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Klima

Nassere Winter und trockenere Sommer

Der Klimawandel sorgt für zunehmend extreme Niederschlagsunterschiede in Deutschland

Überflutung an der Mulde am 4. Juni 2013. Der Klimawandel könnte die Hochwassersaison in Deutschland zunehmend in den Winter verschieben. © UFZ / André Künzelmann

Dürren im Sommer und Überschwemmungen im Winter: Wetterextreme in Folge des Klimawandels machen sich schon jetzt in Deutschland zunehmend bemerkbar. Wie sich Niederschläge und Pegelstände der Flüsse bis zum Jahr 2100 entwickeln werden, haben Forscher nun untersucht. Demnach werden sich die Extreme weiter verstärken – mit Folgen für Landwirtschaft, Binnenschifffahrt und Energieversorgung.

Der Klimawandel sorgt regelmäßig für Schlagzeilen. Die Temperaturrekorde von 2016 könnten mit dem laufenden Jahr schon wieder gebrochen werden. Die Auswirkungen der Erderwärmung werden in Deutschland besonders in den Skigebieten bemerkt, die zunehmend mit Schneemangel zu kämpfen haben. Auch der Regen wird immer unberechenbarer und kommt vermehrt als Starkregen in Form von plötzlichen Schauern herunter, anstatt als länger andauernder, leichter Landregen.

Wie sich der Klimawandel heute und in Zukunft auf den Wasserkreislauf in Deutschland auswirkt, haben nun Klimaforscher des Climate Service Center Germany (GERICS) in Hamburg untersucht. Aus 29 Einzelstudien der Jahre 2009 bis 2013 werteten die Forscher dafür Daten zur Entwicklung von Temperatur und Niederschlagsmengen in Deutschland aus.

Schere zwischen Sommer und Winter

Die Auswertungen ergaben: Insgesamt hat die Niederschlagsmenge in Deutschland seit 1881 um elf Prozent zugenommen. Zwischen Sommer und Winter tut sich jedoch eine zunehmende Schere auf. So ergibt der Trend von 1881 bis 2011 eine Zunahme des Niederschlages im Winter um durchschnittlich 26 Prozent. Die Spanne liegt dabei zwischen 15 Prozent in Sachsen und 31,3 Prozent in Bremen.

Die Sommermonate sind hingegen etwas trockener geworden, zumindest in der Mitte Deutschlands, wie die Wissenschaftler berichten. Sie ermittelten einen Rückgang der durchschnittlichen Regenmenge von 0,4 Prozent in Nordrhein-Westfalen und sogar 9,8 Prozent in Sachsen. Nur in Norddeutschland sowie in Bayern und im Saarland ist auch in der kalten Jahreszeit ein leichter Anstieg der Niederschläge von 0,6 bis 10,2 Prozent zu verzeichnen.

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Geänderte Abflussmengen

Die extremer werdenden Niederschlagsunterschiede zwischen Sommer und Winter zeigen sich laut den Forschern auch direkt in den Abflussmengen der Flüsse. Bei der Elbe zum Beispiel stellen sie eine „Verschiebung der Spitzenabflüsse in den Vorfrühling sowie die Verringerung des Abflusses in den Sommermonaten“ fest. Gleichzeitig sei die mittlere Jahresabflussmenge in den letzten 40 Jahren zurückgegangen.

Beim Rhein berichten die Forscher von einer gestiegenen jährlichen Abflussmenge. „Allerdings treten seit 1990 am Bodensee sinkende Wasserstände von Juli bis September sowie steigende Wasserstände von November bis Januar auf,“ heißt es in der Studie.

Zukunftsaussichten

Ausgehend von den Daten der vergangenen Jahrzehnte geben die Forscher in der Studie Ausblicke auf die zukünftige Entwicklung der Flüsse bis zum Jahr 2100. Demnach sei zu erwarten, dass die maximalen Abflüsse der Elbe sich weiter in den Winter verschieben werden. Beim Rhein würde sich die mittlere Abflussmenge durch die zunehmenden Niederschläge im Winter erhöhen. „Generell wird der saisonale Verlauf des Abflusses in Zukunft mehr vom Regen als von der Schneeschmelze beeinflusst sein,“ heißt es im Bericht.

Im Winter können die stärkeren Niederschläge in Zukunft vermehrt zu Überschwemmungen führen, warnen die Forscher. Dies liegt auch daran, dass der Niederschlag aufgrund der milderen Temperaturen seltener in Form von Schnee zurückgehalten wird. Stattdessen fließt das Wasser sofort in die Flüsse ab. „Dafür wird sich das Hochwasserrisiko im Frühjahr vermindern, da der Schneeschmelze ein geringeres Schneevolumen zur Verfügung steht.“

Durch den Klimawandel werden Landwirte in Deutschland immer öfter auf zusätzliche Bewässerung der Felder angewiesen sein. © Werbe Fabrik / gemeinfrei

Niedrigstände im Sommer

Als anderes Extrem werden laut den Autoren extremere Niedrigstände in den trockeneren Sommermonaten zu erwarten sein. Dadurch könnten sich Probleme für die Binnenschifffahrt ergeben. Eine gezielte Vorhersage der Pegel-Entwicklung einzelner Flüsse sei bei der gegebenen Datenlage jedoch nicht möglich. Die Forscher geben sich aber optimistisch, dass es genügend Anpassungsmöglichkeiten gibt, um die Folgen des Klimawandels für die Binnenschifffahrt verringern zu können.

Ausbleibender Niederschlag im Sommer wird auch die Landwirtschaft betreffen. Die Forscher prognostizieren für Nordrhein-Westfalen eine Verdopplung der Tage, an denen Felder künstlich bewässert werden müssen. Konkret müssten Landwirte im Jahr 2100 an 60 statt heute 30 Tagen im Jahr für zusätzliche Bewässerung der Felder sorgen. Engpässe bei der Trinkwasserversorgung seien dem Bericht zufolge in NRW aber auch in Zukunft nicht zu befürchten.

Folgen der Erwärmung

Steigende Temperaturen werden auch eine direkte Auswirkung auf die Industrie haben, wie die Studie darlegt: Weil das Wasser in deutschen Flüssen bis 2100 um durchschnittlich ein bis zwei Grad Celsius wärmer sein wird, werden Fabriken und Kraftwerke es schwerer haben, mit dem Flusswasser ihre Anlagen zu kühlen.

Schon in den nächsten 40 Jahren könnte dies dazu führen, dass die Kraftwerksleistung in den ohnehin heißen Sommermonaten sinkt, schreiben die Forscher. Spitzen im Energiebedarf könnten dann problematisch werden.

Die steigende Wassertemperatur werde zudem die Ausbreitung von Algenblüten begünstigen und fremden Tier und Pflanzenarten die Ausbreitung in hiesigen Ökosystemen erleichtern. Dies kann die empfindlichen Gleichgewichte im Süßwasser-Lebensraum stören und ohnehin bedrohte heimische Arten weiter dezimieren.

Viele der Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland bis 2100 sind der Studie zufolge größtenteils durch angemessene Planung zu umgehen. Langfristig jedoch müsse der Klimawandel selbst verlangsamt werden, wie die Forscher betonen.

(Max-Planck-Gesellschaft, 23.03.2017 – CLU)

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