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Medizin

Warum Desinfektion manchmal nicht reicht…

Bakteriologie als neue Wissenschaft

Robert Koch © Charité/ F.H. Hancox

Nachdem Koch seine Forschungsergebnisse zum Milzbrand 1876 publiziert hat, nutzt er die folgenden Jahre, um seine mikroskopischen Techniken zu perfektionieren. Er entwickelt Färbemethoden und fertigt die ersten Mikroskopie-Fotografien an. Damit hat er ein Hilfsmittel zur Hand, das ihm erlaubt, seine Beobachtungen publik zu machen. Begeistert äußert er sich über diese neue Technik: „Eine Fotografie kann man als Beweisstück im Kollegenkreis herumzeigen, man kann sie in einer Veröffentlichung reproduzieren, und zudem ist die fotografische Platte empfindlicher als die Netzhaut des menschlichen Auges.“

Mit seiner systematischen Vorgehensweise, dem mikroskopischen Nachweis, der Züchtung der Organismen in Reinkulturen und der Übertragung auf Versuchstiere legt er den Grundstein für die moderne Bakteriologie. Die Tür zur Aufklärung von weiteren Infektionskrankheiten war geöffnet.

Das Rätsel der OP-Todesfälle

Nach der Entdeckung des Milzbrandbazillus ist Koch überzeugt, dass auch jede Wundinfektion durch einen spezifischen Erreger ausgelöst wird. Also stürzt er sich mit Eifer in die Forschung. 1878 veröffentlicht er seine Ergebnisse über die „Ätiologie von Wundinfektionskrankheiten“ und erreicht damit, dass sein Ansehen in Fachkreisen wächst. So dauert es nicht lange, bis man auch im gerade neu gegründeten Kaiserlichen Gesundheitsamt auf ihn aufmerksam wird und ihn nach Berlin ruft. 1880 übernimmt Koch dort die Leitung der bakteriologischen Abteilung und kann endlich seine Forschungen unter besseren Bedingungen fortsetzen als es in seiner Landarzt-Praxis möglich war, denn jetzt stehen ihm Mitarbeiter und modernste Laborgeräte zur Verfügung.

So steril wie hier im Jahr 1950 liefen die OPs zu Kochs Zeiten nicht ab © CDC

Doch schon bald beschäftigt ihn ein neues Problem: Zu dieser Zeit kommt es in den Krankenhäusern immer wieder zu unerklärlichen Todesfällen nach operativen Eingriffen. Obwohl die Operationen selbst nicht lebensbedrohend sind, sterben die Patienten scharenweise an den Folgen von Infektionen. Robert Koch kommt dem Rätsel mithilfe seiner verfeinerten Färbetechniken auf die Spur. Damit gelingt es ihm, Mikroorganismen dort nachzuweisen, wo sie höchst unerwünscht sind, nämlich beispielsweise auf dem Operationsbesteck von Klinikärzten.

Infektionen trotz Karbolsäure

Diese Erkenntnis veranlasst ihn, sich neben der Erforschung von pathogenen Organismen auch für die Entwicklung von gezielten Maßnahmen zur praktischen Hygiene einzusetzen. In Versuchsreihen weist er nach, dass das damals gängige Desinfektionsmittel Karbolsäure in der üblichen zweiprozentigen Verdünnung zwar lebende Bakterien vernichtet, jedoch keinerlei Wirkung auf Sporen hat. Koch findet heraus, dass dies erst bei einer fünfprozentigen Verdünnung der Fall ist. Allerdings auch nur dann, wenn die Karbolsäure über längere Zeit auf die Sporen einwirken kann. In der Praxis werden jedoch die zu desinfizierenden Objekte nur besprengt oder übergossen. Koch erkennt, dass eine auf diese Weise ausgeführte Desinfektion höchst unsicher ist. Er betont, dass es „nicht ausreicht, die Lebendformen der Bakterien zu vernichten, sondern, dass es insbesondere darauf ankommt, die Sporen, die sehr viel widerstandsfähiger sind, unschädlich zu machen.“

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Sporen, hier von B. anthracis, sind extrem widerstandsfähig © CDC

Heißer Dampf

Koch macht sich auf die Suche nach anderen Verfahren, die eine zuverlässige Desinfektion garantieren sollen. In einigen Krankenhäusern verwendet man inzwischen Hitze zur Sterilisation. Im Städtischen Krankenhaus Moabit steht Koch eine dieser unförmigen Desinfektionsapparaturen zur Verfügung. Doch auch hier ergeben seine Untersuchungen, dass Hitze allein so gut wie keine Wirkung auf die Sporen hat. Koch experimentiert solange herum, bis er eine befriedigende Lösung gefunden hat. Eine viel wirkungsvollere Sterilisation erzielt er schließlich durch überhitzten Wasserdampf.

1881 veröffentlicht er seine Ergebnisse in den „Mitteilungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes“, die daraufhin zum Leitfaden der Bakteriologie werden.

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Stand: 05.07.2005

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Robert Koch
Kämpfer gegen den "unsichtbaren Feind"

Vom Bergmanns-Sohn zum Mediziner
Beginn eines Forscherlebens

Dem Milzbrand auf der Spur
Vom Landarzt zum Forscher von Rang

Warum Desinfektion manchmal nicht reicht...
Bakteriologie als neue Wissenschaft

Eine Checkliste für Erreger
Die Koch’schen Postulate

Aug' in Aug' mit dem Tuberkelbazillus
Die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers

Der Cholera auf der Spur…
In Sachen Krankheiten unterwegs in Ägypten und Indien

Etabliert, aber rastlos
Robert Koch als Leiter des späteren Robert-Koch-Instituts

Seuchenkampf im Ruhestand
Die letzten Jahre

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