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Medizintechnik

Implantierter Mikrochip als Arzneimittelpumpe

Programmierbarer Dosierautomat könnte medizinische Behandlungen vereinfachen

Diese Grafik zeigt den Aufbau des implantierbaren Mikrochips; oben: Gesamtansicht, darunter: Ausschnittvergrößerung von zwei Wirkstoffkammern und Freisetzen des Wirkstoffs, indem die verschließende Platin-Titan-Membran mittels Strom durchgeschmort wird. © MicroCHIPS, Inc., Massachusetts

Forscher haben erstmals Menschen ein Medikament über einen implantierten, programmierbaren Mikrochip verabreicht. Sie pflanzten dazu sieben an Osteoporose erkrankten Frauen ein Gerät von der Größe eines Herzschrittmachers unter die Bauchdecke. Das Gerät enthielt Mikrochips und 20 winzige Kämmerchen mit einem Wirkstoff gegen den Knochenschwund. Durch ein Funksignal ausgelöst, öffnete sich jeweils eine dieser Kammern nach einer vorprogrammierten Abfolge und entließ das Mittel in den Blutkreislauf.

Der erste Test eines solchen Implantats habe sich als sicher und effektiv erwiesen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Translational Medicine“. Die neue Technologie könne zukünftige medizinische Behandlungen revolutionieren.

Der unter lokaler Betäubung implantierte Mikrochip blieb über ein Jahr im Körper der sieben Testpersonen. Diese hätten dadurch keinerlei Beschwerden oder Unannehmlichkeiten gehabt, berichten die Forscher. Über eine drahtlose Verbindung nach außen meldete das Gerät jederzeit seinen Zustand. Gleichzeitig ermöglichte es diese Verbindung auch, das Öffnen der Kammern zu steuern. Diese waren mit einer dünnen Membran aus Titan und Platin verschlossen.

Auf das Öffnungssignal hin wurde die Membran durch einen leichten Stromstoß zerschmolzen und der Wirkstoff in das umgebende Gewebe freigesetzt. In den ersten vier Monaten der Studie erhielten die Patientinnen so 20 Dosen des Wirkstoffs.

Diese neue Form der Behandlung habe genauso gute Ergebnisse gezeigt wie die herkömmliche Therapie durch tägliche Injektionen. „Das Gerät hat den Wirkstoff im Körper vor dem Zersetzen oder Verunreinigungen geschützt und jede Dosis genau wie programmiert abgegeben“, berichten Robert Farra vom neugegründeten Unternehmen MicroCHIPS in Waltham und seine Kollegen. Es seien zudem keine Nebenwirkungen oder Komplikationen aufgetreten.

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Der implantierbare Mikrochip und Wirkstoffdosierer (rechts) neben einem normalen USB-Stick © MicroCHIPS, Inc., Massachusetts

Technologie kann Therapie vieler Krankheiten erleichtern

Nach Ansicht der Forscher könnten solche programmierbaren Mikrochips die Behandlung nicht nur der Osteoporose, sondern auch von vielen anderen chronischen Krankheiten, wie Krebs oder Multiple Sklerose, dramatisch verändern. Denn sie gibt beispielsweise Ärzten die Möglichkeit, die Dosierung und den Rhythmus der Wirkstoffabgabe einfach per Computer oder Smartphone anzupassen.

Und auch für die Patienten könne die Technologie eine Erleichterung bedeuten: „Die Verbindung von Wirkstofftransfer und Elektronik befreit Patienten von der Belastung, sich täglich Medikamente spritzen zu müssen oder jeden Tag zu einer bestimmten Zeit an die Einnahme eines Arzneimittels denken zu müssen“, sagt Robert Langer vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), einer der Mitautoren der Studie.

Gerade bei „stillen“ Krankheiten wie der Osteoporose bemerkten die Patienten zunächst keine fühlbaren Veränderungen durch ihre Behandlung, sagen die Forscher. Deshalb setzten die Patienten häufig einfach die Injektionen ab und gefährdeten so den Erfolg ihrer Therapie. „Die neue Technologie umgeht dieses Problem vollständig und eröffnet den Weg zu einer Zukunft, wo Wirkstoffe völlig automatisch verabreicht werden können“, sagt Mitautor Michael Cima vom MIT. (Science Translational Medicine, 2012; doi: 10.1126/scitranslmed.3003276)

(Science Translational Medicine, 17.02.2012 – NPO)

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