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Biologie

Chromosomen sind doch spiralig

Nachweis säuberlicher Chromatinspiralen bestätigt helikale Modelle der Chromosomenstruktur

Chromosomen
In den Chromosomen ist das Erbgut der Zelle extrem komprimiert verpackt. Ob der Chromatinstrang dabei jedoch spiralig gewunden oder chaotisch verknäult im Chromosom vorliegt, war bisher strittig. © Blackjack3D/ Getty images

Spirale statt Falten: Forschende haben einen Streitpunkt zur Grundstruktur der Chromosomen geklärt. Demnach ist die im Chromatin verpackte DNA in den Chromosomen nicht chaotisch gefaltet, sondern spiralförmig aufgerollt. Die Dichte und Größe der Windungen hängt dabei unter anderem von der Position auf dem Chromosom und von der Gendichte ab. Ob die Spiralen der Schwesterchromatiden dabei gleichsinnig oder gegenläufig laufen, ist dagegen flexibel und je nach Art verschieden, wie das Team berichtet.

Unsere DNA liegt normalerweise lose verknäuelt im Zellkern, zusammengelegt ist der Erbgutstrang fast zwei Meter lang. Vor der Zellteilung muss die DNA daher erst komprimiert und verpackt werden. Demnach legen sogenannte Condensin-Proteine die DNA in Schlaufen oder Zickzack-Falten und bringen sie Schritt für Schritt in eine kondensierte Form. Diese kompakte DNA wird dann unter Mitwirkung der sogenannten Histonproteine zum perlschnurartigen Chromatin weiterverpackt. Dieser Fäden werden dann zu den kompakten Chromosomen zusammengeschnürt.

Spirale oder Faltung?

Strittig war jedoch bisher, wie das Chromatin in den Chromosomen angeordnet ist. Einige Modelle gehen davon aus, dass das Chromatin in Form einer Spirale angeordnet ist, dem sogenannten Chromonema. Dies legten mikroskopische Analysen bei verschiedenen Pflanzenzellen, bei Hühnern und auch in menschlichen Zellkulturen nahe. Nicht-helikale Modelle nehmen dagegen an, dass das Chromatin innerhalb der Chromatiden gefaltet ist, ohne eine Spirale zu bilden. Auch dafür gab es einige Indizien.

Chromosomenstruktur
Die jetzt nachgewiesene spiralförmige Struktur kondensierter Chromosomen. © IPK

Mehr Klarheit schaffen nun die Analysen von Ivona Kubalova vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben und ihren Kollegen. Sie haben hochauflösende Mikroskopietechniken, eine Konformationserfassung (Hi-C) sowie eine spezielle Fluoreszenzmarkierung einzelner DNA-Abschnitte genutzt, um die übergeordnete Struktur von Chromosomen der Kulturgerste (Hordeum vulgare) sichtbar zu machen. Das Gerstengenom ist besonders umfangreich und bildet große, gut analysierbare Chromosomen.

Helikale Struktur der Chromosomen bestätigt

Die Analysen enthüllten: Das Chromatin ist in den Chromosomen der Gerste nicht chaotisch gefaltet, sondern säuberlich spiralig gewunden. „Die gewundene Chromatidenorganisation wurde unabhängig voneinander mit verschiedenen Methoden bestätigt“, berichtet Seniorautor Veit Schubert vom IPK. Dies bestätigt die Modelle, die eine helikale Struktur der Chromosomen in Form eines sogenannten Chromonemas beschrieben haben.

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Die Forschenden gehen davon aus, dass diese Struktur kein Einzelfall nur für die Gerste oder pflanzliche Chromosomen darstellt, sondern für alle Eukaryoten und eine breite Spanne von Erbgutgrößen gilt. „Wir erwarten, dass nach unserer Studie die Chromonema-basierte Organisation von Chromosomen in einer größeren Anzahl von Pflanzen- und Tierarten mit großen Chromosomen bestätigt wird“, sagt Kubalovas Kollegin Amanda Camara.

Zwischen 18 und 23 Windungen pro Chromosom

Auch Details zur Form und Größe der Chromatinspirale konnte die Forschenden ermitteln: „Wir haben festgestellt, dass die zwischen 522 und 675 Megabasen umfassenden Gersten-Chromosomen je nach Größe zwischen 18 und 23 Windungen aufweisen“, berichten sie. „Eine einzige helikale Windung umfasst dabei 20 bis 38 Megabasen DNA und bildet eine rund 400 Nanometer dicke Faser.“ Die Enge der Windungen scheint zudem mit der Gendichte auf der DNA und deren Histonverpackung verknüpft zu sein.

Wie die Forschenden zudem feststellten, bildet das Chromatin am Centromer der Chromosomen – der Mitte des „X“ – statt der Spiralen glatte, parallel laufende Stränge. Ähnliches gilt für die an den kurzen Armen einiger Chromosomen sitzenden Nukleolusorganisatorregionen (NOR), die für die Bildung der Kernkörperchen wichtig sind. Sie sind ebenfalls eingeschnürt und parallel strukturiert.

Spiralen mal gleich, mal spiegelbildlich gewickelt

Interessant auch: Bei dem näher untersuchten Gersten-Chromosom drehten die Spiralwindungen der Schwester-Chromatiden gleichsinnig. Bei einigen menschlichen Zellkulturen sowie anderen Pflanzengruppen wie den Wicken oder Waldlilien zeigen die Spiralen dagegen vorwiegend spiegelbildliche Windungen. Der Anteil der links- und rechtsdrehenden Chromatin-Wendel scheint dabei jedoch zufällig zu sein. „Bei einigen Pflanzengattungen kann die Drehrichtung sogar am Centromer und verschiedenen Teilen der Arme wechseln“, schreiben Kubalova und ihre Kollegen.

Die Forschenden vermuten, dass die helikale Drehrichtung der Chromatinfäden nicht strikt determiniert ist, sondern sich eher flexibel an die Gegebenheiten anpassen kann. Weitere Details müssen nun ähnliche Untersuchungen auch bei anderen Spezies klären. (Nucleic Acids Research, 2023; doi: 10.1093/nar/gkad028)

Quelle: Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK)

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