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Genetik

Krebs durch „Mutationsnebel“

Durch DNA-Reparatur begünstigte Mutationshäufung ist besonders krebserregend

Mutation
Ein eigentlich gegen Viren gerichtetes Enzym verursacht gehäufte Mutationen – und kann daher Krebs auslösen. © ktsimage/ iStock.com

Schub für die Entartung: Forscher haben einen Mutationstyp in unserem Erbgut identifiziert, der besonders krebsfördernd ist. Die karzinogene Wirkung dieses „Mutationsnebels“ ist sogar stärker als die von Tabakrauch oder UV-Strahlung. Er kann hunderte von DNA-Fehlern auf einmal erzeugen – und trifft dabei besonders oft Tumorsuppressorgene. Auslöser dieser Mutationen ist ein körpereigenes Enzym, das normalerweise das Erbgut von Viren zerstören soll.

Krebs entsteht, wenn DNA-Schäden oder Mutationen die normalen Kontrollmechanismen der Zelle außer Kraft setzen. Dadurch beginnen die entarteten Zellen sich unkontrolliert zu vermehren, statt im zellulären Selbstmordprogramm abzusterben. Auslöser von krebsfördernden Mutationen können äußere Faktoren wie Strahlung, Tabakrauch und andere krebserregende Chemikalien sein, aber auch interne Auslöser wie fehlgeleitete Enzyme oder der explosive Zerfall ganzer Chromosomen.

Enzyme gegen Viren greifen eigene DNA an

Eine neue Form von krebsfördernden Mutationen durch körpereigene Faktoren haben nun David Mas-Ponte und Fran Supek vom Barecelona Institut für Wissenschaft und Technologie aufgespürt. Dabei handelt es sich um „Klumpen“ gehäufter Mutationen, die wie ein Nebel über das Genom verteilt sind. Typisch für diesen „Mutationsnebel“ ist, dass dabei falsche Basen in einen der beiden DNA-Stränge eingebaut werden.

Verursacher dieser DNA-Veränderungen ist eine Gruppe von sogenannten Cytosin-Desaminasen. „Diese Enzyme verteidigen uns gegen Viren, indem sie deren genetisches Material schädigen“, erklären die Forscher. Dafür lagern sich diese Enzyme an einzelne Erbgutstränge an, beispielsweise an die Boten-RNA eines Virus oder auch an einen einzelnen DNA-Strang, tauschen dort Basen aus und machen so den Gencode unbrauchbar.

Doppelt so krebserregend wie Tabakrauch

Das Problem jedoch: In manchen Fällen kommt es zu einem fehlgeleiteten Angriff dieser sogenannten APOBEC-Enzyme auf die eigene DNA. Wie Supek und Mas-Ponte herausgefunden haben, geschieht dies immer dann, wenn Stellen am Erbgut durch die zelleigenen Reparaturmechanismen ausgebessert werden müssen. Dabei wird der Doppelstrang vorübergehend aufgesplittet und das erlaubt es dem Enzym, in einem der beiden Stränge Mutationen zu verursachen.

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Weil solche Reparaturen vor allem in genreichen Orten unseres Erbguts auftreten, trifft der Mutationsnebel besonders häufig Tumorsuppressorgene – Gene, die eine Entartung aktiv unterdrücken. Als Folge löst der Mutationsnebel im Vergleich zu normalen Mutationen überproportional häufig Krebs aus. „Diese Mutationen haben einen starken krebserregenden Effekt, der mit 0,47 onkogenen Mutationen pro tausend etwa doppelt so hoch liegt wie bei bekannten externen Mutagenen wie Tabakrauch oder UV-Strahlung“, sagen die Wissenschaftler.

Ursache der Enzym-Fehlfunktion noch ungeklärt

Tatsächlich lassen sich die Mutationen dieses Typs bei vielen Tumorarten nachweisen: In einer Vergleichsanalyse von 6.000 Krebsgenomen trat dieser „Mutationsnebel“ unter anderem bei einigen Formen von Brustkrebs und Lungenkrebs besonders häufig auf. Jüngste Arbeiten einer anderen Forschungsgruppe deutet zu dem darauf hin, dass diese enzymbedingten Mutationen bei Metastasen fortgeschrittener Krebserkrankungen besonders aktiv sein könnten. Möglicherweise tragen sie dazu bei, die Tumore resistenter gegenüber einer Krebstherapie zu machen. „Das könnte APOBEC zu einem attraktiven Ansatzpunkt für neuen Therapien machen, die dies verhindern“, so Supek.

Warum die APOBEC-Enzyme manchmal irrtümlich das eigene Erbgut angreifen, ist bislang unklar. Denn dieser Mutationsmechanismus kommt nicht nur bei den Krebsarten vor, die durch Viren gefördert werden, sondern auch bei Tumoren, die nach bisheriger Lesart nicht virusbedingt sind. Warum das so ist, müssen nun weitere Forschungen zeigen. (Nature Genetics, 2020; doi: 10.1038/s41588-020-0674-6)

Quelle: Institute for Research in Biomedicine – IRB

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