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Physik

Erste Quantenbits aus Molekülen

Kontrollierte Verschränkung von Molekülen liefert Basis für neuartige Quantencomputer

Laserlabor
Mithilfe dieser Anordnung von Lasern und Linsen ist es Physikern gelungen, erstmals einzelne Moleküle miteinander zu verschränken und sie zu Quantenbits zu machen. © Richard Soden/ Princeton University

Doppelter Durchbruch: Zwei Physikerteams ist es erstmals gelungen, Moleküle miteinander zu verschränken und zu kontrollierbaren Quantenbits zu machen. Die ultrakalten Calciummonofluorid-Moleküle wurden dafür einzeln in Laserpinzetten festgehalten und manipuliert. Auch ein erster molekularer Quantenschaltkreis aus zwei Qubit-Paaren gelang, wie die Forschenden in „Science“ berichten. Die Nutzung von Molekülen als Qubits erweitert die Möglichkeiten von Quantencomputern, aber auch anderen Quanten-Anwendungen.

Die quantenphysikalischen Zustände der Überlagerung und Verschränkung bilden die Basis für das Rechnen mit Quantencomputern, aber auch für die Quantenkommunikation und weitere Anwendungen. Bisher bestehen die als Recheneinheiten genutzten Qubits meist aus supraleitenden Ladungspunkten oder Ionen. Auch verschränkte Photonen und Atome kommen als quantenphysikalische Informationsträger zum Einsatz.

Warum molekulare Qubits so spannend sind

Doch ein wichtiger Kandidat für künftige Qubits fehlte bisher: Moleküle. Weil sie komplexer sind und mehr Quantenzustände annehmen können als ein Atom, Photon oder Ion, gelten sie als besonders vielversprechende Plattform für künftige Quantenanwendungen. „Ein Molekül kann beispielsweise auf verschiedene Weise vibrieren und rotieren“, erklärt Connor Holland von der Princeton University. Polare Moleküle mit internen Ladungsunterschieden können zudem besonders stabile Interaktionen eingehen.

Molekulare Qubits könnten daher vielseitig und dennoch stabil sein. Das Problem jedoch: Weil Moleküle komplexer sind, lassen sie sich schlechter kontrollieren und in die nötige Überlagerung und Verschränkung bringen. Es ist zudem erst vor Kurzem gelungen, polare Moleküle überhaupt so weit herunterzukühlen, dass ihre Quantenzustände kontrollierbar werden.

Calciumfluorid, optische Pinzetten und Mikrowellenpulse

Jetzt haben es gleich zwei Forschungsteams geschafft, erstmals Moleküle kontrolliert miteinander zu verschränken und zu Qubits zu machen. Beide Teams, eines um Holland, das zweite um Yicheng Bao von der Harvard University, nutzten dafür Calciummonofluorid (CaF), ein einfaches, polares Molekül. Mithilfe der Laserkühlung brachten sie diese Moleküle zunächst bis auf Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt.

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optische Pinzette
Eine optische Pinzette funktioniert, weil physikalischen Gradienten im fokussierten Laserstrahl das Atom festhalten. © Roland Koebler/ CC-by 3.0

Dann speisten die Physiker die ultrakalten Moleküle in ein Ensemble aus nebeneinander liegenden, durch wenige Mikrometer Abstand getrennten optischen Fallen ein. Diese Laserpinzetten bestehen aus fokussierten Laserstrahlen, deren interner Strahlungsgradient wie eine Falle für kleine Teilchen wirkt. Jede dieser Pinzetten hielt ein CaF-Molekül fest, wodurch sie eine geordnete Reihe bildeten. Im nächsten Schritt nutzten die Forschenden Mikrowellen-Pulse, um alle Moleküle in definierte Rotationszustände zu bringen – das Äquivalent zur digitalen Null oder Eins.

Schließlich folgte der entscheidende Schritt: Durch eine weitere Serie von gezielten Mikrowellenpulsen verschränkten die Physiker jeweils zwei benachbarte CaF-Moleküle miteinander. Ihre Rotationszustände waren dadurch quantenphysikalisch so gekoppelt, dass eine Veränderung des einen Moleküls automatisch auch eine Veränderung beim zweiten auslöst. Mithilfe des sogenannten Bell-Tests ließ sich dieser kohärente Zustand in beiden Experimenten nachweisen. Bao und sein Team erreichten dabei 89 Prozent Zuverlässigkeit, Holland und sein Team bis zu 95 Prozent.

„Durchbruch von fundamentaler Bedeutung“

Erstmals ist es damit gelungen, Moleküle kontrolliert miteinander zu verschränken und ihren Zustand dabei gezielt zu manipulieren. „Dies ist ein Durchbruch mit fundamentaler Bedeutung für die Quantenverschränkung“, sagt Seniorautor Lawrence Cheuk von der Princeton University. „Moleküle in der Quantenforschung einzusetzen, ist Neuland und unsere Demonstration einer molekularen On-Demand-Verschränkung ist ein Schlüsselschritt. Er demonstriert, dass Moleküle als Plattform für die Quantenphysik genutzt werden können.“

Den Physikern gelang es bereits, mithilfe ihrer verschränkten Moleküle erste logische Schaltkreise in Form eines sogenannten iSWAP-Gate aufzubauen. In diesem kehrt der Zustandswechsel eines Qubit-Paares den des anderen um. Diese einfache Form eines Zwei-Qubit-Quantenschaltkreises bildet die Basis für unterschiedlichste Quantenoperationen. „Im Prinzip reicht ein solches iSWAP-Gate aus, um einen universellen Satz von Quantenschaltkreisen für Quantencomputer aufzubauen“, erklärt der nicht an den Studien beteiligte Quantenphysiker Augusto Smerzi vom QSTAR-Institut in Florenz.

Neue Möglichkeiten für Quantenanwendungen

Nach Ansicht von Holland, Bao und ihren Teams eröffnet die gezielte Verschränkung von Molekülen in optischen Pinzetten neue Möglichkeiten für Quantencomputer und weitere Quantenanwendungen. „Es ist ein Durchbruch auch für die praktische Anwendung, denn verschränkte Moleküle können die Grundbausteine für viele zukünftige Anwendungen bilden“, sagt Cheuk. Die Spanne reiche dabei von Qubits und Quantenkommunikation über Quantensensoren bis zu neuen Formen der Spektroskopie und Messtechnik.

“Die jetzt demonstrierte Verschränkung und Manipulation von individuell kontrollierten Molekülen ebnet den Weg zur Entwicklung neuer, vielseitiger Plattformen für die Quantentechnologie“, konstatiert auch Smerzi in einem begleitenden Kommentar in „Science“. Beide Physikerteams gehen zudem davon aus, dass eine weitere Optimierung der Kühlung die molekularen Qubits noch stabiler und langlebiger machen wird. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.adf4272; doi: 10.1126/science.adf8999)

Quelle: Science, Princeton University

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