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Materialforschung

Farben der „Mona Lisa“ enträtselt

Leonardo da Vincis berühmtes Gemälde enthält außergewöhnliche Pigmente

Mona Lisa
Die „Mona Lisa“ ist eines der berühmtesten Gemälde von Leonardo da Vinci. In dieser Darstellung sind die Farben sanft restauriert, auf Basis der Mona-Lisa-Kopie von Francesco Melzi. © Antonforever/CC-by 3.0

Innovative Zusammensetzung: Leonardo da Vinci verwendete für seine Gemälde experimentelle Farbmischungen, die seine Bilder einmalig machten. Forschende haben nun für zwei seiner Kunstwerke die genaue Zusammensetzung der Grundierungen entschlüsselt. Demnach enthalten sowohl die „Mona Lisa“ als auch das „Letzte Abendmahl“ durch den Einsatz von Blei(II)-oxid die giftige Substanz Plumbonacrit, die wahrscheinlich das Trocknen beschleunigte. Diese Technik war bislang nur für die Zeit Rembrandts und spätere Künstler bekannt.

Die Farben und Pigmente im Atelier von Leonardo da Vinci (1452−1519) umgab Berichten zufolge eine Aura des Geheimnisvollen. Kaum jemand wusste, wie der berühmte Künstler, Ingenieur und Naturforscher sie mischte und mit ihnen seine außergewöhnlichen Bilder schuf – zumal er bei beinahe jedem Gemälde abgewandelte Farbmischungen wählte und seine Maltechnik stetig optimierte, wie neuere Analysen ergaben. Seit Langem suchen daher Wissenschaftler in da Vincis Manuskripten und Kunstwerken nach Hinweisen auf die von ihm verwendeten Substanzen und Materialien.

Das Geheimnis der Grundierung

Viele Gemälde aus dem frühen 16. Jahrhundert, darunter auch die „Mona Lisa“, die da Vinci im Jahr 1503 begann, wurden auf dunklen Holztafeln gemalt. Um darauf die Farben besser zur Geltung zu bringen, mussten die Maler vor dem Einsatz des eigentlichen Bildmaterials eine dicke weiße Grundschicht auftragen. Die meisten Künstler verwendeten dafür Gesso, eine weiße Farbmischung aus wasserlöslichem Leim, Bindemitteln, Gips (Calciumsulfat) oder Kreide (Calciumcarbonat) und weißem Pigment. Dasselbe galt für die übliche Freskentechnik der Wandmalereien.

Leonardo da Vinci wählte jedoch andere Materialmischungen, wie frühere Studien mit nicht-invasiven Techniken wie Röntgen- und Fluoreszenzspektroskopie zeigten. Er experimentierte mit unterschiedlichen Zusammensetzungen der Grundierung und trug dabei – ausschließlich oder zusätzlich zu Gesso – dicke Schichten verschiedener bleihaltiger Pigmente auf, wie das Weißbleierz Cerussit (PbCO3), Hydrocerussit (Pb3 (CO3)2 (OH) 2) oder rotes Bleioxid (Pb3O4). Zudem reicherte er sein Öl mit Blei(II)-oxid (PbO) an.

Dies verlieh der darüber liegenden Farbe wahrscheinlich spezifische Trocknungseigenschaften, so die Vermutung. Diese Technik verwendete da Vinci den früheren Studien zufolge auch bei der Grundierung der „Mona Lisa“ und der Wand unter dem „Letzten Abendmahl“.

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Farbfleck aus der Mona Lisa
Dieser winzige Farbfleck aus der „Mona Lisa“ gibt Einblicke in den Entstehungsprozess dieses Kunstwerks von Leonardo da Vinci. © Adapted from the Journal of the American Chemical Society, 2023, DOI: 10.1021/jacs.3c07000

Einsatz neuer Analysetechniken

Ein Forschungsteam um Victor Gonzalez von der Universität Paris-Saclay hat nun mit weiteren hochauflösenden Analysetechniken die einzigartigen Farbschichten dieser beiden Werke genauer untersucht. Das Team führte seine Analysen an kleinsten Materialproben durch – einer winzigen „Mikroprobe“ aus einer versteckten Ecke der „Mona Lisa“, die im Louvre in Paris hängt, sowie 17 Mikroproben von der Oberfläche des „Letzten Abendmahls“, das eine Wand des Klosters Santa Maria delle Grazie in Mailand ziert.

Mithilfe moderner Techniken der Synchrotron-Röntgenbeugung und Infrarotspektroskopie (Mikro-Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie, µ-FTIR) untersuchten die Forschenden die verschiedenen Farbschichten der Grundierung. Ihr Ergebnis glichen sie mit Leonardo da Vincis historischen Aufzeichnungen über seine Arbeiten ab.

Plumbonacrit in der „Mona Lisa“

Die Analysen enthüllten eine einzigartige chemische Mischung von da Vincis Farben: So enthielten die Grundschichten der Kunstwerke ein stark verseiftes Öl mit hohem Bleigehalt und ein mit Cerussit und Hydrocerussit angereichertes Bleiweißpigment sowie etwas Calcit (Calciumcarbonat). Diese Funde bestätigten frühere Annahmen basierend auf elektronenmikroskopischen Analysen.

Überraschend jedoch: Mit der erweiterten Technik entdeckten die Forschenden außerdem eine viel seltenere Bleiverbindung: Plumbonacrit (Pb5 (CO3)O(OH) 2). Allerdings fanden sie davon einen deutlich geringeren Anteil als von Hydrocerussit. Außerdem ist Plumbonacrit nur unter alkalischen Bedingungen stabil. Beides deutet den Wissenschaftlern zufolge darauf hin, dass dieses Material durch eine Reaktion zwischen dem Öl und dem zugesetzten Blei(II)-oxid (PbO) entstanden ist.

Erster Nachweis für die Zeit da Vincis

In den Proben aus dem „Letzten Abendmahl“ fanden die Forschenden dieselbe Grundierungsmischung wie bei der „Mona Lisa“. Zusätzlich entdeckten sie in der Grundierung und der darüberliegenden Farbschicht PbO-Körner aus orangefarbigem Litharge (α-PbO) und gelbem Massicot (β-PbO), die bei unterschiedlichen Temperaturen entstehen. Außerdem identifizierten sie in dem Wandgemälde das bleihaltige Mineral Shannonit (Pb2OCO3). Es könnte möglicherweise eine Zwischenform bei der Bildung von Plumbonacrit aus PbO darstellen, berichten die Wissenschaftler.

Plumbonacrit war zuvor bereits in mehreren Gemälden des niederländischen Barockkünstlers Rembrandt van Rijn aus dem 16. Jahrhundert entdeckt worden. Die Maler seiner Epoche fügten bekanntermaßen Bleiverbindungen wie Plumbonacrit zu ihren Pigmenten hinzu, um sie beim Trocknen beziehungsweise Aushärten zu unterstützen. Als da Vinci um 1503 begann, die „Mona Lisa“ zu malen, waren solche Grundierungstechniken in der italienischen Renaissance aber noch nicht üblich – dachte man bislang.

Offene Fragen bleiben

Nun haben Gonzales und seine Kollegen diese Technik zum ersten Mal auch für Gemälde aus der Zeit da Vincis experimentell nachgewiesen. Das bleihaltige Mineral Shannonit wurde zum ersten Mal überhaupt in einem historischen Gemälde entdeckt. Seine Funktion und Wirkung auf die Farben ist unklar, ebenso, ob es tatsächlich eine Vorstufe des Plumbonacrit ist. In den Schriften und Manuskripten da Vincis fanden Gonzales und seine Kollegen keine Hinweise auf diese Substanzen oder ihre Funktionen. Lediglich Blei(II)-oxid (PbO) wurde darin erwähnt, jedoch nur in Bezug auf Haut- und Haarheilmittel.

Auch wenn da Vinci es offenbar nicht ausdrücklich aufgeschrieben hat: Die Ergebnisse legen nahe, dass Bleioxide einen festen Platz auf der Palette der alten Meister, inklusive Leonardo da Vincis hatten. Die Studie belegt, dass da Vinci zumindest bei der „Mona Lisa“ und dem „Letzten Abendmahl“ mit diesen Substanzen experimentierte.

Warum er sie einsetzte, ob es die einzigen Male waren oder ob die Bleioxide auch in weiteren Werken von da Vinci und seinen Zeitgenossen vorkommen, wollen die Forschenden nun weiter untersuchen. Weiter erforscht werden soll auch, wie diese Grundierungsmischung die darüberliegenden Farben genau beeinflusst hat. (Journal of the American Chemical Society, 2023; doi: 10.1021/jacs.3c07000)

Quelle: American Chemical Society

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