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Paläontologie

Was fraßen junge Tyrannosaurier?

75 Millionen Jahre altes Jungtier mit versteinertem Mageninhalt entdeckt

Gorgosaurus
Junge Gorgosaurier jagten deutlich kleinere Beute als ihre erwachsenen Artgenossen. © Künstler: Julius Csotonyi; Copyright: Royal Tyrrell Museum of Palaeontology

Altersgerechte Snacks: T. rex und Co. entwickelten sich offenbar erst im Laufe ihres Lebens zum Spitzenprädator. Je nach Lebensabschnitt besetzten die Tyrannosaurier nacheinander verschiedene ökologische Nischen, wie das 75 Millionen Jahre alte Fossil eines Jungtiers samt Mageninhalt nun bestätigt. Der sechsjährige Gorgosaurus jagte demnach noch kleine Dinosaurier und wäre erst im Alter von rund elf Jahren zur Jagd auf größere Pflanzenfresser übergegangen, wie die Paläontologen in „Science Advances“ berichten.

T. rex und andere große Tyrannosauriden waren die Spitzenprädatoren der Kreidezeit. Mit bis zu zwölf Meter Länge und sechs Tonnen Gewicht sowie kräftigen Kiefern und Zähnen konnten sie selbst tonnenschwere, gepanzerte Beute wie den Triceratops reißen. Doch bis ein Tyrannosaurier groß genug war, um derartige Jagderfolge zu erzielen, vergingen viele Jahre. Was fraß er also als Jungtier und Halbstarker? Bediente er sich an den Kadavern, die erwachsene Rudelmitglieder rissen? Oder war er gänzlich auf sich allein gestellt und erlegte jene Tiere, denen er zum jeweiligen Zeitpunkt seines Lebens buchstäblich gewachsen war?

Ein Räuber, viele Nischen

Letzteres würde bedeuten, dass Tyrannosauriden im Laufe ihres Lebens verschiedene ökologische Nischen besetzten. Ähnliches ist auch bei großen modernen Reptilien wie Komodowaranen und Krokodilen zu beobachten. Die Tyrannosaurier-Jungtiere hätten sich demnach zunächst von kleiner Beute ernährt, während sich die Halbstarken bereits an mittelgroße Tiere heranwagten und die ausgewachsenen Raubsaurier es dann schließlich mit Triceratops und Co. aufnahmen.

Für diese Hypothese spricht auch, dass es in vielen Tyrannosaurier-Gebieten so gut wie keine fossilen Überreste von mittelgroßen Räubern gibt. Es wäre daher denkbar, dass es jugendliche Tyrannosaurier waren, die diese Nische einst besetzten. Sie hätten dann andere Raubsaurier-Arten mit einem ähnlichen Beutespektrum verdrängt.

Gorgosaurus Fossil
Der junge Raubsaurier verschlang ausschließlich die Beine seiner Beute (rot markiert). © Royal Tyrrell Museum of Palaeontology

Erstmals Jungtier mit Mageninhalt entdeckt

Ein weiteres Indiz dafür ist, dass sich das Aussehen von Tyrannosauriden im Laufe ihres Lebens stark veränderte und je nach Lebensabschnitt zu unterschiedlichen Beutetieren passte. „Die Jungtiere waren grazil mit schmalen Schädeln und langen, schlanken Hintergliedmaßen, während die erwachsenen Tiere mit massiven Schädeln und großen Zähnen in der Lage waren, knochenbrechende Bisse auszuführen“, beschreiben Paläontologen um François Therrien vom Royal Tyrrell Museum of Palaeontology im kanadischen Alberta.

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Doch trotz dieser vielfältigen Indizien gab es bislang keine eindeutigen fossilen Beweise für die Hypothese des altersabhängigen Nischenwechsels. Der Fund eines jungen Gorgosaurus libratus in der kanadischen Dinosaur Park Formation könnte dies nun allerdings ändern. Denn als dieser mit dem T. rex verwandte Räuber vor etwa 75,3 Millionen Jahren starb, befanden sich noch Reste seiner letzten Mahlzeit in seinem Magen. Dieser Gorgosaurus verrät somit als erster Fossilienfund „aus erster Hand“, wie die Ernährung junger Tyrannosauriden einst aussah.

Gorgosaurus mit Beute
Der Gorgosaurus im Größenvergleich mit seiner Beute© Künstler: Julius Csotonyi; Copyright: Royal Tyrrell Museum of Palaeontology

Altersgerechte Snacks

Konkret entdeckten Therrien und sein Team im Magen des fünf bis sieben Jahre alten Gorgosaurus die zusammenhängenden Hinterbeine zweier Mini-Pflanzenfresser. Beide gehören der Art Citipes elegans an und waren zum Zeitpunkt ihres Todes wahrscheinlich nicht einmal ein Jahr alt. Die Paläontologen schätzen sie auf ein Gewicht von neun bis zwölf Kilogramm, den Gorgosaurus auf 335 Kilogramm. Das klingt zwar gewaltig, doch damit war der Raubsaurier immer noch deutlich kleiner als seine rund 2,5 Tonnen schweren erwachsenen Artgenossen.

Da sich die geringe Größe des jungen Gorgosaurus offensichtlich auch auf seine Speisekarte ausgewirkt hat, gehen die Paläontologen davon aus, dass Tyrannosauriden wie er und T. rex im Laufe ihres Lebens tatsächlich unterschiedliche Nischen besetzten. Sie hätten demnach nicht an der von erwachsenen Rudelmitgliedern gerissene Beute mitgefressen, sondern selbst für sich gesorgt. Noch ist ohnehin unklar, ob Gorgo- und Tyrannosaurier überhaupt in Rudeln oder doch allein lebten.

So oder so könnte der altersbedingte Nischenwechsel ihnen aber große Vorteile gebracht haben: „Eine solche Umstellung der Ernährung könnte es ermöglicht haben, dass junge und erwachsene Tyrannosaurier im selben Ökosystem mit begrenzten Konflikten koexistierten“, erklären Therrien und seine Kollegen. Sie vermuten, dass der junge Gorgosaurus ab einem Gewicht von rund 600 Kilogramm schließlich damit angefangen hätte, auch großer Beute nachzustellen. Das entspricht einem geschätzten Alter von elf Jahren.

Keule statt Brust

Anhand des besonderen Fossils konnten die Forschenden außerdem mehr über die Fressgewohnheiten junger Gorgosaurier lernen. Da sich im Magen des Räubers lediglich die Beine der Citipes-Jungtiere befanden, gehen sie zum Beispiel davon aus, dass der Raubsaurier nicht den gesamten Kadaver verzehrte, sondern diesen selektiv zerlegte. Dass der Gorgosaurus sich dabei ausgerechnet für die Hinterbeine entschied, hängt wahrscheinlich mit ihrem hohen Muskelanteil zusammen, der sie besonders nahrhaft macht, wie Therrien und sein Team erklären. Auch heutige Krokodile würden beim Fressen ihrer Beute ähnlich vorgehen.

Die Schwere der Magensäure-Verätzungen an den Beinknochen verrät den Paläontologen außerdem, dass zwischen den beiden „Snacks“ des Gorgosaurus wahrscheinlich nur Stunden bis Tage lagen. Insgesamt verbrachten beide Citipes-Dinosaurier allerdings nicht einmal eine Woche im Magen des Tyrannosauriden. Denn dann starb dieser aus bislang unbekanntem Grund. (Science Advances, 2023; doi: 10.1126/sciadv.adi0505

Quelle: American Association for the Advancement of Science (AAAS)

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