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Mikrobiologie

Meeresgrund als globale „Samenbank“

Tiefe Meeressedimente bergen Quadrillionen von langlebigen bakteriellen Endosporen

Endoskopen
Tief unter dem Meeresgrund überdauern Quadrillionen von Baktieren als Endosporen, hier an ihrem hellen Fluoreszieren erkennbar. © Fumio Inagaki/ Jamstek

Verborgenes Reservoir: Tief im Meeresgrund schlummern Quadrillionen von Endosporen – Überdauerungsformen von Bakterien, die enorme Zeiträume überstehen können. Dieses Reservoir ruhender Keime könnte bis zu sechs Prozent der gesamten irdischen Biomasse ausmachen, wie neue Analysen nahelegen. Die Endosporen im Meeressediment könnten als eine langlebige Samenbank für marine Mikroben fungieren, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.

Lange galten die Sedimente tief im Meeresgrund als weitgehend unbelebt. Doch inzwischen haben Bohrungen enthüllt, dass es hunderte Meter tief im Untergrund eine ganze Lebenswelt gibt – die tiefe Biosphäre. Selbst 2.500 Meter unter dem Meeresgrund haben Forscher lebende Bakterien entdeckt. Und im „Keller“ der Kontinente könnte einer aktuellen Schätzung zufolge sogar eine ähnlich hohe Artenvielfalt herrschen wie darauf.

Millionen Jahre überdauernd

Doch wie die Lebewesen der tiefen Biosphäre es schaffen, unter hohem Druck, großer Hitze und extremem Mangel an Energiequellen zu überleben, ist bisher erst in Teilen geklärt. Es liegt aber nahe, dass zumindest einige Bakterien in der Tiefe nicht aktiv sind, sondern in einem Überdauerungszustand verharren – unter anderem als sogenannte Endosporen.

„Bakterielle Endosporen können den extremsten Bedingungen widerstehen, darunter intensive Hitze und Trockenheit“, erklären Lars Wörmer vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften in Bremen und sein Team. „Man nimmt an, dass sie unter bestimmten Umständen sogar Millionen von Jahren lebensfähig bleiben können.“ Ändern sich die Umweltbedingungen zum Positiven, „wachen“ die Endosporen wieder auf und werden zu sich aktiv vermehrenden Zellen.

Ab 25 Meter Tiefe beginnt das Reich der Sporen

Wie viele Endosporen es tief im Meeresgrund der Weltmeere gibt und wie hoch ihr Anteil an der gesamten tiefen Biosphäre sein könnte, haben nun Wörmer und sein Team ermittelt. Für ihre Studie werteten sie mehr als 300 marine Sedimentproben aus, die auf insgesamt 15 Schiffsexpeditionen weltweit gewonnen wurden. Diese Proben analysierten sie auf ihren Gehalt an Dipicolinsäure (DPA), einem Biomolekül, das nur in Endosporen vorkommt und daher als Biomarker ihre Präsenz und Mengen anzeigen kann.

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Das Ergebnis: Tatsächlich liegt ein Großteil der marinen tiefen Biosphäre in Form von Sporen vor. Etwa ab einer Tiefe von 25 Metern unter dem Meeresboden beginnen die Endosporen über die aktiven Zellen zu dominieren, wie die Forscher feststellten. Dabei identifizierten sie zwei Untergruppen von Sporen: eine jüngere, kurzlebigere Endosporensorte und eine langlebige, die selbst in tiefen alten Sedimenten reichlich vorkommt.

„Ein enormes Biomasse-Reservoir“

Beeindruckend ist jedoch die enorme Anzahl der Endosporen: Nach den Berechnungen der Forscher könnten allein in den oberen tausend Metern Meeressediment zwischen 10 hoch 28 und 10 hoch 29 Endosporen existieren. In Worten ausgedrückt wären dies zwischen 10.000 und 100.000 Quadrillionen Sporen – eine unvorstellbar große Zahl. Besonders reichlich vertreten sind die Sporen im Meeresgrund der Küstengebiete und Randmeere.

„Unsere Daten identifizieren damit die bakteriellen Endosporen als ein enormes Biomasse-Reservoir, das bisher weitgehend übersehen wurde“, sagen Wörmer und seine Kollegen. Ihren Schätzungen nach könnten die marinen Endosporen zwischen 0,8 und sechs Prozent der gesamten irdischen Biomasse ausmachen.

Samenbank im Untergrund

Welche ökologische Rolle Endosporen in ihrem Lebensraum einnehmen, ist bislang noch nicht klar. Die Forscher vermuten jedoch, dass die älteren, langlebigeren Endosporen als eine Art Samenbank in der Tiefe fungieren könnten. „Die genomische und funktionelle Vielfalt dieser Organismen bleibt so über lange Zeiträume hinweg erhalten und kann dann der Verbreitung, dem Auskeimen und der Kolonisierung neuer Habitate dienen“, so die Wissenschaftler. (Science Advances, 2019; doi: 10.1126/sciadv.aav1024)

Quelle: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

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