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Phänomene

Warum spannt unsere Haut nach dem Waschen?

Wissenswert

Ein junger Mann cremt sich das Gesicht ein.
Durch Reinigungs- und Pflegemittel verändern sich die Eigenschaften der Haut, wodurch sie sich anders anfühlt. © Delmaine Donson / Getty Images

Die Kosmetikwerbung ist voll von Versprechen für ein gutes Hautgefühl. Denn wenn wir unser Gesicht mit Seife oder anderen Reinigern waschen, fühlt sich die Haut mitunter an, als ob sie spannt. Dieses Gefühl verschwindet tatsächlich meist, wenn wir sie mit einer Lotion eincremen. Aber ist das alles nur Einbildung oder passiert da wirklich etwas mit unserer Haut? Das haben Forschende nun näher untersucht.

Die äußerste Schicht unserer Haut, die Hornschicht (Stratum corneum), dient als natürliche Barriere gegen äußere Einflüsse wie Krankheitserreger und hält zugleich die Feuchtigkeit in der Haut. Wenn wir unser Gesicht oder andere Körperteile mit Seife oder einem anderen Reinigungsmittel waschen, kann sich die Haut an diesen Stellen trocken anfühlen und „spannen“. Das Gefühl verschwindet in der Regel, wenn wir eine Feuchtigkeitscrème auftragen. Aber warum ist das so und welche Rolle spielt dabei die Hornschicht?

Diesen Fragen ist ein Forschungsteam um Ross Bennett-Kennett von der Stanford University in einer aktuellen Studie nachgegangen. Sie verwendeten dafür Hautstücke von den Wangen, der Stirn und dem Bauch von Organspendern aus Nordamerika und wuschen und pflegten diese mit sechs verschiedenen Reinigungsmitteln und neun Crèmes, die sich in ihrer chemischen Zusammensetzung unterschieden.

Die durch diese Behandlung hervorgerufenen physikalischen Veränderungen in der äußersten Schicht der Haut maßen die Wissenschaftler in ihrem Labor, insbesondere deren Elastizität beziehungsweise Spannkraft. Anschließend speisten sie diese Informationen in ein Computermodell der menschlichen Haut ein, das vorhersagte, wie die tieferliegenden Schichten von echtem Hautgewebe auf die Veränderungen reagieren würden, inklusive der darunterliegenden Nervenzellen.

Wie merken wir, dass sich die Haut verändert?

Es zeigte sich: Tatsächlich kommt es beim Waschen und Cremen zu mechanischen Veränderungen unserer Hautoberfläche, die dann von unseren Nerven unter der Haut in Empfindungen übersetzt werden. Aber wie funktioniert dieser biophysikalische Vorgang entlang der Hautschichten genau?

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Seifen und Co entfernen beim Reinigen nicht nur Dreck und ölige Substanzen von unserer Haut, sondern auch einige der fettigen Stoffe (Lipide) in der äußersten Hautschicht, die normalerweise Feuchtigkeit binden. Die Haut verliert daraufhin an Feuchtigkeit und Elastizität, zieht sich zusammen und „spannt“. Feuchtigkeitsspendende Crèmes erhöhen, wie der Name schon sagt, den Lipid- und damit den Wasseranteil in der Hautschicht, wodurch diese wieder anschwillt, gedehnt und dadurch geschmeidiger wird.

Beim Ab- und Anschwellen der äußersten Hautschicht wirken mechanische Kräfte auf die Hornschicht und indirekt auch auf die darunterliegenden Hautschichten. Diese enthalten sogenannte Mechanorezeptoren in Form von Sinneszellen (unter anderem Merkel-Zellen), die auch für den Tastsinn verantwortlich sind. Sie stellen natürliche Sensoren dar, die auf mechanische Reize reagieren und mit feinen Nervenenden verbunden sind, die die Reize in neurologische Signale übersetzen. Wenn diese Signale dann über Nervenbahnen unser Gehirn erreichen, interpretiert es das als Spannen oder Entspannen der Haut.

Wie aussagekräftig ist das Modell?

Wie sich dies konkret anfühlt und welche mechanischen Reize welches Gefühl auslösen, konnten die Forschenden ebenfalls aus ihren Messwerten und ihrem Modell ableiten. Ihre Prognosen verglichen sie mit den Berichten von rund 2.700 Frauen aus Frankreich und China, die in zwei Studien der Kosmetikfirma L’Oréal die verwendeten Reinigungs- und Pflegemittel an sich getestet und hinsichtlich verschiedener Kriterien bewertet hatten. Unter anderem gaben sie an, wie sich ihre Haut an Stirn und Wangen anfühlte.

Die Vorhersagen der Wissenschaftler deckten sich dabei „fast perfekt“ mit den Berichten der Testpersonen. „Es war eine absolut bemerkenswerte Korrelation mit einer sehr hohen statistischen Signifikanz“, beschreibt es Seniorautor Reinhold Dauskardt von der Stanford University.

Anwendung in Kosmetikprodukten und tragbaren Geräten

Die Forschenden haben damit eine Methode entwickelt, mit der wissenschaftlich untersucht und detailliert vorhergesagt werden kann, wie Menschen ihre Haut wahrnehmen, wenn sie bestimmte Wasch- oder Pflegesubstanzen verwendet haben. Die Prognose, wie sich Menschen nach der Anwendung beispielsweise einer Hautcrème fühlen, könnte Kosmetikunternehmen dabei helfen, ihre Rezepturen zu verbessern, bevor sie Menschen zum Testen einladen. „Unsere Studie vermittelt ein völlig neues Verständnis dafür, wie diese Formulierungen zu gestalten sind“, sagt Dauskardt. Auch ganz neue Kosmetikprodukte seien so denkbar.

Das Team plant jedoch, seine Erkenntnisse auch anderweitig zu nutzen: Die Forschenden wollen künftig tragbare Geräte entwickeln, die mittels mechanischer Reize auf der Haut Informationen übertragen, nonverbal und nicht visuell – ähnlich wie eine Person, die Blindenschrift liest, Empfindungen auf ihrer Fingerspitze in Worte übersetzt. Das eröffne neue Möglichkeiten in der Kommunikation. (PNAS Nexus, 2023; doi: 10.1093/pnasnexus/pgad292)

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