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Evolution

Vogelflug doch von baumlebenden Gleitern erfunden?

Modell eines gefiederten Dinosauriers spricht für „Top down“-Theorie

Microraptormodell im Flug © University of Kansas

Ein etwa hundegroßer gefiederter Dinosaurier hat jetzt erneut die Diskussion um die Entstehung des Fliegens geschürt. Flugtests mit einem Nachbau des sogar mit Federn erhaltenen Microraptor-Fossils deuten darauf hin, dass sich die ersten Vogelartigen möglicherweise doch aus baumlebenden Gleitern entwickelten, und nicht, wie mehrheitlich angenommen, aus am Boden laufenden Vorfahren. Das jedenfalls postuliert ein in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) erschienener Artikel.

Seit Jahrzehnten schon streiten sich die Wissenschaftler darüber, wie genau das Fliegen bei Vögeln entstanden ist. Schwangen sich die ersten Vogelvorfahren vom Boden aus in die Luft oder erlernten sie das Fliegen über den Umweg des Gleitens von Baum zu Baum? Zurzeit neigen die meisten Paläontologen zur ersten Theorie. Doch Forscher der Universität von Kansas um den Biologieprofessor David Alexander argumentieren jetzt dagegen.

Dino mit Federn an den Hinterbeinen

Ihrer Ansicht nach liefert der Fossilfund eines Microraptor gui, eines gefiederten, 40 Zentimeter großen Dinosauriers, die entscheidenden Indizien. Das aus der späten Kreidezeit stammende Fossil wurde im Jahr 2003 in der chinesischen Provinz Liaoning entdeckt. Es war so gut erhalten, dass sogar die Abdrücke von Federn sichtbar waren. Überraschenderweise zeigte sich dabei, dass sowohl die Vorder- als auch die Hinterextemitäten lange Federn trugen. Microraptor war damit offenbar vierflügelig.

„Die Kontroverse hat sich daran entzündet, ob diese Tiere ihre Hinterbeine zum Gleitflug ausbreiten konnten oder nicht“, erklärt David Burnham von der Universität von Kansas. Einige Paläontologen postulierten, der Microraptor müsse zum Fliegen – wenn überhaupt – eine Art Doppeldecker-Position angenommen haben: Sich vom Boden aufschwingend sei er mit aufrechtem Körper und ausgebreiteten Vorderbeinen geglitten, die Hinterbeine aber dabei nicht ausgebreitet, sondern parallel zueinander gehalten als zweite Tragflächenebene.

Doch Burnham und seine Kollegen widersprechen dieser Theorie. Denn diese Haltung erfordere einen unwahrscheinlich schweren Kopf, um beim Fliegen die Gewichtsverteilung im Zentrum zu halten. Den aber hat Microraptor nicht. Zudem sei die Präsenz der 17 Zentimeter langen Federn an den Hinterbeinen ziemlich hinderlich und würde einen längeren Aufenthalt am Boden verbieten. Nach Ansicht der amerikanischen Forscher spricht die Anatomie des gefiederten Dinosauriers eher für eine Lebensweise auf den Bäumen – und für eine ganz andere Gleithaltung.

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Microraptor gui - das Fossil © CC 2.5

Flugmodell aus Skelettabdruck

Um dies zu belegen, konstruierte Burnham auf Basis von Abgüssen des gut erhaltenen Microraptorskeletts und Nachbildungen der Federn ein akkurates Modell des gefiederten Dinosauriers. „Wir beschlossen das Skelett zu nehmen, ihm Flügel nach Muster der Fiederung zu verleihen und zu zeigen, dass es fliegen kann“, so Burnham. Die Forscher führten mit dem Modell mehrere Flugtests sowohl im Freiland als auch im Windkanal durch und analysierten seine Bewegungsmöglichkeiten.

Bessere Gleiter als Flughunde

Schon bei der Rekonstruktion zeigte sich, dass Microraptor seine Oberschenkel in ihren Sockeln genügend drehen und beugen konnte, um auch die Hinterbeine nach außen auszubreiten. Die Flugversuche im Freiland belegen zudem, dass diese Position dem Microraptor im Flug sogar bessere Gleiteigenschaften verleiht als sie die heutigen Flughunde besitzen. Einmal in die Luft geworfen glitt der Modellmicroraptor problemlos 23 Meter weit und landete in einem Nadelbaum.

Für die Forscher aus Kansas steht damit fest, dass Microraptor nicht nur ein guter Gleiter war, sondern auch auf Bäumen gelebt haben muss. „Wenn andere denken, er sei ein terrestrischer Läufer gewesen, sollten sie ein Modell bauen, auf ein Laufband tun und zeigen, wie es mit diesen langen Federn an den Hinterbeinen lief“, so Burnham.

Ein Video der Flugtests findet sich hier…

(University of Kansas, 28.01.2010 – NPO)

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