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Medizin

Neuer Ansatz gegen den Heißhunger

Hemmstoff könnte übersteigerten Appetit nach Fasten oder Diät bremsen

Hunger
Gerade nach einer Fastenperiode oder Diät entwickeln viele Übergewichtige einen Heißhunger, der die Abnehmerfolge zunichte machen kann. © AndreyPopov/ Getty images

Hoffnung für Abnehmwillige: Forschende haben einen neuen Hemmstoff gegen übermäßigen Appetit und Übergewicht gefunden – und ihn bei Mäusen bereits erfolgreich getestet. Ansatzpunkt ist ein Signalweg, durch den die Esslust nach einer Fasten- oder Diätperiode stark gesteigert wird. Hemmt man ein an dieser Signalkaskade beteiligtes Enzym, bleibt der übersteigerte Appetit aus. Im Test fraßen fettleibige Mäuse dadurch weniger und nahmen nachhaltig ab, wie das Team in „Nature Metabolism“ berichtet.

Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland sind übergewichtig, knapp ein Viertel sind adipös. Das Problem dabei: Das Abnehmen ist gerade für stark übergewichtige Menschen oft extrem schwierig. Bei ihnen wirkt Sport weniger und Diäten funktionieren oft nur vorübergehend, danach macht der Jojo-Effekt den Gewichtsverlust wieder zunichte. Das besonders hartnäckige Bauchfett lässt sich zudem auch mit Intervallfasten nicht immer kleinkriegen.

Unter anderem deshalb suchen Wissenschaftler schon länger nach Möglichkeiten, das Essverhalten durch Eingriffe in die körpereigene Regulation des Appetits zu beeinflussen. Allerdings sind diese teils über Botenstoffe und teils neuronal kontrollierten Signalwege extrem komplex und erst in Teilen entschlüsselt.

Autaxin
Das Enzym Autaxin spielt eine wichtige Rolle für die Produktion des Signalstoffs LPA. © A2-33/CC-by-sa 3.0

Von der Leber ins Gehirn

Einen neuen Ansatzpunkt haben nun Heiko Endle von der Universität Köln und seine Kollegen entdeckt. Für ihre Studie hatten sie einen Signalweg untersucht, über den der Körper dem Gehirn einen Mangel an Nährstoff-Nachschub signalisiert. Dies hat zur Folge, dass wir nach einer Fastenperiode oder einer Diät besonders viel Hunger haben und die Unterversorgung mit Kalorien durch übermäßiges Essen kompensieren. Oft macht dies alle Abnehmerfolge wieder zunichte.

Durch Versuche mit Mäusen haben Endle und sein Team nun entschlüsselt, wie dieser Signalweg im Einzelnen abläuft – und wo man zur Appetitregulierung eingreifen könnte. Wie sie herausfanden, produziert die Leber beim Absinken des Energiestoffwechsels einen Botenstoff (LPC), der über das Blut und die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gelangt. Dort wird das LPC mithilfe des Enzyms Autaxin in den anregenden Botenstoff LPA umgewandelt, der die Hirnrinde und das Appetitzentrum stimuliert.
Unter dem Einfluss des LPAs zeigten die Mäuse ein verstärktes Futtersuchverhalten, fraßen mehr und nahmen zu.

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Signalweg steuert Esslust nach dem Fasten

Ähnliches läuft offenbar auch bei uns Menschen ab: Wird in unserem Gehirn vermehrt LPA gebildet, regt dies die allgemeine Erregbarkeit der Hirnrinde und auch den Appetit an. „Tatsächlich zeigen Daten, dass Menschen mit einem gestörten synaptischen LPA-Signalweg vermehrt übergewichtig sind und unter Diabetes Typ II leiden“, erklärt Koautor Robert Nitsch von der Universität Münster. Er und seine Kollegen vermuten, dass Veränderungen am LPA/LPC-Stoffwechselweg auch bei Magersucht und anderen Essstörungen eine Rolle spielen könnten.

„Unsere grundlegenden Befunde zur LPA-gesteuerten Erregbarkeit des Gehirns spielen demnach auch für das Essverhalten eine zentrale Rolle“, sagt Endles Kollege Johannes Vogt. Allerdings betont das Team, dass dieser Signalweg nicht der einzige Regulator von Hunger und Appetit ist. Dennoch könnte er nun neue Ansatzpunkte eröffnen, um übermäßigen Appetit gerade nach einer Diät oder Fastenperiode zu dämpfen.

Hemmstoff verringert Appetit

Bei den Mäusen funktionierte diese Appetithemmung bereits: Die Forschenden verabreichten Wildtypmäusen und Mäusen mit einem genetisch hochregulierten LPA/LPC-Signalweg einen Hemmstoff gegen das Enzym Autaxin. Als Folge fraßen die Tiere weniger und nahmen trotz fettreichem Futter ab. „Die Gewichtsreduktion bei den Mäusen mit der Genmutation war dabei signifikant größer als bei den Wildtypmäusen“, berichtet das Team.

„Das ist ein starker Hinweis auf einen möglichen Therapieerfolg durch Autaxin-Inhibitoren, die wir derzeit gemeinsam mit dem Hans-Knöll-Institut in Jena zur Anwendung am Menschen entwickeln“, sagt Nitsch. Noch muss die Wirkung dieser Hemmstoffe erst genauer erforscht werden. Sollten sie sich aber bewähren und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen verursachen, könnten sie dazu beitragen, Abnehmwilligen auch medikamentös zu helfen. (Nature Metabolism, 2022; doi: 10.1038/s42255-022-00589-7)

Quelle: Universität zu Köln

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