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Zoologie

Was bestimmt das Geschlecht der Bienen?

Rätsel um biologischen Mechanismus der Bienenfortpflanzung gelöst

Forschende haben herausgefunden, wie das Geschlecht von Bienen festgelegt wird.© scinexx

Genkopien statt Chromosom: Forschende haben erstmals herausgefunden, wie das Geschlecht einer Biene festgelegt wird. Sie entdeckten das verantwortliche Gen und den mit ihm verbundenen molekularen Mechanismus, der über die Entwicklung eines Embryos zur männlichen oder weiblichen Biene entscheidet. Damit haben die Wissenschaftler ein über 100 Jahre altes biologisches Rätsel gelöst. Das Prinzip ist auch von anderen Insekten bekannt, wurde nun aber erstmals auf molekularer Ebene verstanden.

Welches biologische Geschlecht ein Lebewesen hat, wird in der Regel am Anfang des Lebens bestimmt. Beim Menschen spielen dafür die Geschlechtschromosomen X und Y die entscheidende Rolle. Aber wie ist das bei Bienen? Sie besitzen – anders als der Mensch – keine speziellen, das Geschlecht bestimmende Chromosomen. Frühere Studien legten jedoch nahe, dass sie geschlechtsbestimmende Gene haben.

Bereits seit dem Jahr 1845 ist bekannt, dass männliche Honigbienen (Apis mellifera), die „Drohnen“, durch ungeschlechtliche Vermehrung entstehen und die weiblichen Bienen durch sexuelle Fortpflanzung. Die Bienenkönigin entscheidet bei der Eiablage, ob sie ein Ei mit dem von ihr gespeicherten Samen befruchtet oder nicht und bestimmt dadurch das Geschlecht der Nachkommen. „Dieses Prinzip ist unter Insekten weit verbreitet und kommt auch bei Wespen, Ameisen und Wildbienen vor“, erklärt der Evolutionsgenetiker Martin Beye von der Universität Düsseldorf. Aber wie diese Prozesse auf molekularer Ebene ablaufen, blieb lange ein Rätsel.

Geschlechtsgen statt Geschlechtschromosom

Ein Forschungsteam um Beye und Marianne Otte von der Universität Düsseldorf ist der Geschlechtsbildung bei Honigbienen nun nachgegangen. Dafür veränderten sie gezielt ein bestimmtes Gen in Bienenembryos, genannt „csd“ (complementary sex determiner), und beobachteten, welches Geschlecht die Bienen dann entwickelten. Von diesem Gen war bereits bekannt, dass es an der Geschlechtsentwicklung beteiligt ist und über 100 verschiedene Varianten haben kann, sogenannte Allele.

Bei einer geschlechtlichen Vermehrung kommen die einfachen Chromosomensätze aus Ei- und Samenzelle zusammen, sodass ein doppelter (diploider) Chromosomensatz entsteht. Entsprechend liegen in jeder aus einem befruchteten Ei geschlüpften Biene zwei Allele des csd-Gens vor, wie die Forschenden erklären. Theoretisch sind so knapp 5.000 verschiedene Allel-Kombinationen möglich, aber nur zwei Geschlechter.

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Wie diese zustande kommen, haben Beye und sein Team geklärt, indem sie in den Bienenembryos gezielt einzelne Allele veränderten, zerstörten oder hinzufügten und anschließend das Geschlecht der Bienen ermittelten.

Bienen und Würfel
Wie beim Würfeln: Bei den Bienen entscheidet die Kombination zweier Genkopien das Geschlecht: Sind sie verschieden, entstehen Weibchen, sind sie gleich, entstehen männliche Bienenembryos, die aber nicht aufgezogen werden.© HHU / Paul Schwaderer; stock.adobe.com/Alekss, Tran-Photography

Übereinstimmung ergibt Weibchen

Wie die Wissenschaftler entdeckten, entscheiden nicht die beiden vorliegenden Genvarianten selbst, sondern ihre Kombination über das Geschlecht: „Wenn die beiden Allele des csd-Gens unterschiedlich sind, entsteht eine weibliche Biene. Sind dagegen auf beiden Chromosomen die gleichen Allele des Gens vorhanden, entsteht eine männliche Biene“, beschreibt Beye. Mit anderen Worten: Für das Bienengeschlecht ist entscheidend, ob die beiden vorhandenen Kopien des Csd-Gens übereinstimmen oder nicht.

Das Seltsame jedoch: Zwar entstehen bei der geschlechtlichen Fortpflanzung der Bienenkönigin demnach auch Männchen, diese tauchen aber im Bienenvolk nicht auf. Aber warum? Auch darauf haben die Forschenden eine Antwort gefunden: Die geschlechtlich gezeugten Bienenmännchen werden von den Arbeiterinnen nicht aufgezogen. „Denn um Inzucht zu vermeiden, ziehen die Bienen keine befruchteten männlichen Eier auf“, ergänzt Beye. Somit belegte sein Team, dass das Geschlecht der Bienen tatsächlich ausschließlich durch das Csd-Gen festgelegt wird.

Genkombination legt Schalter um

Um herauszufinden, wie die Kombination der Genkopien das genetische Geschlecht bestimmt, führte das Team um Otte weitere Experimente durch. „Dazu muss man wissen, dass jedes unterschiedliche Allel des Csd-Gens eine unterschiedliche Variante des zugehörigen Csd-Proteins erzeugt, die sich alle leicht unterscheiden“, erklärt Otte. Die Wissenschaftler stellten fest, dass nur unterschiedliche Csd-Proteine aneinander koppeln können. Dadurch schalten sie einen molekularen Schalter ein, der die Entwicklung einer weiblichen Biene auslöst, berichtet das Team.

„Sind die Proteine dagegen gleich, ist eine Kopplung nicht möglich und der Schalter bleibt aus. Es entstünde eine männliche Biene, doch die wird nicht aufgezogen“, ergänzt Otte. „Es ist wie ein molekulares Spiel mit zwei Würfeln: Nur gewinnt diesmal nicht der Pasch zweier gleicher Würfelaugen, sondern der Wurf muss zwei unterschiedliche Augenzahlen zeigen, damit im Ergebnis ein neues Lebewesen – ein Weibchen – aufgezogen wird“, erklärt Beye.

Wie entstehen die Drohnen?

Doch wie werden die unbefruchteten Bieneneier zu männlichen Bienen? Weil die Drohnen aus einem unbefruchteten Ei entstehen, haben sie nur einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz und damit nur ein Csd-Allel. Dadurch produziert dieses Gen nur eine Sorte Csd-Proteine und der das Geschlecht bestimmende molekulare Schalter ist immer auf „aus“ geschaltet, berichten die Wissenschaftler.

„Diese Fortpflanzungsstrategie hat für die Bienen vermutlich evolutionäre Vorteile, weil sie sich so schnell an die Umwelt anpassen können“, vermutet Beye. Mit seiner Arbeit ist das Team zu einer wichtigen Erkenntnis für die Evolutionsbiologie gekommen. „Wir konnten ein über 100 Jahre altes Rätsel der Genetik lösen, indem wir es auf die Schalterfunktion des Csd-Proteins zurückführten“, sagt Otte.

Woran erkennen Arbeiterbienen „männliche“ Eier?

Unbekannt ist allerdings noch, über welchen Mechanismus die Arbeiterinnen erkennen, ob ein Ei befruchtet ist oder nicht und ob das befruchtete Ei weiblich oder männlich ist. „Da es im Bienenstock dunkel ist, aber Bienen gut Gerüche wahrnehmen können, muss es einen Geruchsreiz geben, an dem die Arbeiterbienen dies erkennen“, vermutet Beye. „Der Mechanismus ist jedenfalls sehr effizient, denn es wurde noch nie in einer Bienenkolonie ein Männchen mit doppeltem Chromosomensatz gefunden. Man hat aber bislang nicht feststellen können, was die genaue Erkennungseigenschaft ist“, ergänzt er.

Weiter untersuchen will sein Team auch, wie der Schalter des Csd-Proteins dreidimensional aussieht und funktioniert. Die Ergebnisse werden Maßnahmen zur Bienenzucht fördern, da Bienen für die Bestäubung unverzichtbar sind. (Science Advances, 2023; doi: 10.1126/sciadv.adg4239)

Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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