugleich. Dies ermöglichte es ihnen, die durch Ablagerung des Lithiums aus einer Lösung entstandenen Kristallformen direkt mittels Cryo-Elektronenmikroskopie zu beobachten und gleichzeitig für eine schnelle Stromzufuhr zu sorgen. Die Elektrodeposition wiederholte das Team mehrfach mit verschiedenen Stromstärken und vier verschiedenen Elektrolyten.

Lauter winzige Dodekaeder

Das überraschende Ergebnis: Das Lithium bildet beim Ablagern keine der bisher bekannten vier Formvarianten, sondern eine fünfte – es entstanden winzige rhombische Dodekaeder – zwölfseitige Monokristalle ähnlich den Würfeln früherer Rollenspiele. „Es gibt tausende von Veröffentlichungen über metallisches Lithium und fast alle beschreiben die Struktur als säulenartig oder klumpig“, sagt Yuangs Kollege Yuzhang Li. „Es war daher eine überraschende Entdeckung, dass Lithium in Abwesenheit von Oberflächenkorrosion nur solche Polyeder bildet.“

Gleichzeitig entspricht diese regelmäßige Dodekaederform der thermodynamisch stabilen form deponierten Lithiums: „Diese klar erkennbare rhombische Dodekaederform passt genau zu den theoretischen Vorhersagen“, erklären die Wissenschaftler. „Damit enthüllt unser Experiment die fundamentale Form, die metallisches Lithium annimmt, wenn es nicht durch SEI beeinflusst wird.“

Unabhängig von Elektrolyt und Substrat

Überraschend auch: Entgegen den Erwartungen bildeten sich diese Lithium-Dodekaeder bei allen getesteten Elektrolyten und bei hohen Spannungsdichten, wie die Experimente ergaben. „Damit widersprechen unsere Resultate gleich zwei lange bestehenden Axiomen zur Lithium-Elektrodeposition“, konstatieren die Forscher. Demnach müssten hohe Spannungsdichten eigentlich das Wachstum von Lithium-Dendriten fördern, zum anderen sollte die Wahl des Elektrolyten die Morphologie der Lithiumablagerungen beeinflussen.

Beide Annahmen treffen jedoch offensichtlich nicht zu. Stattdessen kristallisiert das Lithium, sofern es sich schnell genug und damit ungestört von der Korrosion ablagert, bevorzugt in Form der dodekaedrischen Kristalle. Dies geschieht dann unabhängig von Elektrolyt und Unterlage, wie die Experimente belegten. Die winzigen Dodekaeder entstanden sowohl auf Unterlagen aus lithiumaffinen Materialien wie Gold oder Silber als auch auf lithiumabweisenden Elementen wie Kupfer oder Kohlenstoff.

Hilfreich auch für Lithium-Metall-Akkus

Nach Ansicht von Yuang und seinem Team eröffnen ihre Erkenntnisse auch neue Möglichkeiten, das unerwünschte Dendritenwachstum in Lithium-Metall-Akkus besser zu kontrollieren. „Jetzt, wo wir die wahre Form des Lithiums kennen, stellt sich die Frage, wie wir es so beeinflussen können, dass es Dodekaederwürfel bildet“, sagt Yuang. In ersten Versuchen haben die Forscher bereits herausgefunden, dass schon die Präsenz einiger Dodekaederkristalle reicht, um als Nukleationskeime für weitere zu dienen.

Ob und wie sich dies praktisch in Lithium-Metall-Akkus nutzen lässt, müssen nun weitere Forschungen zeigen. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06235-w)

Quelle: California NanoSystems Institute

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