Die Fresszellen des Immunsystems entwaffnen Eindringlinge im Körper, indem sie sie verschlingen. Jetzt haben Forscher nteruscht, wie dieser „Fressvorgang“ genau abläuft und dabei Überraschendes entdeckt. Denn die Zellen ziehen ihre Beute an Tentakeln ins Zellinnere, die von winzigen Motormolekülen angetrieben werden.
Die Makrophagen oder Fresszellen sind ein wichtiger Teil des Immunsystems. Denn sie „fressen Bakterien“ und machen sie so unschädlich. Die Bakterien werden mit winzigen Tentakeln den Filopodien, ins Innere der Makrophagen transportiert und dann in der Regel verdaut. Forscher der Universität Freiburg und des Europäischen Instituts für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg haben jetzt diesen „Fressvorgang“ genauer unteruscht. Dazu führten sie winzige Plastikkugeln an die Tentakel der Fresszelle heran, lösten so die Bindung des Partikels an die Tentakel aus und vermaßen anschließend das Zurückziehen des Tentakels ultrapräzise in drei Dimensionen.
Tentakel ziehen schrittweise
Die Tentakel oder Filopodien, die auch für die Bewegung der Zelle eine wichtige Rolle spielen, bestehen aus parallelen Bündeln von so genannten Aktin-Filamenten, Fasern aus einem stabilen Protein, das beispielsweise auch Teil unserer Muskeln ist. Sie stülpen sich aus der Membran der Fresszelle aus und schieben sich in Richtung der Beute. Das Team um Professor Alexander von der Universität Freiburg hat nun festgestellt, dass sich die Tentakel mit den ein tausendstel Millimeter kleinen Plastikkügelchen im Schlepptau mit einer unerwarteten Dynamik zurückzogen.
„Eigentlich hatten wir einen kontinuierlichen weichen Rückzug der Tentakel erwartet“, berichtet Holger Kress, der die Messungen und Simulationen im Rahmen seiner Doktorarbeit am EMBL in Heidelberg durchführte. „Überraschenderweise haben wir aber kleine, deutlich voneinander getrennte Schritte beim Zurückziehen gemessen, die durchschnittlich 36 Nanometer lang sind.“
Aus in-vitro Experimenten ist bereits bekannt, dass spezielle Motorproteine, wie sie beispielsweise im Muskel aktiv sind, in genau solchen Schritten von 36 Nanometern auf den Aktin-Filmenten entlanglaufen. „Wir gehen davon aus, dass man hier erstmalig das Laufen von molekularen Motoren im Inneren einer Zelle dreidimensional beobachten konnte“ erklärt Rohrbach.
Motorproteine im Gleichschritt
Die molekularen Motoren versuchen das Filopodium gegen den Widerstand des Kügelchens zurückzuziehen und schalten umso mehr Motoren in ihr Kollektiv, je stärker die zu überwindende Kraft ist. „Erstaunlicherweise konnten wir feststellen, dass auch mehrere ziehenden Motoren noch im Gleichschritt laufen. Das heißt, die Motoren beeinflussen sich gegenseitig und werden so organisiert, dass sie immer in ausreichender Zahl zum Einsatz kommen“.
Vorbild für nanotechnologische Kransysteme
Die gewonnenen Erkenntnisse, die durch mathematische Modelle gestützt werden, könnten bei der Entwicklung zukünftiger synthetischer Nano-Systeme eine Rolle spielen. „Man stelle sich ein winziges Kransystem vor, welches aus einer Handvoll Zutaten wie sie in jeder Zelle vorhanden sind, zusammenbauen lässt. Ein nano-mechanisches System, das je nach anliegenden Kräften flexibel und selbständig Aufgaben wie zum Beispiel die Sortierung von Nanopartikeln verrichten kann.“
(Universität Freiburg im Breisgau, 13.07.2007 – NPO)