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Medizin

Alzheimer-Patienten in Deutschland mangelhaft versorgt

Moderne Diagnose- und Behandlungsverfahren werden nicht angewendet

Alzheimer-Patient © Deutsche Gesellschaft für Neurologie

Die Betreuung von Alzheimer-Patienten in Deutschland ist mangelhaft, die meisten erhalten weder moderne Untersuchungsverfahren noch die zur Verfügung stehenden Medikamente. Das enthüllt jetzt eine umfassende Studie in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages am 21. September. Die existierenden Leitlinien werden – unter anderem aus finanziellen Gründen – in der Praxis nur sehr selten umgesetzt.

In Deutschland sind rund eine halbe Million Menschen von der Alzheimer-Erkrankung betroffen, Tendenz steigend. Ein Heilmittel gegen diese Form der Demenz gibt es jedoch noch nicht. Seit 1994 finden am 21. September unter dem Dach der Alzheimer’s Disease International in aller Welt vielfältige Aktivitäten statt, um die Öffentlichkeit auf die Situation der Alzheimer-Kranken und ihrer Angehörigen aufmerksam zu machen. Dass diese oft alles andere als optimal ist zeigt jetzt auch eine neue Studie der Gesellschaft für Neurologie.

Betreuung von Alzheimer Patienten mangelhaft

In ihr geben Wissenschaftler der Betreuung von Alzheimer- Patienten in Deutschland mangelhafte Noten: Nur etwa zehn Prozent von ihnen werden mit modernen Untersuchungsverfahren wie beispielsweise neuropsychologischen Tests oder Bildgebung untersucht, weniger als die Hälfte erhält die zur Verfügung stehenden Medikamente. Die Behandlungskosten sind dennoch hoch: Sie beliefen sich pro Patient und Jahr auf rund 18.500 Euro, davon wurden etwa 8.800 Euro durch die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen verursacht.

Leitlinien werden nicht umgesetzt

„Unsere Studie zeigt eindeutig, dass die modernen Standards der Diagnose und Behandlung, wie sie in den Behandlungsstandards, den Leitlinien, beschrieben sind, nur unzureichend im Betreuungsalltag umgesetzt werden“, sagt Studienleiter Professor Richard Dodel, Neurologe am Universitätsklinikum Marburg. Insgesamt wurden rund 400 Alzheimer-Patienten untersucht. Nie zuvor wurde die Qualität der Versorgung von Patienten auf verschiedenen Versorgungsebenen wie Kliniken, Pflegeheime, hausärztlicher oder fachärztlicher Betreuung so eingehend untersucht.

Dodel stellt die Ergebnisse erstmals in einem Fachvortrag auf der Neurowoche 2010 in Mannheim vor. Diese Tagung, die vom Heidelberger Neurologen Professor Werner Hacke organisiert wird, findet nur alle fünf Jahre statt und ist mit mehr als 6.000 Spezialisten für Gehirn und Nerven der größte klinisch-neurowissenschaftliche Kongress Europas.

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Fehlende Lobby

„Alzheimer-Patienten werden noch immer diskriminiert, weil ihnen die Lobby fehlt“, erläutert Professor Günther Deuschl, Direktor der Universitätsneurologie in Kiel und federführender Neurologe der so genannten „S3-Leitlinie Demenz“, die im vergangenen Herbst von insgesamt 28 Fachorganisationen gemeinsam veröffentlicht wurde. „Ohne den politischen Willen werden diese

Standards nicht den Weg in die Versorgung finden“, so Deuschl. So gebe es derzeit zum Beispiel Streit um ein wirksames Medikament, das aus Kostengründen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen fallen soll.

Lichtblicke seien allerdings das im Jahr 2009 gegründete Deutsche Zentrum für Neurodegenerative

Erkrankungen mit Hauptsitz in Bonn und fünf Satellitenstandorten. Hoffnung setzen Wissenschaftler auch in die Entwicklung einer Impfung gegen die Alzheimer-Demenz, allerdings werde es noch einige Jahre dauern, bis diese Immunisierung zur Verfügung steht.

(Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 20.09.2010 – NPO)

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