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Archäologie

Ötzi starb nach Henkersmahlzeit

Magen des Gletschermannes ist noch gefüllt

Präsentation von Ötzis Tätowierungen © EURAC

Ötzi starb mit vollem Magen. Dies haben Wissenschaftler jetzt auf einem Mumienkongress in Bozen berichtet. Danach nahm der „Iceman“ vom Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen offenbar noch kurz vor seinem Tod eine Mahlzeit zu sich – und wurde möglicherweise sogar dabei ermordet.

Man hatte den Eindruck als wären Mumien das einzige Gesprächsthema an der Europäischen Akademie Bozen (EURAC). Beim Mittagessen diskutierten ein amerikanischer Pathologe und ein Bozner Radiologe, ob und wie man mit einer kleinen Kamera über die Harnröhre in das Innere einer Mumie vordringen kann. Beim Dessert erörterten eine englische Anthropologin und eine Ägyptologin aus Kairo dann die Vor- und Nachteile von Moorleichen gegenüber den vom Wüstensand getrockneten Körpern für die Forschung. Auch ein Gespräch über fachgerechte Hirnentfernung verdarb hier niemandem den Appetit.

Die 140 Experten auf dem Bolzano Mummy Congress sind den Umgang mit Toten gewohnt. Aus aller Welt waren sie gekommen, um sich an der EURAC drei Tage lang über Ihre Forschungsprojekte auszutauschen. Der Star, zumindest unter den Mumien, war aber zweifellos der Lokalmatador Ötzi.

Forscher enträtseln Ötzis letzte Stunden

Auswertungen seiner Röntgenaufnahmen lieferten neue Erkenntnisse über die letzten Stunden seines Lebens. Zu Ötzis Todesursache gibt es verschiedene Theorien. Zunächst glaubten die Wissenschaftler, er sei aufgrund körperlicher Erschöpfung in den Bergen erfroren. Nach und nach kamen aber immer mehr Details ans Tageslicht, die auf einen gewaltsamen Tod hinweisen.

So hat eine Pfeilspitze in seiner Schulter eine Arterie verletzt, was sicherlich zu starken Blutverlusten geführt hat. Darüberhinaus weist Ötzi auch Verletzungen an der Hand, im Gesicht und am Kopf auf – weitere Indizien dafür, dass Gewalteinwirkung eine entscheidende Rolle bei Ötzis Tod gespielt hat.

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Magen lokalisiert

Umso überraschender sind die Erkenntnisse der Bozner Radiologen Paul Gostner, Patrizia Pernter und Gian Pietro Bonatti. Ihnen ist es gelungen, den Magen des Mannes aus dem Eis zu lokalisieren. Das Überraschende daran: der Magen ist noch gefüllt. Dies bedeutet, dass der Mann aus dem Eis kurze Zeit vor seinem Tod noch Nahrung zu sich genommen hat, denn Essen wandert normalerweise nach relativ kurzer Zeit vom Magen weiter in den Darm.

Es könnte also sein, dass Ötzi sich zu einer kleinen Zwischenmahlzeit hingesetzt hat und dabei von einem Pfeil getroffen wurde. Das würde erklären, warum er seine Waffen und seine Ausrüstungsgegenstände abgelegt hat.

Weitere Aufschlüsse erhoffen sich die Wissenschaftler aus der Analyse des Mageninhalts. Das Projekt zur Analyse des Mageninhalts wurde bereits bewilligt. „Wir müssen dabei sehr behutsam vorgehen. Es kann zwar der bereits bestehende Zugang zu Ötzis Innerem genutzt werden, aber der Körper muss für diesen Zugriff teilweise wieder aufgetaut werden“, sagt Eduard Egarter Vigl, Leiter der Pathologie am Bozner Krankenhaus und Verantwortlicher für die Konservierung Ötzis.

Mumienforscher Arthur Aufderheide bei seinem Festvortrag © EURAC

Ägypter tranken schon vor 6.000 Jahren Bier

Auf dem Kongress ging es allerdings nicht ausschließlich um Ötzi. So wies zum Beispiel die britische Ägyptologin Judith Miller nach, dass die Ägypter bereits 4.000 Jahre v. Ch. Bier tranken. Durch die Umstellung ihrer Ernährung seit dem Beginn des Ackerbaus hatten sie aber auch verstärkt mit Karies, schmerzhaften Abszessen und Infektionen im Zahnbereich zu kämpfen.

Wilfried Rosendahl vom Reiss-Engelhorn Museum in Mannheim präsentierte dagegen eine peruanische Mumie, die derzeit auch in der Ausstellung im Bozner Archäologiemuseum zu sehen ist. In ihren geschlossenen Händen konnte durch Röntgenaufnahmen jeweils ein Kinderzahn ausgemacht werden.

Diese Entdeckung stellt die Forscher vor ein Rätsel, da es bisher keine vergleichbaren Funde gab. Auch die kulturelle Bedeutung dieser „Grabbeigaben“ ist ungewiss. „Vielleicht waren es ihre eigenen Zähne oder die ihrer Kinder“, mutmaßt Rosendahl. Auffällig an dieser Mumie ist auch ein Schaden an der Wirbelsäule. Die Deformation lässt sich möglicherweise auf eine Knochentuberkulose zurückführen, dies soll aber noch durch eine DNA-Analyse bestätigt werden.

Kongress ein voller Erfolg

Albert Zink, der Leiter des EURAC-Instituts für Mumien und den Iceman, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Kongress: „Besonders spannend war die Vielfältigkeit der wissenschaftliche Zugänge zum Thema Mumienforschung, die hier auf dem Kongress präsentiert wurden. Persönlich hat mich besonders gefreut, dass der öffentliche Vortrag von Professor Arthur Aufderheide auf so reges Interesse gestoßen ist.“

(idw – Europäische Akademie Bozen, 26.03.2009 – DLO)

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