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Medizin

Warum sind Fledermaus-Viren so tödlich?

Immunabwehr der Fledermäuse macht Ebola, Marburg oder 2019-nCoV zu "Turbo-Viren"

Flughund
Der Schwarze Flughund ist wie viele andere Fledermausarten ein Reservoir für pathogene Viren. Seine effektive Immunabwehr schützt ihn, macht aber die Erreger noch aggressiver. © Linfa Wang/ Duke University

Ob SARS, Ebola oder das neue Coronavirus: Es ist kein Zufall, dass so viele gefährliche Viren ursprünglich aus Fledermäusen stammen, wie nun eine Studie enthüllt. Denn diese Tiere besitzen ein Immunsystem, das Virusinfekte besonders effektiv unterdrückt. Als Folge rüsten die Viren auf. Wenn sie dann uns Menschen befallen, ist unsere schwächere Abwehr schnell überfordert, wie die Forscher berichten.

Die meisten neu auftretenden Viruserkrankungen stammen ursprünglich aus Tieren. Im Falle der Influenza sind dies meist Vögel oder Schweine, aber auch Nagetiere können krankmachende Erreger beherbergen. Doch viele besonders gefährliche Viren wie Ebola, Marburg, SARS oder das neue Coronavirus 2019-nCoV haben sich ursprünglich in Fledermäusen als Reservoirwirt entwickelt. Durch den Kontakt des Menschen mit Fledermäusen oder über ein anderes Tier als Zwischenträger gelang diesen Erregern dann der Sprung auf den Menschen.

Fledermauszellen im Infektionstest

Doch warum sind gerade die Fledermausviren so besonders aggressiv und vermehrungsfreudig? Merkwürdig auch: „Fledermäuse können Viren, die für nicht fliegende Säugetiere hochgradig virulent sind, lange Zeit in sich beherbergen, ohne offensichtliche Krankheitssymptome zu zeigen“, berichten Cara Brook von der University of California in Berkeley und ihre Kollegen. Doch was macht diese Tiere so resistent? Und wie beeinflusst dies die Aggressivität der Erreger?

Dieser Frage sind die Forscher nun nachgegangen. Dafür untersuchten sie die Immunreaktion von Zellkulturen des Schwarzen Flughunds (Pteropus alecto) und des Nilflughunds (Rousettus aegyptiacus). Beide sind natürliche Reservoire für aggressive Viren. Im Experiment infizierten die Forscher die Fledermaus-Zellkulturen und eine Kontrollkultur mit Zellen der Grünen Meerkatze mit verschiedenen Marburg- und Ebola-ähnlichen Viren und verfolgten, wie die Zellen darauf reagierten.

„Feuerschutzdecke“ für die Zellen

Das Ergebnis: Die Affenzellen hatten den Viren nur wenig entgegenzusetzen und starben innerhalb weniger Tage vollständig ab. Anders dagegen die Fledermauskulturen: Bei ihnen verlangsamte sich das Fortschreiten der Infektion. Obwohl viele Zellen infiziert waren, schienen sich einige Zellen erfolgreich gegen einen Angriff wehren zu können. Sie blieben auch nach mehreren Tagen noch gesund und nicht infiziert.

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Virenbausbreitung
Ausbreitung der Viren in der Fledermaus-Zellkultur. Einige gesunde Zellen bleiben immun (blau). © Cara Brook/ UC Berkeley

„Das ist wie bei einem Feuer, das sich durch einen Wald brennt“, erklärt Brook. „Einige Bäume – hier Fledermauszellen – haben Schutzdecken, so dass das Feuer vorbeirast, ohne ihnen zu schaden.“ Gleichzeitig bleiben im Wald aber weiterhin glühende Kohlen liegen, von denen jederzeit ein neues Feuer ausgehen kann. In der Zellkultur entspricht dies Fledermauszellen, die weiterhin aktive Viren in sich tragen.

Doppelte Abwehrstrategie

Wie aber schützen sich die Fledermauszellen vor den Viren? Das enthüllte ein Modell des Fledermaus-Immunsystems, mit dem die Forscher die Infektion nachvollzogen. Es enthüllte, dass die Abwehr der Tiere beim ersten Kontakt mit den Viren das gesamte System mit dem Botenstoff Interferon-Alpha flutet. Dieser aktiviert die zelluläre Abwehr und führt dazu, dass sich die Zellen gegen den Erreger abschotten.

Gleichzeitig verhindert der Botenstoff eine überschießende Entzündungsreaktion und dämpft so die Krankheitssymptome. „Würde unsere Immunabwehr die gleiche antivirale Strategie versuchen, würde dies eine systemweite Entzündung auslösen“, erklärt Brook. Denn uns Menschen und den meisten nicht fliegenden Säugetieren fehlt die starke Interferon-Alpha-Ausschüttung und die stark entzündungshemmende Immunantwort.

Der Grund dafür: Fledermäuse besitzen einen weit aktiveren Stoffwechsel als wir, weil sie diesen für das Fliegen benötigen. Dabei fallen jedoch auch vermehrt destruktive Radikale und entzündungsauslösende Abfallstoffe an, wie die Forscher erklären. Damit diese nicht ständig Zellschäden und Entzündungen auslösen, ist das Immunsystem der Fledermäuse hochreguliert und geht entsprechend effektiv gegen diese Effekte, aber auch gegen Erreger vor. Das erklärt, warum die Fledermäuse selbst aggressive Viren in Schach halten können.

Brutstätte für „Turbo-Viren“

Doch nicht nur das: Die Ergebnisse erklären auch, warum gerade Fledermausviren so tödlich werden können. „Wenn man eine starke Immunantwort hat und einige Zellen vor der Infektion geschützt sind, dann kann das Virus seine Vermehrung hochregulieren, ohne dass sein Wirt stirbt“, erklärt Brook. Das macht die Viren pathogener, erhält ihnen aber trotzdem ihre Reservoirwirte. „Unsere Studie demonstriert, wie das Immunsystem der Fledermäuse die Virulenz solcher Erreger ankurbeln kann“, sagt Brook.

Wenn dann aber ein solches Virus auf den Menschen oder andere Säugetiere überspringt, wird es zu einem tödlichen Erreger. Denn deren weit schwächeres Immunsystem kann diesem „Turbo-Virus“ dann nur wenig entgegensetzen. „Es ist daher kein Zufall, dass viele dieser hochpathogenen Viren aus Fledermäusen stammen“, sagt Brooks Kollege Mike Boots. (eLife, 2020; doi: 10.7554/eLife.48401)

Quelle: University of California – Berkeley

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