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Biologie

Eichhörnchen haben Lepra übertragen

DNA-Analysen offenbaren Verbreitungswege von Lepra im Mittelalter

Eichhörnchen
DNA-Analysen identifizierten das Eichhörnchen als den ersten historischen tierischen Wirt der Lepra. © Dgwildlife / iStock

Flauschiger Wirt: Eichhörnchen waren im Mittelalter beliebte Haustiere und Pelzlieferanten. Doch sie könnten Mitschuld an der Verbreitung der Lepra gehabt haben, wie DNA-Analysen von menschlichen und tierischen Überresten aus Grabstätten in England nahelegen. Demnach haben Eichhörnchen damals möglicherweise den Lepra-Erreger Mycobacterium leprae auf Menschen übertragen. Eichhörnchen sind damit die ältesten bekannten Wirte dieser zoonotischen Infektionskrankheit.

Lepra ist eine der ältesten Krankheiten in der Geschichte der Menschheit. Die frühesten Lepra-Funde sind über zehn Millionen Jahre alt. Trotz Ausrottungsversuchen ist die chronische Infektionskrankheit auch heute noch in Asien, Afrika und Südamerika weit verbreitet. Jährlich infizieren sich rund 200.000 Menschen mit Lepra. Dabei werden Haut und Schleimhäute sowie Nervenzellen zerstört.

Verursacht wird Lepra von Bakterien, vor allem durch Mycobacterium leprae und zu geringerem Anteil durch Mycobacterium lepromatosis. Über deren Evolutionsgeschichte wissen Mediziner und Biologen heute gut Bescheid. Über welche Infektionswege sich die Bakterien aber einst unter Menschen verbreiteten, ist bislang nur wenig erforscht.

Eichhörnchen unter Verdacht

Einige historische Dokumente legten bereits nahe, dass einst Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) als Zwischenwirt fungiert haben könnten. Mit dem Fell der flauschigen Tiere wurde im Mittelalter häufig Kleidung gefüttert. Eichhörnchen waren damals zudem beliebte Haustiere. Als potenzielle Krankheitsüberträger der Lepra wurden Eichhörnchen oder andere Tiere bislang jedoch kaum betrachtet, obwohl bekannt ist, dass die Bakterien auch Gürteltiere und Schimpansen befallen können.

Ein Forschungsteam um Christian Urban von der Universität Zürich ist dieser Spur nun nachgegangen. Dafür analysierten die Biologen Knochen und Zähne aus zwei archäologischen Stätten aus der südenglischen Stadt Winchester, die im Mittelalter ein Krankenhaus für Leprakranke beherbergte und für ihren Fellhandel bekannt war. Die Proben stammten von 25 Menschen und zwölf Eichhörnchen. Die Forschenden untersuchten das darin enthaltene Erbgut auf Gene des Lepra-Erregers Mycobacterium leprae beziehungsweise auf seine mittelalterlichen Vorfahren.

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Eichhörnchen übertrugen einst Lepra

Die Analysen der alten DNA zeigten, dass sowohl eines der untersuchten Eichhörnchen als auch drei der Menschen mit Lepra infiziert waren. „Mit unserer genetischen Analyse konnten wir das Eichhörnchen als den ersten historischen tierischen Wirt der Lepra identifizieren“, sagt Seniorautorin Verena Schünemann von der Universität Basel.

Die in den Tests rekonstruierten vier historischen Stämme des Lepra-Bakteriums waren zudem eng miteinander verwandt, wie Vergleiche mit einem Referenzgenom ergaben: „Der mittelalterliche Eichhörnchenstamm, den wir geborgen haben, ist enger verwandt mit mittelalterlichen menschlichen Stämmen aus derselben Stadt als mit Stämmen, die aus infizierten modernen roten Eichhörnchen isoliert wurden“, so Schünemann.

Urban und seine Kollegen schließen daraus, dass Eichhörnchen tatsächlich einst als Wirt und Überträger des Lepra-Erregers fungierten. Ob die Tiere die Menschen angesteckt haben oder umgekehrt, lässt sich jedoch nicht sagen. „Insgesamt deuten unsere Ergebnisse auf eine unabhängige Zirkulation von M. leprae-Stämmen zwischen Menschen und Eichhörnchen während des Mittelalters hin“, sagt Schünemann.

Tiere als Lepra-Wirte: Noch heute relevant

Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Ausbreitungswege der Lepra – damals wie heute. Sie werfen auch die Frage auf, ob noch andere Tiere mit Lepra infiziert waren oder sein könnten. „Dieser Befund ist auch heute noch relevant, da tierische Wirte [bei Lepra] immer noch nicht berücksichtigt werden, obwohl sie für das Verständnis der gegenwärtigen Persistenz der Krankheit […] von Bedeutung sein könnten“, sagt Schünemann.

„Durch Covid-19 sind tierische Wirte nun in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt, um das Auftreten und die Persistenz von Krankheiten zu verstehen“, sagt Koautorin Sarah Inskip von der University of Leicester. „Unsere Forschung zeigt, dass es eine lange Geschichte von Zoonosen gibt und dass sie einen großen Einfluss auf uns hatten und haben.“ (Current Biology, 2024; doi: 10.1016/j.cub.2024.04.006)

Quelle: Cell Press

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