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Biologie

Hunde: Dümmer durch Domestikation?

Haushunde schneiden beim selbstständigen Lösen von Problemen schlechter ab als Wölfe

Hunde sind auf uns fixiert, selbstständiges Problemlösen fällt ihnen deshalb schwer © Marinela Prodan / freeimages

Hunde haben durch ihre enge Beziehung zum Menschen offenbar einiges an Grips und Selbstständigkeit eingebüßt. Denn wenn sie allein ein Problem lösen sollen, verlieren sie schnell die Lust und blicken stattdessen hilfesuchend zum Menschen. Wölfe dagegen knobeln solange, bis sie es geschafft haben, wie ein Experiment belegt. Das Versagen der Hunde spricht dafür, dass die starke Ausrichtung auf uns Menschen ihre Problemlöse-Fähigkeiten hemmt, wie Forscher im Fachmagazin „Biology Letters“ berichten.

Hunde sind echte Menschenkenner: Sie folgen unseren Blicken, erkennen unser Lächeln und entnehmen unserer Tonlage selbst feine Nuancen unserer Stimmung. Doch diese Anpassung an den Menschen scheint nicht ohne Kosten zu sein. Bereits 2014 fanden Forscher heraus, dass Hunde schlechter zählen können als ihre wilden Verwandten, die Wölfe.

Monique Udell von der Oregon State University in Corvallis und ihre Kollegen haben nun ein weiteres Indiz dafür gefunden, dass Domestikation die Hunde in gewisser Hinsicht eher dümmer machte. In ihrem Experiment testeten sie, wie gut Wölfe und Hunde eine knifflige Aufgabe lösten. Dafür legten die Forscher im Beisein des Hundes eine Wurst in eine durchsichtige Plastikbox. Ihr Deckel ließ sich jedoch nur abziehen, wenn die Tiere an einem daran befestigten Seil zerrten.

Wölfe schaffen es, Hunde nicht

Wie sich zeigte, lösten acht von zehn Wölfen die Aufgabe problemlos. Sie zerrten und bissen so lange an der Box herum, bis sie den Deckel erfolgreich abgezogen hatten. Nicht so die Hunde: Schon nach kurzer Zeit gaben sie auf und blickten sie hilfesuchend zu dem im Raum anwesenden Menschen. „Die Hunde verbrachten signifikant mehr Zeit damit, zum Menschen hinzusehen, als die Wölfe“, berichten die Forscher.

Wölfe tüfteln solange, bis sie die Aufgabe gelöst haben. © ventileit/ freeimages

Die magere Erfolgsbilanz: Von den zehn Haushunden schaffte es keiner, die Box zu öffnen, unter den zehn Hunden aus dem Tierheim gelang dies nur einem. Und dies änderte sich auch kaum, als der Mensch den Hunden Rückmeldung gab und sie aktiv zum Weitermachen ermunterte. Zwar beschäftigten sie sich dann länger mit der Box, von den 20 Hunden schafften es aber selbst dann nur vier Tierheimhunde und ein Haushund, an die Wurst heranzukommen.

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Hilfe suchen statt selbstständig handeln

Nach Ansicht von Udell und ihren Kollegen zeigt dies, dass Wölfe besser darin sind, unabhängig Probleme zu lösen. Diese Fähigkeit scheinen Hunde zumindest zum Teil eingebüßt zu haben. „Hunde sind hypersozial, verglichen mit ihren wilden Gegenparts“, erklärt Udell. „Ihre erhöhte soziale Sensibilität könnte ihre Fähigkeiten zum unabhängigen Problemlösen stören.“

Oder anders ausgedrückt: Hunde haben sich daran gewöhnt, sich auf den Menschen und seine sozialen Signale zu verlassen. Vor ein Problem gestellt, suchen sie daher bei ihm Hilfe, beispielsweise in Form einer erhellenden Geste. „Hunde könnten gelernt haben, in Abwesenheit klarer menschlicher Hinweise eher vorsichtig zu sein“, meint Udell. „Das ist langfristig beim Zusammenleben mit Menschen sicher ein Vorteil.“

Die Kehrseite ist allerdings, dass die Hunde auf sich allein gestellt weniger gut klarkommen als ihre wilden Verwandten. Wenn darum geht, Probleme selbstständig zu lösen, verlieren sie schnell die Lust. (Royal Society Biology Letters, 2015; doi: 10.1098/rsbl.2015.0489)

(Royal Society, 16.09.2015 – NPO)

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